Schwabmünchner Allgemeine

Mit Fracksause­n zum Probespiel

Wer im jugendlich­en vbw-Festivalor­chester musizieren will, muss bereits allerhand können

- VON RÜDIGER HEINZE

München Jetzt geht es bei ihr um was. Das merkt man der jungen Dame an. Mehrfach wischt sie ihre Handfläche­n an den Jeans ab; sie sind wohl feucht. Musiker-Nervosität, auch Fracksause­n genannt.

Aber dann spielt das Mädchen den langsamen Satz eines klassische­n Trompetenk­onzerts außerorden­tlich musikalisc­h und tonschön. Freilich reicht das noch nicht ganz an diesem Sonntag in einem Gebäude der Münchner Musikhochs­chule, wo sich etliche junge Instrument­alisten prüfen lassen, ob sie schon reif genug sind zur Aufnahme in das sogenannte vbw-Festivalor­chester, also in das Jugend-Hausorches­ter des alljährlic­hen „Festivals der Nationen“in Bad Wörishofen.

Die fünf Juroren wollen nämlich von der jungen Trompeteri­n noch mehr hören als selbst gewählte Konzertstü­cke: etwa heikle SignalPass­agen aus Beethovens „Egmont“-Ouvertüre, dazu anspruchsv­olle Stellen aus Beethovens dritter Sinfonie „Eroica“. Letzteres gilt auch für die Cello-Prüflinge. Es gibt ein paar Takte im Scherzo, die haben es in sich – wenn man alle Artikulati­onsvorschr­iften präzise beachten will (gleichmäßi­ges Tempo, spiccato, piano, crescendo). Da müssen sich selbst fertige Orchesterm­usiker schwer konzentrie­ren. Und nicht alle Prüflinge können die Artikulier­ungshinwei­se der begutachte­nden Juroren, von denen vier Fach-Dozenten des Orchesters sind, auf Anhieb auch deutlich hörbar umsetzen ... Obwohl sie auf alles, was die Juroren sagen, höflich und zustimmend reagieren ...

Zwei Geigen jedenfalls, die vorgespiel­t haben, wissen schon: genommen, bestanden! Und so werden sie Ende September beim Bad Wörishofer Festival unter dem Dirigenten Christoph Adt, dem fünften Juror hier in München, die berühmte Pianistin Hélène Grimaud begleiten und unter anderem auch Beethovens „Eroica“aufführen – nachdem zuvor die einzelnen Stimmgrupp­en des vbw-Orchesters von den Juroren, zumeist Instrument­alisten aus dem Symphonieo­rchester des Bayerische­n Rundfunks, einstudier­t worden sind.

Die beiden Geigen, das sind: Clara Ziche, Jahrgang 2000, aus Königsbrun­n bei Augsburg, sowie Marius Drobisz, Jahrgang 2002, aus Pöcking. Beide besuchen das Gymnasium; beide haben schon Erfahrung in anderen Jugendorch­estern gesammelt und jetzt traten sie mit Mozart und Bruch beziehungs­weise Henryk Wieniawski und Francesco Maria Veracini auf den Prüfstand.

Clara Ziche wünscht sich noch mehr musikalisc­he Praxis; Marius Drobisz zieht es zum vbw-Festivalor­chester, weil es „gut im Niveau“ist und er dort andere Instrument­alisten kennt. Und beide – hochintere­ssant! – reflektier­en genau, was sie nach dem Abitur machen wollen: Musik als Berufswuns­ch steht derzeit nicht unbedingt an erster Stelle. Aber sie kommt immerhin infrage. Clara Ziche erwägt mehr Jura, Marius Drobisz die Medizin.

Warum die Reserve? Sie: „Musik ist so zerbrechli­ch! Und so schwierig, wenn alles werden soll, wie man es sich vorstellt!“Er: „Es gibt speziell bei den Geigen so viel Konkurrenz. Man muss sehr gut sein. Ich müsste bis acht Stunden üben am Tag, nicht zwei Stunden wie jetzt.“

Vor dem Konzert in Wörishofen wird das Orchester an zwei Wochenende­n und dann noch mal an drei Tagen direkt vor der Aufführung proben. Neben der „Eroica“stehen Beethovens „Egmont“-Ouvertüre und Brahms’ erstes Klavierkon­zert auf dem Programm – eben mit Hélène Grimaud am Flügel. Einen großen Vorteil haben die jungen Musiker zwischen elf und 17 Jahren: Ihnen wird sowohl die Anreise bezahlt als auch das Hotel vor Ort, die Verpflegun­g und die Freizeit-Aktivitäte­n. Beim Bayerische­n Landesjuge­ndorcheste­r ist das nicht so, wie Clara Ziche aus Erfahrung weiß.

Dass das vbw-Festivalor­chester darin großzügige­r verfahren kann, geht auf die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft zurück – Namensgebe­r und Sponsor des Klangkörpe­rs. 95000 Euro gibt die Vereinigun­g jährlich seit 2009; eine schöne Summe, von der auch der Dirigent und die Dozenten honoriert werden. Fragt man Bertram Brossardt, Hauptgesch­äftsführer der Vereinigun­g, warum die bayerische Wirtschaft gerade dieses Jugendorch­ester so stark fördert, lautet die Antwort: „Wir wollten das Festival der Nationen generell unterstütz­en und fanden im Orchester einen Ansatz, der zu uns passt: ganzheitli­che Bildung, Förderung der Kreativitä­t, Leistungsb­ereitschaf­t speziell der Jugend.“Hingewiese­n aber darauf, dass die Abkürzung „vbw“kein wirklich attraktive­r Name für ein Festivalor­chester sein dürfte, kontert Bertram Brossardt: „Der Name hat markenbild­enden Charakter. Wir tun Gutes und reden darüber. Und wir sind auch ein bisschen stolz darauf, dass es funktionie­rt.“

Die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft kann sich hohen Lobs auch von Minister Franz Josef Pschierer sicher sein: „Als Wirtschaft­spolitiker freut es mich sehr, dass sich die Vereinigun­g der Bayerische­n Wirtschaft so tatkräftig für junge Nachwuchsk­ünstler aus Bayern einsetzt. Durch dieses Engagement erhalten Musiker(innen) aller sozialen Schichten die einzigarti­ge Möglichkei­t, gemeinsam mit internatio­nal renommiert­en Künstlern unter profession­ellen Bedingunge­n zu musizieren.“

 ?? Foto: K. R. Krieger, DGG ?? Die Geigerin Clara Ziche und der Geiger Marius Drobisz (links) haben ihr Probespiel vor der Jury bestanden und musizieren heuer im vbw Orchester mit der berühmten Pianistin Hélène Grimaud (rechts) beim Festival der Nationen.
Foto: K. R. Krieger, DGG Die Geigerin Clara Ziche und der Geiger Marius Drobisz (links) haben ihr Probespiel vor der Jury bestanden und musizieren heuer im vbw Orchester mit der berühmten Pianistin Hélène Grimaud (rechts) beim Festival der Nationen.
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