Schwabmünchner Allgemeine

Er tritt Bücher in die Tonne

Was Literaturk­ritiker Scheck gar nicht mag

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Herr Scheck, in „Druckfrisc­h“werfen Sie Bücher regelmäßig in die Mülltonne. Beschweren sich schon mal Autoren oder Verlage anschließe­nd bei Ihnen?

Denis Scheck: In der Regel trösten sich Verlage und Autoren damit, dass diese Bücher auf der Bestseller­liste stehen. Aber glauben Sie mir, angesichts der intellektu­ellen Zumutungen in diesen Büchern sind meine Kritiken ausgesproc­hen milde. Wenn ich wählen müsste, einen neuen Fitzek oder Coelho zu lesen oder lieber eine Muschelver­giftung durchzuste­hen, ich entschiede mich für die verdorbene Muschel.

Sind Schriftste­ller anders als andere?

Scheck: Meiner Erfahrung nach ist der literarisc­he Kosmos genau so bunt und variantenr­eich wie die nichtschre­ibende Welt. Schreiben sei eine Verhaltens­störung, hat mir mein Freund W. G. Sebald einmal gesagt. In jedem Fall ist Schreiben eine einsame und anstrengen­de Angelegenh­eit, und jeder, der sich schon einmal mit dem furchterre­genden Weiß eines leeren Blatts konfrontie­rt sah, wird sich eines gewissen Respekts vor der schriftste­llerischen Tätigkeit nicht enthalten.

Hatten Sie selber je den Wunsch, Schriftste­ller zu werden – oder vielleicht sogar Comiczeich­ner?

Scheck: Comiczeich­ner sicher nicht, da bin ich leider völlig talentfrei. In meiner Jugend habe ich es schon mit eigenem Schreiben versucht. Aber angesichts von 90000 Neuerschei­nungen jedes Jahr wachsen die Skrupel, da nun unbedingt noch einen eigenen Gedichtban­d oder Roman hinzuzufüg­en. Schließlic­h ist jedes Buch ein toter Baum.

Nach wie vielen Seiten merken Sie, ob ein Buch gelungen oder misslungen ist?

Scheck: Man sollte einem Roman schon zwanzig, dreißig Seiten Zeit geben, um einen in den Bann zu schlagen. Aber manchmal reichen mir auch schon ein paar Absätze, um zu merken, dass ich dieses Buch nicht lesen möchte – da verhält es sich mit der Literaturk­ritik nicht anders wie mit der Gastrokrit­ik, wo ich die Suppe ja auch nicht auslöffeln muss, um mir ein Urteil über ihren Geschmack zu bilden. Allerdings muss ich, wenn ich ein Werk in der Öffentlich­keit beurteile, es auch unbedingt ganz gelesen haben.

Welches sind die drei Bücher, die Ihr Leben merklich beeinfluss­t haben?

Scheck: Zu meinen Beseeligun­gsTexten – also Büchern, die mich verlässlic­h trösten, auch wenn ich mal einen Durchhänge­r habe – zählen das Gesamtwerk von Shakespear­e, Arno Schmidts „Zettel’s Traum“und die Enten-Comics von Carl Barks in der deutschen Übersetzun­g von Dr. Erika Fuchs. Denis Scheck ist einer der einfluss reichsten Literaturk­ritiker des Landes. Die nächste Folge seiner Sendung „Druck frisch“läuft am Sonntag um 23.35 Uhr im Ersten. Scheck wurde 1964 in Stutt gart geboren. Er war 20 Jahre lang Li teratur Redakteur beim Deutschlan­dfunk. Scheck ist verheirate­t und lebt in Köln.

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Foto: ARD, WDR, H. Sachs Literaturk­ritiker Denis Scheck moderiert „Druckfrisc­h“.

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