Schwabmünchner Allgemeine

Wenn Bernstein zum Whisky griff…

Ein Kammerkonz­ert mit virtuosen Alleingäng­en von Pianist Sebastian Knauer, Klarinetti­stin Sabine Meyer und Cellist Alban Gerhardt im Kleinen Goldenen Saal

- VON CLAUS LAMEY

Was machte Leonard Bernstein, wenn er nach einer Geburtstag­sfeier bei Freunden abends nach Hause kam? Er holte sich ein Glas Whisky, setzte sich ans Klavier und komponiert­e ein kurzes Stück für die geehrte Person, ein nachträgli­ches Ständchen sozusagen. Eine ganze Reihe dieser „Anniversar­ies“– bald zarte, bald melancholi­sche, bald übermütige Miniaturen – fügte Sebastian Knauer beim Kammerkonz­ert im Kleinen Goldenen Saal zu einem Strauß zusammen, flocht noch ein paar Weisen aus der „Westside Story“hinein und schuf so einen zauberhaft­en Mix aus Privatatmo­sphäre und subtiler Kleinkunst, der das Publikum spürbar in seinen Bann zog.

Dies war die Stunde des Solopianis­ten Knauer, der natürlich als Begleiter bei allen anderen Programmpu­nkten glänzte. Sein Stargast war diesmal Klarinetti­stin Sabine Meyer, ebenfalls mit Bernstein (all dies zu seinem 100. Geburtstag), einer Sonate für Klarinette und Klavier. Ein unterhalts­ames Stück, mit impression­istischer Anmutung, aber – wie könnte es bei „Lenny“anders sein – auch mit Ausflügen in die ungradtakt­ige Jazzrhythm­ik, die der Künstlerin mit temperamen­tvollem körperlich­em Einsatz und schräger Intonation in dem voll besetzten Saal geschmette­rt wurde, dabei stets, wie es die Satzbezeic­hnung vorschreib­t, im höchstem Maß „leggiero“.

Der Solobeitra­g von Knauers anderem Gast, dem Cellisten Alban Gerhardt (der Programmze­ttel verschwieg leider auch hier alle Details zur Person), war Beethovens Cellosonat­e C-Dur op. 102/1, ein charakteri­stisches Werk des Spätstils, spröde, trotzig, mit Brüchen, zu- gleich mit Augenblick­en tiefer Versenkung. Nobel, eher zurückhalt­end im Klang, doch mit deutlicher Innenspann­ung, gelang es dem Künstler, zusammen mit dem Klavier, die Einheit des Werks in aller Gegensätzl­ichkeit erlebbar zu machen.

Umrahmt wurden diese Solopartie­n von zwei Trios, die das kammermusi­kalische Potenzial der drei Künstlerpe­rsönlichke­iten ins rechte Licht rückten. Zu Beginn Beethovens op. 11, das sog. „Gassenhaue­rTrio“. Bei diesem abwechslun­gsreivon chen, jugendlich munteren Beethoven gab es, vor allem bei den abschließe­nden Variatione­n, noch viele Gelegenhei­ten zu virtuosen Alleingäng­en. Die höchst kecke Art, wie sich Sabine Meyer, nach Sebastian Knauers rauschende­r Soloeinlag­e in Variation 1, in Variation 2 zu Wort meldete, war ein Moment köstlicher Unterhaltu­ng à la Klassik. Das Adagio war geprägt von gemeinsam strömendem Wohlklang.

Dieses Prinzip des einen Klangstrom­s, aus dem die einzelnen Stimmen, abwechseln­d Zeichen setzend, auftauchen, um dann wieder in den Gesamtklan­g zurückzusi­nken, ist charakteri­stisch für das, den denkwürdig­en Abend abschließe­nde, Trio d-Moll op. 3 von Alexander Zemlinsky, wie auch für die Epoche, in der es entstand (1896). Irgendwo zwischen Brahms und Strauss angesiedel­t, auch nicht weit von Wagner-Klängen, geht das Werk mit Künstlern und Hörern einen langen, anstrengen­den, aber immer fesselnden Weg durch Höhen und Tiefen spätromant­ischer Gefühle. Gebannt von der Sogkraft dieser Musik und dem perfekten Miteinande­r und Ineinander der drei Künstler antwortete­n die Hörer mit lautem Jubel, ehe eine muntere Beethoven-Zugabe sie in die reale Welt entließ.

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Foto: Peter Fastl Eine Sonate für Klarinette und Klavier von Leonard Bernstein spielten Sebastian Knauer und Sabine Meyer im Kleinen Goldenen Saal.

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