Body Shaming? Schluss mit der Scham
Nicole Jäger nimmt die weibliche Selbstoptimierung aufs Korn
Wie lässt sich das gesundheitsgefährdende Gewicht von 340 Kilogramm halbieren? Nicole Jäger weiß es aus eigener Erfahrung: Die Hamburgerin hat darüber das Buch „Die Fettlöserin – eine Anatomie des Abnehmens“geschrieben. Mit ihrem Comedy-Programm, das sich ebenfalls diesem Thema widmet und dabei auch die stete weibliche Selbstoptimierung aufs Korn nimmt, war sie nun im gut besuchten Spectrum zu Gast.
Jäger plauderte in knalliger Comedy-Manier ebenso unverblümt wie glaubwürdig, aus dem Nähkästchen der geplagten Shapewear-Trägerinnen. Den komischen Einblick auf das Leben als „Dicke“münzte sie sowohl zur Pause als auch am Programmende um in ein ermutigendes, eindringlich und ernsthaft vorgetragenes Plädoyer gegen das von unserer Gesellschaft gepflegte, wenig achtsame „Body Shaming“. Schluss damit, denn das verletzt, macht die Betroffenen einsam, grenzt sie aus, zwingt zum Rückzug in die eigenen vier Wände. Stattdessen die Aufforderung zur Selbstakzeptanz: „Wartet nicht darauf, irgendwann erst dann zu leben, wenn ihr perfekt seid. Liebt euch jetzt!“
Drastisch stellte sie fragwürdige „skinny und normal“-Kategorien an den Pranger und outete sich dabei als Expertin in Sachen OnlineDating, die auch die weibliche Lieblings-Beischlafposition wie den schnell demonstrierten „geduldigen Seestern“kennt. In die Irre führende männliche Nicknames samt den stolz versendeten Fotos ihres besten Stückes, machten offenbar auch Nicole Jäger, die immer laut und direkt sagt, was sie denkt, sprachlos.
Weitreichend war der berühmte Wiedererkennungseffekt im Publikum, wo das laute Lachen bei den meisten nicht im Hals stecken blieb: Ob Kleiderschränke mit den drei Kategorien Winter-, Sommer- sowie den Klamotten, die noch nicht passen, ob unwürdiges Trimmen des Intimbereichs, ob Spießerparty, zu denen Freunde sie mit „Punkt 30“einladen, um mit veganer Buffet-Area, leise schließenden Hightech-Küchen-Schubladen und empfindsamem Schiffsplanken-Parkett zu protzen – schier endlos schien die Liste der Absurditäten, mit denen sich nicht nur molligere Frauen plagen, um sich den unbeschwerten Genuss von Sex und Leben zu versagen.
Wer stets darüber nachdenkt, ob man gut, schlank und schön aussieht, oder was insbesondere ein männliches Gegenüber gerade sieht oder „Schlimmes“denkt, der verpasst das Leben, der leidet, anstatt zu fühlen, anstatt sich selbst endlich gut zu fühlen, machte Nicole Jäger klar. Ihre Geschlechtsgenossinnen packte sie mit ihren zwei blonden Zöpfen bei selbigen. Mit ihrem aktuellen Stand-up-Programm „Nicht direkt perfekt“dürfte Jäger für nachhaltige Besserung in puncto Selbstbild gesorgt haben.