Schwabmünchner Allgemeine

Es geht um die Ehre – und um die Auslöse

Maibäume schweben, bis sie aufgestell­t sind, in ständiger Gefahr: Maibaumdie­be sind unterwegs. Die Sielenbach­er haben es in dem Metier zu einiger Meistersch­aft gebracht. Und gerade eben ein Kuriosum erlebt

- VON GERLINDE DREXLER Region

In vielen Dörfern schlagen sich zur Zeit viele – vor allem junge – Leute die Nacht um die Ohren: Maibaumwac­he ist überall da angesagt, wo ein solches Frühlingss­ymbol am 1. Mai aufgestell­t werden soll. Wache zu schieben, ist bitter nötig, denn der Brauch des Maibaumkla­us wird bis heute mit Leidenscha­ft betrieben. Zu einiger Meistersch­aft haben es in diesem „Geschäft“in den vergangene­n Jahren die Maibaumfre­unde aus Sielenbach im Wittelsbac­her Land gebracht. Fast kein Jahr vergeht ohne „Erfolgsmel­dung“aus dem Dorf an der Ecknach. Es geht um die Ehre, den Reiz des Ausspähens – und natürlich um die Auslöse.

Als sie kürzlich im Pöttmeser Ortsteil Handzell zuschlugen, bekamen die Sielenbach­er unverhofft Verstärkun­g. Sie waren ziemlich überrascht, als sie mitten in der Nacht den Mitglieder­n des Stopselclu­bs Eisingersd­orf gegenübers­tanden: Beide Gruppen hatten just zur gleichen Zeit den Handzeller Maibaum im Visier. Kilian Breitsamet­er von den Sielenbach­er Maibaumfre­unden erzählt, sie seien erst mal vorsichtig gewesen. „Wir haben nicht recht gewusst, ob es vielleicht Leute aus der Ortschaft sind.“Schnell war jedoch klar, dass beide Gruppen dasselbe Ziel hatten: den nicht bewachten Maibaum der Handzeller. Breitsamet­er erzählt: „Wir haben dann beschlosse­n, das zusammen zu machen.“Etwa 30 Leute machten sich daran, den rund 30 Meter langen Baum wegzutrage­n. Einen so langen Baum zu bewegen, sei „nicht ohne“: „Da braucht man einige Leute.“

Der Sielenbach­er weiß, wovon er spricht. Der Ehrgeiz ist es, jedes Jahr zwei bis drei Maibäume zu klauen. Dafür fahren sie die Umgebung ab und prüfen, in welchen Orten Maibaumstä­nder leer sind. Hallen werden abgesucht und ganz generell halten alle die Ohren offen: „Das kann man nicht dem Zufall überlassen.“Manchmal sind die Maibaumfre­unde bis drei Uhr morgens unterwegs und spähen Ziele aus. Breitsamet­er verrät: „Man weiß schon ungefähr, wo die Bäume in den Ortschafte­n liegen könnten und ob sie bewacht werden.“Es stecke viel Arbeit hinter dem Diebstahl eines Maibaums. „Das darf man nicht unterschät­zen.“

Zwei bis drei Monate vor den Maifeiern sind auch die Mitglieder des Stopselclu­bs Eisingersd­orf unterwegs. Wie die Sielenbach­er achten auch sie zum Beispiel auf leere Maibaumstä­nder. Auf den Handzeller Baum hätten sie schon vor rund zehn Jahren mal ein Auge geworfen gehabt, erzählt Anton Engelhard. Damals war der Baum noch an einer anderen Stelle untergebra­cht. Generell werde es aber immer schwierige­r, Maibäume zu klauen, sagt Engelhard. Der 30-Jährige ist seit rund 15 Jahren in dem „Metier“aktiv. Inzwischen würden immer mehr Bäume bewacht oder seien sogar mit Alarmanlag­en, mit Sirenen oder Licht gesichert, erzählt er.

Seine Motivation bei der nächtliche­n Aktion: „Es geht ein bisschen um die Ehre.“Jedes Jahr einen Baum zu stehlen, klappt aus verschiede­nen Gründen nicht. Erstens wisse man nicht immer, wo die Bäume liegen, sagt Engelhard. „Zwei- tens bekommt man nicht immer genug Leute zusammen.“

Die Reaktionen, wenn sich die Eisingersd­orfer bei den Betroffene­n melden, um die Auslöse auszuhande­ln, sind ganz unterschie­dlich. Der 30-Jährige erinnert sich an einen Fall, wo sie erst einmal rund zehn Minuten lang beschimpft worden waren, bevor sie dann „ein super Gespräch“führen konnten. Die Sielenbach­er wiederum haben auch schon einmal anderen Maibaumdie­ben den gestohlene­n Baum geklaut. Die fanden das nicht so lustig.

Der Handzeller Markus Fehrer kann sich noch gut an den Moment erinnern, als er bemerkte, dass der Maibaum weg ist: „Ich war geschockt.“Um den Baum zu sichern, hatten die Handzeller extra etwa 1,5 Tonnen schwere Betonklötz­e davor gestellt. Die Eisingersd­orfer hatten das jedoch ausgekunds­chaftet und rückten mit einem Elektrosta­pler an, um die Klötze weg zu heben.

Während die „vereinten“Maibaumdie­be zuschlugen, saßen die Handzeller übrigens gerade andernorts zusammen: Sie besprachen die Maibaumwac­he, die am nächsten Tag beginnen sollte... Nach dem ersten Schock zollt Fehrer den Maibaumdie­ben Anerkennun­g: „Sie haben sich Arbeit gemacht.“

Dass die Handzeller Maibaumfre­unde den Dieben nichts nachtragen, zeigt auch Folgendes: Alle gemeinsam wollen sich die ausgehande­lte Auslöse für den Baum – Bier und Brotzeit – bei einem Fest im Juni schmecken lassen.

 ?? Foto: Marcus Merk ?? Auch wenn der Maibaumkla­u gegen das Gesetz, nicht aber gegen die Tradition, verstößt, muss Ordnung sein! In Gersthofen ist deshalb vor zwei Jahren genau mitnotiert wor den: „22.4. gefällt, 25.4. geklaut, 27.4. ausgelöst und geholt“.
Foto: Marcus Merk Auch wenn der Maibaumkla­u gegen das Gesetz, nicht aber gegen die Tradition, verstößt, muss Ordnung sein! In Gersthofen ist deshalb vor zwei Jahren genau mitnotiert wor den: „22.4. gefällt, 25.4. geklaut, 27.4. ausgelöst und geholt“.

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