Es geht um die Ehre – und um die Auslöse
Maibäume schweben, bis sie aufgestellt sind, in ständiger Gefahr: Maibaumdiebe sind unterwegs. Die Sielenbacher haben es in dem Metier zu einiger Meisterschaft gebracht. Und gerade eben ein Kuriosum erlebt
In vielen Dörfern schlagen sich zur Zeit viele – vor allem junge – Leute die Nacht um die Ohren: Maibaumwache ist überall da angesagt, wo ein solches Frühlingssymbol am 1. Mai aufgestellt werden soll. Wache zu schieben, ist bitter nötig, denn der Brauch des Maibaumklaus wird bis heute mit Leidenschaft betrieben. Zu einiger Meisterschaft haben es in diesem „Geschäft“in den vergangenen Jahren die Maibaumfreunde aus Sielenbach im Wittelsbacher Land gebracht. Fast kein Jahr vergeht ohne „Erfolgsmeldung“aus dem Dorf an der Ecknach. Es geht um die Ehre, den Reiz des Ausspähens – und natürlich um die Auslöse.
Als sie kürzlich im Pöttmeser Ortsteil Handzell zuschlugen, bekamen die Sielenbacher unverhofft Verstärkung. Sie waren ziemlich überrascht, als sie mitten in der Nacht den Mitgliedern des Stopselclubs Eisingersdorf gegenüberstanden: Beide Gruppen hatten just zur gleichen Zeit den Handzeller Maibaum im Visier. Kilian Breitsameter von den Sielenbacher Maibaumfreunden erzählt, sie seien erst mal vorsichtig gewesen. „Wir haben nicht recht gewusst, ob es vielleicht Leute aus der Ortschaft sind.“Schnell war jedoch klar, dass beide Gruppen dasselbe Ziel hatten: den nicht bewachten Maibaum der Handzeller. Breitsameter erzählt: „Wir haben dann beschlossen, das zusammen zu machen.“Etwa 30 Leute machten sich daran, den rund 30 Meter langen Baum wegzutragen. Einen so langen Baum zu bewegen, sei „nicht ohne“: „Da braucht man einige Leute.“
Der Sielenbacher weiß, wovon er spricht. Der Ehrgeiz ist es, jedes Jahr zwei bis drei Maibäume zu klauen. Dafür fahren sie die Umgebung ab und prüfen, in welchen Orten Maibaumständer leer sind. Hallen werden abgesucht und ganz generell halten alle die Ohren offen: „Das kann man nicht dem Zufall überlassen.“Manchmal sind die Maibaumfreunde bis drei Uhr morgens unterwegs und spähen Ziele aus. Breitsameter verrät: „Man weiß schon ungefähr, wo die Bäume in den Ortschaften liegen könnten und ob sie bewacht werden.“Es stecke viel Arbeit hinter dem Diebstahl eines Maibaums. „Das darf man nicht unterschätzen.“
Zwei bis drei Monate vor den Maifeiern sind auch die Mitglieder des Stopselclubs Eisingersdorf unterwegs. Wie die Sielenbacher achten auch sie zum Beispiel auf leere Maibaumständer. Auf den Handzeller Baum hätten sie schon vor rund zehn Jahren mal ein Auge geworfen gehabt, erzählt Anton Engelhard. Damals war der Baum noch an einer anderen Stelle untergebracht. Generell werde es aber immer schwieriger, Maibäume zu klauen, sagt Engelhard. Der 30-Jährige ist seit rund 15 Jahren in dem „Metier“aktiv. Inzwischen würden immer mehr Bäume bewacht oder seien sogar mit Alarmanlagen, mit Sirenen oder Licht gesichert, erzählt er.
Seine Motivation bei der nächtlichen Aktion: „Es geht ein bisschen um die Ehre.“Jedes Jahr einen Baum zu stehlen, klappt aus verschiedenen Gründen nicht. Erstens wisse man nicht immer, wo die Bäume liegen, sagt Engelhard. „Zwei- tens bekommt man nicht immer genug Leute zusammen.“
Die Reaktionen, wenn sich die Eisingersdorfer bei den Betroffenen melden, um die Auslöse auszuhandeln, sind ganz unterschiedlich. Der 30-Jährige erinnert sich an einen Fall, wo sie erst einmal rund zehn Minuten lang beschimpft worden waren, bevor sie dann „ein super Gespräch“führen konnten. Die Sielenbacher wiederum haben auch schon einmal anderen Maibaumdieben den gestohlenen Baum geklaut. Die fanden das nicht so lustig.
Der Handzeller Markus Fehrer kann sich noch gut an den Moment erinnern, als er bemerkte, dass der Maibaum weg ist: „Ich war geschockt.“Um den Baum zu sichern, hatten die Handzeller extra etwa 1,5 Tonnen schwere Betonklötze davor gestellt. Die Eisingersdorfer hatten das jedoch ausgekundschaftet und rückten mit einem Elektrostapler an, um die Klötze weg zu heben.
Während die „vereinten“Maibaumdiebe zuschlugen, saßen die Handzeller übrigens gerade andernorts zusammen: Sie besprachen die Maibaumwache, die am nächsten Tag beginnen sollte... Nach dem ersten Schock zollt Fehrer den Maibaumdieben Anerkennung: „Sie haben sich Arbeit gemacht.“
Dass die Handzeller Maibaumfreunde den Dieben nichts nachtragen, zeigt auch Folgendes: Alle gemeinsam wollen sich die ausgehandelte Auslöse für den Baum – Bier und Brotzeit – bei einem Fest im Juni schmecken lassen.