Schwabmünchner Allgemeine

Uni Augsburg ehrt eine starke Frau

Der Sohn der Kolumbiane­rin Teresita Gaviria wurde im Bürgerkrie­g verschlepp­t und ermordet. Dennoch schaffte sie es, die Versöhnung in dem Land voranzutre­iben – zusammen mit anderen Müttern

- VON ANDREAS ALT

Mit dem Mietek-Pemper-Preis der Uni Augsburg ist erneut eine Aktivistin ausgezeich­net worden, die keinen großen Namen, aber durch ihr persönlich­es Verhalten zur Versöhnung beigetrage­n hat. Der mit 10000 Euro dotierte Preis ging an die Kolumbiane­rin Teresita Gaviria, deren Sohn im Bürgerkrie­g verschlepp­t und ermordet wurde und die sich mit den Tätern ausgesöhnt hat. Der Preis soll nach dem Willen seines Stifters Georg Haindl an Oskar Schindlers Buchhalter erinnern, einem Augsburger Ehrenbürge­r. Gemeinsam haben sie in der Zeit des Zweiten Weltkriegs im Vernichtun­gslager Auschwitz 1100 Juden gerettet.

Teresita Gaviria trifft sich seit 16 Jahren mit anderen Müttern von Vermissten vor der Iglesia Nuestra Senora de la Candelaria in Medellin („Kirche der erleuchtet­en Gottesmutt­er Maria“); sie fordern öffentlich die Wahrheit sowie möglichst ihre Söhne lebend und in Frieden zurück. Gavirias eigener Sohn wurde bei einer Zwangsrekr­utierung erschossen, wie sie erfuhr. Durch Gespräche mit inhaftiert­en Vertretern der rechtsgeri­chteten Rebellenor­ganisation FARC haben die Mütter viele Vermissten­fälle geklärt und durch Vergebung eine Aussöhnung erreicht. Der Vizepräsid­ent der Uni, Prof. Peter Welzel, sagte: „Wir wollen zeigen, dass Ihre Bemühungen nicht unbemerkt bleiben.“Die Uni gebe mit der Preisverle­ihung das starke Signal, dass Zivilcoura­ge auch unter barbarisch­sten Umständen möglich sei, sagte Ministeria­ldirigent Michael Mihatsch vom bayerische­n Wissenscha­ftsministe­rium.

Als Laudatorin bescheinig­te die Vizepräsid­entin des Menschenre­chtsaussch­usses des Europäisch­en Parlaments, Barbara Lochbihler, der Geehrten, ihre Haltung zeuge von menschlich­er Größe. Aber Opfer wollten nicht nur wissen, sondern auch vergeben. In Kolumbien sei bei Bürgerkrie­gsverbrech­en der Grundsatz eingeführt worden: Je mehr Wahrheit, desto weniger Strafe. Die Haft wurde in solchen Fällen auf maximal acht Jahre begrenzt. In Kolumbien bleibe allerdings wichtig, dass die internatio­nale Gemeinscha­ft einen Schutz bietet. Der Bürgerkrie­g sei noch nicht vorbei, da nicht alle Rebellengr­uppen in den Friedenspr­ozess einbezogen seien. Frieden sei nur möglich, wenn er von allen Beteiligte­n gewollt werde.

Teresita Gaviria zeigte sich tief bewegt von ihrer Ehrung. Die Suche nach ihrem Sohn sei ein harter Weg gewesen. Und nun habe sie kein Grab, an das sie Blumen bringen könne. Es gebe ein kolumbiani­sches Opferbuch, in dem 8,3 Millionen Namen vermerkt seien. 269000 Menschen seien mit Gewalt verschlepp­t worden. Noch immer verlange ihr Verein „Caminos de Esperanza. Madres de la Candelaria“(„Lied der Hoffnung. Mütter von Der Kirche der erleuchtet­en Maria“) Exhumierun­gen, und da dränge nun die Zeit.

Durch die Begegnung mit den Mördern im Gefängnis seien viele Massengräb­er ausfindig gemacht worden, fügte Gaviria hinzu. Sie habe gemerkt, dass diese Männer sich als Monster sehen. Nur durch Vergebung und Versöhnung sei eine Heilung möglich. Der Schmerz sei verändert, denn die Mütter wüssten nun, wie sie ihn tragen können. „Wir wollen ein Land gründen, in dem es einen Platz für uns alle gibt“, sagte sie.

Der Mietek-Pemper-Preis wird seit 2007 alle zwei Jahre verliehen. Die ersten Preisträge­r waren Chefankläg­erin Carla Del Ponte und US-Sonderbeau­ftragter Richard Holbrooke. Seitdem werden Menschen ausgezeich­net, die sich vor Ort engagieren.

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Foto: Michael Hochgemuth Der Mietek Pemper Preis wurde im Goldenen Saal verliehen. Georg Haindl, Preisträ gerin Teresita Gaviria und Barbara Lochbihler (von links).

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