Uni Augsburg ehrt eine starke Frau
Der Sohn der Kolumbianerin Teresita Gaviria wurde im Bürgerkrieg verschleppt und ermordet. Dennoch schaffte sie es, die Versöhnung in dem Land voranzutreiben – zusammen mit anderen Müttern
Mit dem Mietek-Pemper-Preis der Uni Augsburg ist erneut eine Aktivistin ausgezeichnet worden, die keinen großen Namen, aber durch ihr persönliches Verhalten zur Versöhnung beigetragen hat. Der mit 10000 Euro dotierte Preis ging an die Kolumbianerin Teresita Gaviria, deren Sohn im Bürgerkrieg verschleppt und ermordet wurde und die sich mit den Tätern ausgesöhnt hat. Der Preis soll nach dem Willen seines Stifters Georg Haindl an Oskar Schindlers Buchhalter erinnern, einem Augsburger Ehrenbürger. Gemeinsam haben sie in der Zeit des Zweiten Weltkriegs im Vernichtungslager Auschwitz 1100 Juden gerettet.
Teresita Gaviria trifft sich seit 16 Jahren mit anderen Müttern von Vermissten vor der Iglesia Nuestra Senora de la Candelaria in Medellin („Kirche der erleuchteten Gottesmutter Maria“); sie fordern öffentlich die Wahrheit sowie möglichst ihre Söhne lebend und in Frieden zurück. Gavirias eigener Sohn wurde bei einer Zwangsrekrutierung erschossen, wie sie erfuhr. Durch Gespräche mit inhaftierten Vertretern der rechtsgerichteten Rebellenorganisation FARC haben die Mütter viele Vermisstenfälle geklärt und durch Vergebung eine Aussöhnung erreicht. Der Vizepräsident der Uni, Prof. Peter Welzel, sagte: „Wir wollen zeigen, dass Ihre Bemühungen nicht unbemerkt bleiben.“Die Uni gebe mit der Preisverleihung das starke Signal, dass Zivilcourage auch unter barbarischsten Umständen möglich sei, sagte Ministerialdirigent Michael Mihatsch vom bayerischen Wissenschaftsministerium.
Als Laudatorin bescheinigte die Vizepräsidentin des Menschenrechtsausschusses des Europäischen Parlaments, Barbara Lochbihler, der Geehrten, ihre Haltung zeuge von menschlicher Größe. Aber Opfer wollten nicht nur wissen, sondern auch vergeben. In Kolumbien sei bei Bürgerkriegsverbrechen der Grundsatz eingeführt worden: Je mehr Wahrheit, desto weniger Strafe. Die Haft wurde in solchen Fällen auf maximal acht Jahre begrenzt. In Kolumbien bleibe allerdings wichtig, dass die internationale Gemeinschaft einen Schutz bietet. Der Bürgerkrieg sei noch nicht vorbei, da nicht alle Rebellengruppen in den Friedensprozess einbezogen seien. Frieden sei nur möglich, wenn er von allen Beteiligten gewollt werde.
Teresita Gaviria zeigte sich tief bewegt von ihrer Ehrung. Die Suche nach ihrem Sohn sei ein harter Weg gewesen. Und nun habe sie kein Grab, an das sie Blumen bringen könne. Es gebe ein kolumbianisches Opferbuch, in dem 8,3 Millionen Namen vermerkt seien. 269000 Menschen seien mit Gewalt verschleppt worden. Noch immer verlange ihr Verein „Caminos de Esperanza. Madres de la Candelaria“(„Lied der Hoffnung. Mütter von Der Kirche der erleuchteten Maria“) Exhumierungen, und da dränge nun die Zeit.
Durch die Begegnung mit den Mördern im Gefängnis seien viele Massengräber ausfindig gemacht worden, fügte Gaviria hinzu. Sie habe gemerkt, dass diese Männer sich als Monster sehen. Nur durch Vergebung und Versöhnung sei eine Heilung möglich. Der Schmerz sei verändert, denn die Mütter wüssten nun, wie sie ihn tragen können. „Wir wollen ein Land gründen, in dem es einen Platz für uns alle gibt“, sagte sie.
Der Mietek-Pemper-Preis wird seit 2007 alle zwei Jahre verliehen. Die ersten Preisträger waren Chefanklägerin Carla Del Ponte und US-Sonderbeauftragter Richard Holbrooke. Seitdem werden Menschen ausgezeichnet, die sich vor Ort engagieren.