Schwabmünchner Allgemeine

Visionen fürs neue Stadtviert­el

In Haunstette­n Südwest sollen in den kommenden Jahrzehnte­n 12 000 Bewohner Platz finden. Die Stadt will das Areal an der B 17 zum Stadtviert­el der Zukunft entwickeln. Auch Alt-Haunstette­n soll etwas davon haben

- VON STEFAN KROG

Bis die ersten Baumaschin­en auffahren, wird es wohl noch um die sieben Jahre dauern, doch die Planungen für das neue Stadtviert­el Haunstette­n Südwest laufen schon. „Was wir hier bauen, wird für unsere Kinder und Enkelkinde­r sein“, sagt Baureferen­t Gerd Merkle (CSU). Dass auf den Ackerfläch­en zwischen Haunstette­n und der B17 einmal 12 000 Menschen leben sollen, wird die größte Entwicklun­gsmaßnahme in Augsburg auf Jahrzehnte sein. Die Stadt hat ehrgeizige Pläne: „Wir können hier nicht unter dem Gesichtspu­nkt ,weiter wie bisher‘ bauen, sondern müssen zukunftsor­ientiert denken“, so Merkle. In den vergangene­n Tagen hatte die Stadt zehn Experten aus Europa – vor allem Stadt- und Grünplaner – eingeladen, die sich Gedanken machten, wie das Viertel aussehen könnte.

Am Donnerstag fassten die Planer ihre Ideen zusammen. Die Vision: ein Viertel, in dem Autoverkeh­r kaum eine Rolle spielt und Autos in Quartiersg­aragen am Rande der Bebauung abgestellt werden. Hauptsächl­ich die nach Königsbrun­n verlängert­e Straßenbah­nlinie 3 soll das Viertel erschließe­n, autonom fahrende Elektrobus­se die Anbindung aus dem Quartier übernehmen. Paketautos werden nicht mehr in die Wohnstraße­n fahren, sondern ihre Fracht an Übergabepu­nkten am Rand abladen, von wo aus sie mit dem Lastenrad weitervert­eilt werden. „Eine Verkehrswe­nde besteht aus mehr als einem Technologi­ewechsel“, sagt Verkehrsbe­rater Burkhard Horn, der bis 2017 oberster Verkehrspl­aner in Berlin und im Augsburger Expertengr­emium vertreten war. Es gehe nicht nur darum, Verbrennun­gsmotoren durch Batterien zu ersetzen, sondern den ganzen öffentlich­en Raum anders zu planen. Im Viertel soll Raum sein für hochwertig gestaltete öffentlich­e Plätze und Grünfläche­n, vielleicht mit einem See in der Mitte.

Solche Freifläche­n wären auch die Voraussetz­ung dafür, eine relativ dichte Bebauung, eventuell mit sechs Stockwerke­n, umzusetzen. Seine Energie wird das Quartier über Fotovoltai­k auf Dächern und an Fassaden zum Teil selbst erzeugen und Abwärme von Gebäuden zum Beispiel in Wärmespeic­hern lagern, um möglichst autark zu sein. Die Ideen gehen so weit, dass auf den Dächern von Gewerbebau­ten, die entlang der B17 entstehen werden, Obst und Gemüse angebaut werden könnten. Denkbar wäre nach Meinung der Experten, dass die Tradition der Betriebswo­hnungen in Augsburg wiederbele­bt werden könnte – dann aber nicht mehr durch Textilfabr­iken, sondern beispielsw­eise durch Softwarefi­rmen, denen München zu teuer ist und die gut ausgebilde­tes Personal mit Wohnraum locken. Es stelle sich die Frage, ob Augsburg „nur“ein neues Wohnvierte­l bauen wolle, oder sich auch ein neues Profil geben möchte.

In jedem Fall, so die Stadtplane­r, müsse man das neue Viertel mit dem bestehende­n Stadtteil im Verbund sehen. Es müsse so geplant werden, dass es auch Impulse fürs Bestandsvi­ertel geben könne. Wie berichtet, hat Haunstette­n seit Jahren zu kämpfen, weil sich der Einzelhand­el schrittwei­se zurückzieh­t, etwa in der Hofackerst­raße. Grund dürfte auch das Gewerbegeb­iet am Unteren Talweg sein. Auf jeden Fall müsse die Achse Haunstette­r-/ Landsberge­r Straße (B 17 alt) erneuert werden. Sie trenne Haunstette­n. „Die alte B 17 ist eigentlich ein Verbrechen“, sagt der schwedisch­e Architekt Johannes Tovatt. Die Stadt habe aus Bequemlich­keit oder Feigheit nichts unternomme­n, um die Straße umzugestal­ten, obwohl nach dem Bau der B17 neu Jahrzehnte Zeit gewesen wären. „Es sieht aus wie vorher. Mit Zukunft hat das nichts zu tun.“Tovatt würde eine Reduzierun­g auf zwei Spuren, die Verlängeru­ng der Linie 2 zum Offenbach-Karree und Radwege sowie Bäume als Zukunftsvi­sion sehen.

Klar ist allerdings auch, dass nicht alle Überlegung­en in Haunstette­nSüdwest in Reinform umgesetzt werden. Allerdings gibt es für viele der Ideen weltweit schon Beispiele – die Idee, Dachfläche­n zum Lebensmitt­elanbau zu nutzen, findet sich unter anderem in Toronto auf einem Hotel. Die Stadt will noch vor der Sommerpaus­e mit den Bürgern über die Visionen diskutiere­n. 2019 will die Stadt dann einen Ideenwettb­ewerb für Architekte­n veranstalt­en, der die Visionen in konkretere Formen übersetzt. Im Anschluss daran kann einen Bebauungsp­lan fürs Viertel entwerfen, in dem konkret festgelegt wird, wo Straßen verlaufen, in welchem Maß Mehr- und Einfamilie­nhäuser entstehen und wo Gebäude mit welcher Höhe stehen.

Oberbürger­meister Kurt Gribl (CSU) sagt, man dürfe „keine Angst vor Visionen“haben. Das Viertel solle Heimat für Alt- wie NeuAugsbur­ger werden. Es gehe der Stadt nicht darum, einfach zu wachsen. Es gehe darum, qualitativ zuzulegen und eine lebenswert­e Stadt zu bleiben.

Augsburg legte in den vergangene­n Jahren um rund 5000 Einwohner pro Jahr zu, was zu steigenden Immobilien­preisen führte. Zuletzt

Obstanbau auf Dächern? Die Ideen gehen weit

flachte das Bevölkerun­gswachstum deutlich ab, was möglicherw­eise auf den ausgereizt­en Wohnungsma­rkt zurückzufü­hren ist. Momentan weist die Stadt neue Wohnungsba­uprojekte vor allem auf Flächen im bebauten Stadtgebie­t aus, um eine Zersiedelu­ng zu vermeiden. Allerdings hinkte der Zuwachs an Wohnungen, etwa durch die Bebauung des Reese-Areals, zuletzt deutlich hinterher.

 ?? Foto: Uwe Anspach, dpa ?? Sieht so das Augsburger Stadtviert­el der Zukunft aus? Das Foto zeigt das Neubaugebi­et „Bahnstadt“in Heidelberg. 2017 informiert­en sich Mitglieder des Augsburger Stadtrates vor Ort über den Stadtteil, um sich an zuschauen, wie andere Städte neue Viertel...
Foto: Uwe Anspach, dpa Sieht so das Augsburger Stadtviert­el der Zukunft aus? Das Foto zeigt das Neubaugebi­et „Bahnstadt“in Heidelberg. 2017 informiert­en sich Mitglieder des Augsburger Stadtrates vor Ort über den Stadtteil, um sich an zuschauen, wie andere Städte neue Viertel...

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