Eine Manege für das Schuljubiläum
Hunderte Kinder schlüpfen für eine Zirkusaufführung in die Rolle von Zauberern, Akrobaten, Clowns und Jongleuren. So zeigt die Königsbrunner Christophorus-Schule, was alles seit 50 Jahren in ihr steckt
Der große Zirkus beginnt gleich hinter der Eingangstür der Christophorus-Schule. Kinder hüpfen bei der Generalprobe durch das Foyer und lassen Tücher in bunten Neonfarben wehen. Im nächsten Gang kreisen Hula-Hoop-Reifen, ein paar Meter weiter platzt ein Luftballon – die kleinen Zauberer proben einen Knalleffekt. Seit Montag trainieren die Schüler jeden Tag von 8 bis 13 Uhr für ihren großen Auftritt. 240 Förderschüler, die am heutigen Freitag um 18 Uhr und am morgigen Samstag um 11 Uhr das Ergebnis ihrer Arbeit präsentieren: ihren Zirkus Zapp-Zarap.
„50 bunte Jahre“titelt das Plakat, denn der Zirkus ist ein Teil der Feierlichkeiten zum 50-jährigen Bestehen der Christophorus-Schule. Der förmliche Festakt findet am Freitag, 11. Mai, statt. Landtagspräsidentin Barbara Stamm hat dazu ihren Besuch am sonderpädagogischen Förderschulzentrum Königsbrunn angekündigt. Doch vor dem Festakt steigt das Zirkusfest. Sabine Müller ist seit 13 Jahren Rektorin der Schule und erinnert sich: „Zum 40. Jubiläum haben wir schon einen Zirkus veranstaltet, so kam die Idee wieder auf.“Innerhalb eines Jahres wuchs ein Projekt, das jetzt die ganze Schule erfüllt. Zentrum ist die Turnhalle: Dort steht die Manege, rund und rot mit einem blauen Stern in der Mitte, dahinter ein samtiger Vorhang mit goldenen Fransen.
„Wir hatten uns eigentlich ein Zirkuszelt gewünscht“, erzählt die Schulleiterin. Das hätte aber einen hohen vierstelligen Betrag gekostet. So nutzt die Schule die Willi-Oppenländer-Halle. Improvisation war da gefragt. „Aber unser Motto lautet: Klappt nicht? Gibts nicht!“, sagt die Rektorin. Und so proben unter dem Hallendach junge Jongleure mit Diabolos und rotierenden Tellern. Kevin Prügel aus der 6. Klasse balanciert in lässiger Pose auf einem großen Gummiball. „Ich und mein Kumpel, wir stehen auf dem großen Ball und werfen uns dann kleine Bälle zu“, erzählt er. In einer anderen Ecke der Halle trainiert eine junge Seiltänzerin mit verbundenen Augen – in der linken Hand hält sie einen Schirm in Regenbogenfarben, mit der rechten greift sie nach der Lehrerin, die sie etwas stützt. So setzt das Mädchen sicher einen Fuß vor den nächsten.
Ein Balanceakt ist auch das Zirkusprojekt – vor allem logistisch. Zur Schule gehört eine Außenstelle in Lagerlechfeld. Fünf Tage lang werden die Schüler hin- und hergefahren. „Wir hoffen, dass die Schulen zusammenfinden, dass sich die Kinder im neuen Umfeld zurechtfinden und schnell anfreunden“, sagt Müller. Und an diesem Vormittag wirkt das Miteinander schon spielerisch und vertraut. „Zunächst haben sich die Kinder nicht in die Manege gewagt. Jetzt werden sie immer selbstbewusster.“Vor allem die Älteren zeigen Wagemut und spielen wortwörtlich mit dem Feuer. Sie üben unter freiem Himmel. „Gestern war ich noch aufgeregt. Aber dann kam dieser Adrenalinkick, und es hat richtig Spaß gemacht“, erzählt die Achtklässlerin Alina Reiche, die sich den Feuerspielern angeschlossen hat. Sie lässt eine lange Fackelstange, die an beiden Enden entflammt wird, rotieren. Alles unter Aufsicht von Lehrern und Zirkusprofis. „Eins, zwei, drei – und dann muss der Wurf auch kommen“, mahnt der Sportlehrer zwei Jungakrobaten.
Jeder Zirkus braucht einen Direktor – und diese Aufgaben teilen sich zwei Jungen aus der 4. Klasse. Noch ohne Frack und Zylinder, werden sie von Chefcoach Hans-Peter Lutz trainiert. „Hände aus den Hosentaschen, und los geht’s“, sagt der kernige Mann und probt mit den Buben abermals die Eröffnung. Er motiviert, bis Gesten und Worte sitzen. Lutz ist mit zwei Kolleginnen aus Leverkusen angereist und hat das Programm erarbeitet. Sein pädagogisches Zirkusprojekt „ZappZarap“tourt durch ganz Deutschland. Doch seine ersten Zirkusschüler in Königsbrunn waren die Lehrer: Sie mussten den Kindern alle 15 Disziplinen vorführen – ein Foto zeigt das Kollegium in einer kleinen Menschenpyramide. Und dann durften die Schüler selbst entscheiden, was sie ausprobieren möchten.
Jeden Tag präsentieren die Gruppen ihre Fortschritt. Manche sind noch etwas eingeschüchtert vom Scheinwerferlicht. Doch die Schulkameraden sitzen am Manegenrand und beobachten aufmerksam die Leiterakrobaten, die Jongleure und die Fakire auf dem Nagelbrett, die sich stolz verbeugen. Und sie lachen laut mit den Clowns. Die Rektorin beobachtet die Szene: „Die Kinder haben in ihrem Leben mit Hürden zu kämpfen, mit Lernschwierigkeiten, mit Schulfächern. Aber hier stehen sie im Rampenlicht. Hier können sie ihre Talente zeigen.“