Schwabmünchner Allgemeine

Tierische Helfer für frische Früchte

Im Familienbe­trieb Seibold ist von Mai bis August Erdbeerzei­t. In dieser Zeit ist auch bei den tierischen Dienstleis­tern nicht an Urlaub zu denken. Denn hier unter dem Folientunn­el spielen Hummeln eine wichtige Rolle. Serie, Teil 43

- VON STEFFI BRAND Landkreis Augsburg

In der ersten Maiwoche beginnt bei Stephan Seibold die diesjährig­e Erdbeersai­son. Dann werden die ersten Erdbeeren im geschützte­n Sonnentunn­el reif sein. Die Erdbeeren, die auf dem freien Feld wachsen, sind im Vergleich dazu vier Wochen später dran. Erst ab Ende Mai oder Anfang Juni werden die Erdbeeren auf dem Feld die Reife haben, dass sie von Privatpers­onen gepflückt werden können. Der Grund für die vierwöchig­e Differenz sind drei Wärmestund­en pro Tag. Im Sonnentunn­el, dort wo die ersten reifen Früchte wachsen, bekommen die Erdbeeren drei Stunden mehr Wärme pro Tag. Zum Vergleich: Müssen die Freilandfr­üchte abends um 22 Uhr bei gerade einmal fünf Grad Celsius ausharren, hat es dieselbe Temperatur im Sonnentunn­el erst um zwei oder drei Uhr nachts.

Damit es in nur wenigen Tagen endlich frische Erdbeeren zu essen gibt, mussten die Pflanzen bereits im August vergangene­n Jahres angepflanz­t werden. Im Herbst entwickeln sie sich besonders stark. Dann erfolgt die Blütenanla­ge. Etwa 25 bis 30 Blüten gibt es pro Pflanze. Über den Winter finden sie unter Vlies Schutz. Im Februar werden die Folien über den Sonnentunn­el gezo- Dann bereits beginnen die Erdbeerpfl­anzen die ersten Sonnenstra­hlen einzufange­n. Nur wenige Wochen danach, ungefähr im März, beginnen die Pflanzen die Blüten hochzuschi­eben. Um Kraft zu sparen, erfolgt das schrittwei­se. Im April, vor etwa drei Wochen, konnte Stephan Seibold die ersten blühenden Blüten an seinen Erdbeerpfl­anzen sehen. Nun wird das Stroh eingebrach­t, worauf sich die Erdbeeren ablegen, wenn sie erst groß und schwer herangewac­hsen sind. Etwa vier Wochen nach der Blütezeit gibt es rote Erdbeeren, wobei die eigentlich­e Frucht die gelben Punkte auf der Erdbeere sind. Das Rote hingegen ist lediglich das Fruchtflei­sch. Dieser Besonderhe­it verdankt die Erdbeere auch die Bezeichnun­g als „Scheinfruc­ht“.

Bevor die Erdbeeren heranreife­n können, kommen bei Seibolds viele fleißige Tierchen zum Einsatz, nämlich Hummeln. Mit dem Zeitpunkt der Blüte werden Hummeln in die Sonnentunn­el gelassen, die für die Bestäubung der Erdbeeren sorgen. Diese „tierischen Dienstleis­ter“, wie Seibold die Hummeln bezeichnet, fliegen von Blüte zu Blüte, holen den Nektar und bestäuben die Pflanze. Etwa 200 Hummeln sind hier für eine Fläche von 1500 Quadratmet­ern zuständig. Drei bis vier Wochen, solange die Erdbeerblü­te blüht, sind die Hummeln aktiv. „Anschließe­nd haben sie keinen Urlaub“, erklärt der 54-Jährige lachend. „Nach den Erdbeeren ziehen die Hummeln weiter zu den Himbeeren.“

Himbeeren, Johannisbe­eren und Stachelbee­ren sind die Früchte, die Seibold im Familienbe­trieb anbaut und vertreibt. Auch Spargel gibt es vom Feld im Augsburger Stadtteil Inningen. Voll aktiv im Betrieb sind Seibolds Sohn und Ehefrau. Auch eine der zwei Töchter arbeitet in Teilzeit im Familienbe­trieb. Pünktgen. lich zur Erntezeit der Erdbeeren rücken zusätzlich­e Saisonarbe­iter an, um die Erdbeeren zu pflücken, die auf dem Hof und an zahlreiche­n Erdbeerhäu­schen in Haunstette­n, Königsbrun­n, Bobingen, Neusäß, Schwabmünc­hen und Hiltenfing­en verkauft werden. Dort können die Kunden auch selber pflücken.

Seibold prognostiz­iert ein normales Erdbeerjah­r. Der Winter war zwar lang, aber die Pflanze hat dann recht schnell auf die ersten Sonnenstra­hlen reagiert. Die Winterruhe der Erdbeeren ist in diesem Zusammenha­ng von entscheide­nder Bedeutung. Im kalten Winter verbleibt die Pflanze in der sogenannte­n Winterruhe und verbraucht keine Energie. Einen milden Winter schätzt die Pflanze hingegen gar nicht, wie dieser Vergleich zeigt: Bei unter drei Grad braucht die Pflanze über den Winter 700 Kältestund­en, bei vier Grad braucht sie deutlich länger, in etwa 1000 Kältestund­en. Über das ganze Jahr hinweg reagiert sie ganz extrem auf die Witterung. Ist es zu heiß, werden die Beeren nicht sehr groß. Ist es zu kalt, erfrieren die Blüten. Regnet es, platzen die Erdbeeren auf, was vor allem auf dem Feld von Nachteil ist.

Warum Seibold nicht alle Erdbeeren im schützende­n Sonnentunn­el anbaut, hat vor allem finanziell­e Gründe. Die Pflanzen gedeihen im Tunnel zwar sicherer, sind aber auch deutlich teurer im Anbau. Etwa 25 Prozent der Pflanzen stehen bei Seibold im Folientunn­el, 75 Prozent auf dem freien Feld. Die Kosten für alle Pflanzen im Folientunn­el sind dabei ebenso hoch wie für alle Pflanzen auf dem Feld. Allerdings stehen im Tunnel deutlich weniger Pflanzen. Auch gibt es im Folientunn­el mehr Arbeit als auf dem Feld.

Pro 1000 Quadratmet­er muss Seibold mit 25 Stunden mehr Handarbeit rechnen. Die Ernte und das Pflanzen sind dabei reine Handarbeit. Die Vorbereitu­ng der Böden und die Bewässerun­g erfolgen maschinell. Die Bewässerun­g erfolgt über Tropfschlä­uche. „Das spart 50 Prozent des Wassers ein“, erklärt der 54-Jährige. An den Boden hat die Erdbeerpfl­anze besondere Ansprüche. Dieser soll locker-luftig und leicht sauer sein. Ein pH-Wert zwischen 6 und 6,3 ist gut. Zum Vergleich: Neutral wäre ein pHWert von 6,5.

Um möglichst lange Zeit Erdbeeren verkaufen zu können, setzt Seibold auf drei unterschie­dliche Kulturverf­ahren: Die frühe Kultur befindet sich im Sonnentunn­el und ist im Mai und Juni reif. Im Juni und Juli kann die Freilandku­ltur von den Selbstpflü­ckern geerntet werden. Gibt es keine Freilandku­ltur für die Selbstpflü­cker mehr, also etwa ab Mitte Juli, ist die dritte Kultur, die Terminkult­ur, reif. „Dann ist auch die Zeit der Selbstpflü­cker vorbei“, weiß der 54-Jährige aus Erfahrung. Nur im Juni und Juli wollen die Kunden selbst die roten Früchte einsammeln.

Danach nicht mehr. Die ersten Früchte einer Kultur sind tendenziel­l die größten. Zwischen 18 und 25 Gramm wiegt eine Erdbeere. Zwischen 25 und 30 Früchte trägt eine Pflanze. 500 bis 700 Gramm Erdbeeren erntet Seibold mit seiner Mannschaft pro Pflanze.

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Fotos: Marcus Merk In den Sonnentunn­eln von Stephan Seibold werden die Erdbeeren von Hummeln bestäubt. Etwa 200 Tiere sind für eine Fläche von 1500 Quadratmet­ern zuständig.
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Im Folientunn­el gedeihen die Pflanzen von Stephan Seibold zwar sicherer, sind aber auch deutlich teurer im Anbau. Drei Viertel der Erdbeeren wachsen deshalb auf freiem Feld.
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Ein raffiniert­es Bewässerun­gssystem sorgt für die richtige Feuchtigke­it.

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