Die Architektur und der Nationalsozialismus: Winfried Nerdinger
Winfried Nerdinger stammt aus Augs burg. Er studierte Architektur an der Technischen Universität München, wo hin er 1986 auch als Professor für Architekturgeschichte berufen wurde. Als Sohn des Augsburger Schriftge stalters Eugen Nerdinger, der sich aktiv am Widerstand gegen Hitler beteilig te, gehörte zu den Forschungsschwer punkten Winfried Nerdingers stets die Architektur des Nationalsozialismus, wozu er wegweisende Ausstellungen initiierte. Er war Direktor des Architek turmuseums München sowie des
problematischen politischen Entwicklung begleitet.
Nerdinger: Es ist schon erschreckend, dass rechte Kräfte in Deutschland wieder so sehr angewachsen sind. Vor zehn Jahren hätte es niemand für möglich gehalten, dass sie sogar im Bundestag vertreten sind und sich so etablieren können. Das hat nur indirekt mit diesem Haus zu tun, aber ein zentrales Element rechtsradikaler Ideologie ist der sogenannte Geschichtsrevisionismus. Das heißt, das Leugnen oder Verharmlosen der NS-Geschichte oder ihre Nivellierung durch Vergleiche mit anderen Katastrophen der Geschichte. Deshalb wird das Haus auch immer wieder angegriffen: Hier würde das Bekennen der Deutschen zu einer Schuld perpetuiert. Das reicht bis hin zur Forderung des Stadtrats Karl Richtürlich kleinen Museum Ablegers in Augsburg. 2012 wurde er Gründungsdirektor des NS Dokumentationszentrums Mün chen, das 2015 eröffnete. Am 30. April scheidet der 73 Jährige aus dem Amt, als Direktorin folgt ihm Mirjam Zadoff nach. (AZ)
ter, dass man dieses Haus wieder abreißen müsse. Wir sind ein Störfaktor, und das ist gut so.
Nehmen rechtsextreme Positionen wirklich zu oder kommt hier etwas an die Oberfläche, das immerzu da war?
Ein gewisser Bodensatz an Rechtsextremismus und Antisemitismus ist in der Gesellschaft immer vorhanden. Und vor verschiedenen politischen und ökonomischen Hintergründen wirkt sich das dann unterschiedlich aus. Durch die Ostpolitik von Willy Brandt gab es zum Beispiel einen Anstieg rechtsextremer Gewalt, das ging dann wieder zurück. Mit der Wiedervereinigung kam wieder eine Steigerung, und vor dem Hintergrund der Migrationen ist rechtsradikales Denken und Verhalten erneut enorm gestiegen.