Schwabmünchner Allgemeine

Der König, der Pilz und die Augsburger

Dem früheren Kiosk am Königsplat­z hat Georg Merz ein Denkmal gesetzt. Dafür wurde der Augsburger, der heute in Bobingen lebt, mit einem bayerische­n Film-Löwen belohnt. Seine Dokumentat­ion weckt Erinnerung­en

- VON INGEBORG ANDERSON UND PITT SCHURIAN Augsburg/Bobingen

Wer den Augsburger Pilz für eine botanische Besonderhe­it hält und nicht gleich an den Königsplat­z denkt, der hatte auf den Holzbänken nie ein Rendezvous, dort keine Hausaufgab­en abgeschrie­ben und sich dort auch nie nach Arbeit oder Einkaufsbu­mmel ausgeruht. Wer noch nicht mal Geschichte­n über diesen Kiosk hörte, gilt als Mensch von höchstens mittlerem Alter und ist bestimmt kein echter Augsburger ...

Einer, der sich noch lebhaft an das runde, ausladende Dach über dem Verkaufsst­and und an die Bänke erinnert, ist heute ein Bobinger. Als ambitionie­rter Filmer hat Georg Merz mit einem preisgekrö­nten Video ein Stück beigetrage­n, dass „der Pilz“auch mit moderner Technik in Erinnerung gehalten werden kann.

In der Vergangenh­eit machten Leserbrief­e und Zeitungsse­rien immer dann den Pilz zum Tagesthema, wenn wieder einmal ein Umbau am Kö anstand oder es um Sinn und Komfort seiner Anlagen ging. Und das war oft der Fall, seit die Augsburger sich im 19. Jahhundert zur „Entmittela­lterung“der Stadt entschloss­en, alte Festungsan­lagen samt Gögginger Tor abrissen und im Juli 1869 den neuen freien Platz zu Ehren von König Ludwig II. „Königsplat­z“tauften. Bereits 1905 trafen hier drei Straßenbah­nlinien zusammen – und in ihrer Mitte stand ein erster Kiosk. 1914 wurde es modern: Der runde Pilz wurde errichtet – und zum Treffpunkt nicht nur für Tramfahrer. Der Kabarettis­t und Augsburg-Kenner Silvano Tuiach hielt in einer Zeitungsse­rie seine Erfahrung fest: „Der Pilz war immer von Straßenbah­nen umstellt und somit ein schlecht ausgemacht­er Treffpunkt für ein Rendezvous.“

Georg Merz, der in Augsburg aufwuchs und gerade 70 geworden ist, erinnert sich gut und gerne an den Pilz: „Es war Treffpunkt schlechthi­n und wer sich am Königsplat­z verabredet­e, meinte eigentlich den Pilz.“Und: „Auch ich habe mich dort mit Schulfreun­den oder Mädchen getroffen.“

Seine Dokumentat­ion wurde mit einem weißen Porzellanl­öwen, dem „Oscar“der Bayerische­n AmateurFil­mfestspiel­e, ausgezeich­net. Damit ist sie weitergeme­ldet für das nächste Bundesfest­ival „Dokumentat­ion“und wird dann auch bei den Deutschen Filmfestsp­ielen gezeigt.

Wer den Film schon jetzt sehen will, hat allerdings Pech. Es gibt ihn weder auf Youtube noch auf einem Festival-Portal. Die Wettbewerb­s-

der

verbieten jede werbliche oder gewerblich­e Nutzung. Doch darum geht es Merz auch nicht. Den Gedanken, einen Film über diesen Platz zu machen, hatte er schon vor langer Zeit. Erste Vorarbeite­n startete er mit dem Filmclub Provideo Bergheim. Nach dem jüngsten KöUmbau nahm sein Projekt Gestalt an. Als Sprecherin gewann er die Moderatori­n Silvia Laubenbach­er.

Sein Kurzfilm zeigt, wie sich der Platz im Herzen Augsburgs immer mehr zum Verkehrskn­otenpunkt entwickelt­e; wie der Pilz 1977 abgerissen wurde und man die Tramhaltes­tellen nach Süden verlegt hat. Eigentlich sollte ein neuer, zweistöcki­ger Bau den Pilz ersetzen, es waren nur noch zwei Wochen bis zum Baubeginn. Doch Bürgerprot­este verhindert­en dies. Zu groß fanden viele Augsburger das Vorhaben. Der Platz blieb leer. Erst zur 2000-Jahr-Feier 1987 wurde an seiner Stelle der Manzù-Brunnen eingeweiht. Der Königsplat­z wuchs als Verkehrsze­ntrum und wurde architekto­nisch immer moderner.

Der Film zeigt all das mit alten Aufnahmen, beginnend mit der ersten Pferdebahn aus der Bildersamm­lung des Stadthisto­rikers Franz Häußler, mit Fotos vom Abbruch des Pilzes, vom alten zum neuen Haltestell­endreieck sowie mit Interviews von Augsburger­n, Luftaufnah­men, Straßenbah­n-Mitfahrric­htlinien ten und eindrucksv­ollen Nachtaufna­hmen. Am Ende hat Merz den alten Pilz in den neuen Königsplat­z montiert und fragt, ob er da wirklich gestört hätte anstelle des „Brunnens“. Er zeigt aber auch, dass es am Kö doch noch einen Pilz gibt: eine Litfaßsäul­e – ebenfalls eine Form aus ursprüngli­ch alter Zeit.

Merz tut es leid, dass es den Pilz nicht mehr gibt: „Er hat meiner Meinung nach doch zu Augsburg gehört, ein Wahrzeiche­n mit Geschichte.“So kam es denn wohl auch, dass der Film seinen Titel einem älteren Augsburger verdankt, der am Ende des Films zu Wort kommt: „Ab’r dr Pilz war scho oh schee.“

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Foto: Ingeborg Anderson Georg Merz aus Bobingen wurde mit einem dritten bayerische­n Film Löwen ausgezeich­net. Anlass ist ein Kurzfilm über den Augsburger „Pilz“.
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