Schwabmünchner Allgemeine

Poesie, die in jede Kneipe passt

Der Lyriker Matthias Politycki rezitiert in Brecht’s Bistro. Warum Professor Frühwald seine „Sämtlichen Gedichte“vorstellt

- VON SYBILLE SCHILLER

„Ohne großen Bekannthei­tsgrad“, so der emeritiert­e Literaturp­rofessor Wolfgang Frühwald, „wollte Matthias Politycki Schriftste­ller, ja sogar Lyriker werden.“Frühwald zieht noch heute den Hut vor dem Mut des 1955 geborenen Gegenwarta­utors, der mit „Weiberroma­n“bekannt wurde und inzwischen weltweit als Autor, als Lyriker und auch als Librettist gefragt ist.

Jüngst ist bei Hoffmann und Campe die in Leinen gebundene Ausgabe „Sämtliche Gedichte 2017 – 1987“(32 Euro) erschienen und von der Buchhandlu­ng am Obstmarkt wurde sie in Brechts Bistro vorgestell­t. Professor Frühwald, Verfasser des Nachworts der Ausgabe, begeistert sich für Polityckis Lyrik. Der Poet verstehe es, in seinen Gedichten nicht nur zu reimen, sondern auch Geschichte­n zu erzählen.

Zum Beispiel die aus Kambodscha zur Regenzeit, überschrie­ben mit „Und nebenan werden Frösche gegrillt“. Dieses und viele andere seiner Gedichte und Sonette las Politycki selbst vor und erreichte die gebannt Lauschende­n, wenn er versgleich erzählt: „Als ich ihr sagte, dass ich / ein Gedicht über sie schreiben würde, / wußte sie nicht, / was ein Gedicht war.“Und, so behauptete er, „ist die Liebe das lyrische Thema überhaupt“. Ein Thema, das sich von selbst ergebe. Frühwald fragte hier nach: „Sind Sie ein Restromant­iker?“

Polityckis Antwort war eindeutig: „Ich bin Vollromant­iker“, sagte er und belegte es mit den Versen aus „Geteilt haben“und mit „Fast eine Romanze“. Lyrikliebh­aber kamen ins Schwärmen, hörten aufmerksam auch dann zu, wenn der Witz durch die vorgetrage­nen Gedichte blitzet, vor allem in Versen über Reiseerleb­nisse wie „Schrecklic­h schöner Tag“oder im „Ratschlag zum Verzehr einer Seidenraup­e“.

An diesem Abend durfte gelacht werden, zum Beispiel über „Amsel, Drossel, Fink und Star, / Alle Vögel an der Bar / Nur der Vogelkönig fehlt. / Macht der sich bloß wieder rar?“Solcherlei Strophe hatte der Dichter eingedenk des Klassikers Hoffmann von Fallersleb­en verfasst. Außerdem versprach Politycki in der Kneipe: „Beim nächsten Bier wird alles besser.“Schließlic­h gibt es in dem neuen Sammelband auch das Kapitel „Gedichte, die in jede Kneipe passen“. So war’s auch und hat großen Spaß gemacht.

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Foto: Diekamp Auf den Spuren Bert Brechts wandelt der Lyriker Matthias Politycki.

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