Wie Klinikclowns Kinder zum Lachen bringen
Michaela Ranftl und This Zogg sorgen dafür, dass kranke Jungen und Mädchen ihre Schmerzen kurz vergessen. Sie liefern fachkundige Blödelei – doch nehmen ihre Arbeit ernst
Der Montag gilt nicht gerade als der beliebteste Wochentag. In der Kinderklinik am Josefinum ist das etwas anders. Immer montags kündigt ein Klopfen an den Krankenzimmertüren den kranken Jungen und Mädchen einen Überraschungsbesuch an. Die ungewöhnliche Visite zaubert den meisten ein Lachen ins Gesicht und lässt sie ihre Schmerzen kurz vergessen. Manch kleiner Patient bleibt aber ein wenig skeptisch.
In einem Umkleideraum im Nebentrakt des Josefinums ziehen sich Michaela Ranftl und This Zogg ihr anderes Ich an. Sie einen rot-weiß gestreiften Rock, er eine weite rote Stoffhose. Beide werfen sich weiße Arztkittel über und setzen rote Clownnasen auf. Rote, runde Bäckchen werden aufgemalt. Das reicht, um sich in das Clownpaar Mathilde und Tisu zu verwandeln. „Ich schminke mich kaum. Für Kinder kann eine Maske beängstigend sein“, sagt Zogg, während er seine Augen mit Kajal umrandet. „Gerade in der Phase der Horrorclowns musste man da sensibel sein.“
Der 47 Jahre alte Augsburger und seine acht Jahre jüngere Kollegin aus Fürstenfeldbruck arbeiten seit vielen Jahren als Clowns in verschiedenen Krankenhäusern. In diesem Sommer feiern die KlinikClowns Bayern ihr 20-jähriges Jubiläum. Weil Clowns als Grenzgänger zwischen der Erwachsenen- und der Kinderwelt gelten, sollen sie in Kliniken Brücken zwischen Arzt, Pflegepersonal und Patient bauen. Sie aber nicht nur auf Kinderstationen, sondern auch in Senioren- und Pflegeheimen aktiv. Zogg tupft sich noch etwas Sterilium-Flüssigkeit aus dem Spender am Waschbecken hinter die Ohren, als sei es Parfüm. Er bemerkt offenbar den fragenden Blick. „Sobald wir verkleidet sind, spielen wir unsere Rollen“, kommentiert er den Scherz. Noch ein gemeinsames Kichern zum Aufwärmen und die zwei Klinikclowns ziehen los – mit der Lizenz zur Aufmunterung durch fachkundige Blödelei. Niemand ist vor ihren Scherzen sicher. Auch nicht die Krankenschwester, die im Aufzug mitfährt. Zogg zieht den übergroßen Kamm aus dem Arztkittel und fährt sich damit über seine Glatze. Er und Michaela Ranftl wünschen der Frau beim Aussteigen ein schönes Wo- Die muss lachen. Auf dem Stationsflur schiebt eine Mutter ihre kleine Tochter im Rollstuhl. Die Clowns halten sie an. „Habt ihr einen Führerschein dabei?“Die Mutter lacht. Die Kleine macht große Augen, verzieht aber keine Miene. Während er einen Herzchenluftballon aufpustet und ihn dem Mädchen überreicht, poliert Mathilda mit einem Lappen rasch die Felgen. Das Duo zieht weiter. Es sind kurze Momente der Begegnung, die bei Kindern und Eltern Eindruck und Freude hinterlassen.
Der Einsatz der Klinikclowns basiert auf der wissenschaftlichen Erkenntnis, dass Lachen und Humor positive Auswirkungen auf den Allgemeinund Gesundheitszustand haben. Die Auftritte am Krankenbett sollen gar die Heilprozesse försind dern. Eine Kassenleistung ist der Besuch der lustigen Gesellen mit dem ernsten Hintergrund freilich nicht. Die Klinikclowns finanzieren sich durch Spenden.
Zogg und Ranftl stehen vor einer Krankenzimmertür. Schnell noch werfen sie einen Blick in die Unterlagen, die sie von den Schwestern erhielten. Darauf sind wichtige Informationen vermerkt. Ein Bub etwa soll äußerst schüchtern sein. Auf so etwas nehmen beide besonders Rücksicht. Klopf, klopf. Vorsichtig öffnen sie die Tür und nehmen Blickkontakt zu einer Mutter auf, die bei ihrem zweijährigen Sohn am Bett sitzt. Ein anderes Kind im Zimmer schläft. Die Clowns gehen leise zu dem wachen Sokrates. „Er hat eine Polypenoperation hinter sich“, erklärt dessen Mutter Georgiana Popescu. Der kleine Sokrates sitzt aufrecht in seinem Bett. Er ist neugierig, was jetzt passiert. „Ich mache eine Sauerei, äh Zauberei“, verkündet Zogg und pustet Seifenblasen. Die Mutter bekommt eine Clownnase verpasst. Ab da muss der Bub grinsen. Manchmal dauert es einen Moment, bis das Eis bricht.
Mit Slapstick, Tollpatschigkeit, Dialogwitz, kleinen künstlerischen Aufführungen und ihrer jahrelangen Erfahrung erobern die beiden Klinikclowns die Kinder eigentlich immer. Auch die 15-jährige Janela, die an dem Montag wegen ihrer Diabetes-Erkrankung im Josefinum liegt. „Jetzt habe ich nur das Kleinkinderprogramm dabei“, sagt Zogg und kratzt sich scheinbar verlegen am Hinterkopf. Die Klinikclowns agiechenende. ren drollig. Janela, die zuvor auf ihrem Smartphone gespielt hatte, lacht und findet die beiden „süß“. „So etwas liebe ich ja“, sagt Ranftl, als sie das Zimmer verlassen haben. „Ich habe selber eine 16-jährige Tochter. Ich weiß, wie extrem cool die in dem Alter sein können. Und dann kriegt man sie doch.“Das ist wohl das Ergebnis guter Arbeit. Auf die Qualität der Spaßmacher wird im Verein „KlinikClowns Bayern“großer Wert gelegt. „Unsere Clowns sind Profis mit einer künstlerischen Ausbildung“, betont Pressesprecherin Karin Platzer. „Es ist wichtig, dass die Mitarbeiter in so einem sensiblen Bereich ihr Handwerk beherrschen.“Wie genau der Augsburger und die Fürstenfeldbruckerin ihre Arbeit nehmen, sieht man nach jedem einzelnen Krankenbesuch.
Sie protokollieren ihre Auftritte. „Besonders auf Krebsstationen ist das wichtig“, meint Zogg. „Dort sind die Patienten schließlich länger untergebracht. Da sollte sich unser Programm nicht wiederholen.“Auf der Onkologie zu arbeiten, habe noch einmal eine ganz andere Dimension. Mehr sagt er dazu nicht.
Das kleine Mädchen im nächsten Krankenzimmer sitzt auf dem Schoß des Vaters. Das Kind hat einen Schlauch in der Nase. Es wirkt mitgenommen. Sein Gesicht zeigt bei dem Besuch der Clowns keine Regung. Auch nicht, als sie sich verabschieden. Für Ranftl und Zogg ist das völlig in Ordnung. „Es muss nicht immer lustig zugehen. Oft reicht es, einfach nur da zu sein.“