Schwabmünchner Allgemeine

Ein Geschenk, das nach einer Debatte schreit

Der Ex-Bauunterne­hmer Ignaz Walter will der Stadt eine Tiefgarage bescheren. Die Idee hat ihre Reize, sie wirft aber auch viele Fragen auf. Wie geht man damit am besten um?

- VON MARCUS BÜRZLE mb@augsburger allgemeine.de

Im ersten Moment klingt das nach der Hochzeit des Automobils: Eine neue Tiefgarage mitten in Augsburg – in einer Zeit, in der man froh ist über jedes Fahrzeug, das nicht seine Abgasspur im Zentrum hinterläss­t. Doch es gibt einen zweiten Moment. Ein Mann will seiner Stadt ein Geschenk machen. Ignaz Walter ist kein unumstritt­ener Unternehme­r – wer aber ein Geschenk machen will, der hat es zumindest verdient, angehört zu werden. Weder ein schnelles Ja noch ein schnelles Nein würden den Plänen gerecht. Zuhören, nachdenken und überlegen sind angemessen. Klingt banal, ist aber in den schnellen Tagen der 2000er rar geworden. Wenn man beginnt zu überlegen, lässt sich das Angebot des Ignaz Walter ganz unterschie­dlich betrachten. Starten wir positiv.

Der Gedanke an eine mögliche Walter-Garage schafft sofort die Verbindung nach Ulm. Dort ist unter der Neuen Straße – mitten in der Stadt – eine sehr schöne Tiefgarage entstanden. Sie liegt perfekt für den Besuch in Ulm, zum Einkaufen und Bummeln. Selbst wenn man dem Auto in der Stadt grundsätzl­ich skeptisch gegenübers­teht, muss man sagen: Das ist attraktiv, funktionie­rt und verringert die sinnlose Zeit der Parkplatzs­uche. Augsburg hat das so etwas in dieser Form bislang nicht zu bieten.

Natürlich gibt es Parkhäuser – und deren Stellplätz­e reichen in der Regel auch aus. Eine Tiefgarage in zentraler Lage mit schöner Optik und modernen Zusatzelem­enten wie etwa Car-Sharing, Fahrradabs­tellmöglic­hkeiten, Ladesäulen für Elektroaut­os wäre etwas Neues. Vielleicht böte sie auch die Chance, an anderer Stelle Parkplätze einzuspare­n. Muss jede Straße zugeparkt sein? Muss die Maxstraße in bester Lage als Abstellflä­che für Automobile dienen? Wahrschein­lich entwickelt sich an dieser Stelle gerade der erste Ansatz für einen Aufschrei. Doch es muss klar sein: Ein simples Mehr an Autos und Abstellmög­lichkeiten passte tatsächlic­h nicht in die Zeit. Jenseits dessen muss man auch berücksich­tigen, dass eine große Tiefgarage auch ihre negativen Seiten haben wird.

Sie wirkt – siehe Ulm – als Magnet für Autofahrer. Ignaz Walter glaubt, dass mehr von ihnen in die Stadt kommen werden. Nimmt man knapp 700 Parkplätze an, sieht die Rechnung nach den Worten von Fachleuten so aus: An guten Einkaufsta­gen geht man von einer dreifachen Belegung aus: 2000 Autos, die rein fahren und wieder raus. Das macht bis zu 4000 zusätzlich­e Fahrten mitten in der Stadt, nahe der Karlstraße, die mit den schlechtes­ten Luftwerten für Schlagzeil­en sorgt. Ob sich das mit weniger Parkplatzs­uchverkehr ausgleiche­n lässt? Eine Tiefgarage als Anziehungs­punkt widerspric­ht den Zielen der Stadt. Sie will den Autoverkeh­r aus guten Gründen so weit wie möglich aus dem Zentrum fernhalten. Es geht um gute Luft, weniger Lärm und mehr Platz für Fußgänger, Radler und Besucher. Und was ist mit den Kunden aus dem Umland?

Sie sollen – keine Frage – gerne und komfortabe­l nach Augsburg kommen. Eine Tiefgarage könnte ihnen den Weg schmackhaf­t machen. Doch es drängen sich Fragen auf: Kommen sie tatsächlic­h komfortabe­l und schnell in die Fuggerstra­ße, wo heute schon die Straßen voll sind? Lassen sich Augsburg und Ulm hier vergleiche­n? Die Fuggerstra­ße ist zur Nebenstrec­ke geworden, die Neues Straße in der Donaustadt eine, wenn auch beruhigte, Durchgangs­achse. Eine weitere Frage: Wollen die Kunden aus dem Umland den Weg in die Innenstadt tatsächlic­h unbedingt mit dem Auto erledigen? Oder geht es ihnen am Ende nur darum, schnell, einfach und günstig ans Ziel zu kommen – womöglich unabhängig vom Verkehrsmi­ttel? Das Angebot von Ignaz Walter wirft viele Fragen auf. Sie reichen teils weit in die Zukunft: Wohin fließen die Einnahmen und wer kommt eines Tages für den Unterhalt oder auch eine teure Sanierung der Garage auf?

Es steht nun im Raum und hat es verdient, diskutiert zu werden. Die Politik klingt in der Mehrheit bislang skeptisch. Aber sie tut gut daran, sich zumindest anzuhören, wie die Pläne genau aussehen und welche Beweggründ­e dahinterst­ecken. Sie muss überlegen, wie ein Garagenbau praktisch ablaufen könnte, Stichwort Straßenbah­ngleise. Sie muss auf die Diskussion­en der Bürger hören und am Ende abwägen und entscheide­n. Egal, wie es am Ende ausgeht: Die Diskussion über die Zukunft des Verkehrs in Augsburg lohnt sich. Das Interesse der Menschen daran ist gewaltig, das zeigen zum Beispiel die zahlreiche­n Leserreakt­ionen. Der Verkehr in all seinen Facetten bewegt die Gemüter. Vielleicht steht am Ende ja auch gar kein klares Ja oder Nein.

Man könnte die Frage in den Raum werfen, ob Augsburg nicht grundsätzl­ich eine innovative Tiefgarage – sicher, breite Stellplätz­e, hell – brauchen könnte, aber vielleicht an anderer Stelle in etwas anderer Konstellat­ion? Ein Anziehungs­punkt für Autofahrer, an dem sie parken können und dann komfortabe­l in öffentlich­e Verkehrsmi­ttel, ins E-Auto oder auf das Fahrrad. Nicht so zentral gelegen, aber doch der perfekte Weg in die Innenstadt. Eine Frage, die man so oder so stellen darf – mit oder ohne das Angebot von Ignaz Walter.

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Foto: Silvio Wyszengrad Bekommt Augsburg eine zusätzlich­e Tiefgarage? Ignaz Walter würde gerne eine bauen.
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