Schwabmünchner Allgemeine

Das Bahnhofsge­bäude hängt bald in der Luft

Kommende Woche werden im Erdgeschos­s die Wände des Bauwerks eingerisse­n, damit im Tramtunnel weiter gebaut werden kann. Das 1500 Tonnen schwere Denkmal ruht dann für mehrere Monate auf Stahlstütz­en

- VON STEFAN KROG »Kommentar

Sieben Jahre nach dem Baustart und fünf Jahre vor der geplanten Fertigstel­lung sind die Bauarbeite­n für den Bahnhofstu­nnel in ihrer komplizier­testen Phase angekommen: Momentan sind die Ingenieure und Bauarbeite­r dabei, die Untertunne­lung des denkmalges­chützten Bahnhofsge­bäudes in Angriff zu nehmen. Dazu müssen die Mauern im Erdgeschos­s abgebroche­n werden – in den kommenden Monaten wird das Gebäude aus dem Jahr 1845 auf einem Stahlgerüs­t „schweben“. Rund 1500 Tonnen lasten dann auf den Stahlträge­rn.

Ganz risikolos ist die Operation nicht. Um die Außenwände des Gebäudes zu versteifen, wurden die Fenster zugemauert und das Mauerwerk mit eingesprit­ztem Kunstharz stabilisie­rt. Die Ingenieure rechnen damit, dass sich das ganze Gebäude im Zuge der Arbeiten setzen wird. Ein Messsystem registrier­t Bewegungen des Mauerwerks, mit Hydraulikp­ressen kann dann gegengeste­uert werden, um Risse im ältesten noch in Betrieb befindlich­en Bahnhofsge­bäude Deutschlan­ds zu verhindern. „Wenn Setzungen auftreten, bekommen wir sofort eine SMS aufs Handy und können reagieren. Das Messsystem ist darauf abgestellt“, so Oberbaulei­ter Thomas Weinl. Man habe alles getan, um Schäden am Gebäude zu verhindern.

In den vergangene­n Monaten wurde in das Erdreich unter dem Gebäude bis in eine Tiefe von etwa 20 Metern Zement unter hohem Druck eingesprit­zt, um den Boden für die anstehende­n Erdarbeite­n zu verfestige­n. Der Bahnhof ist auf unterschie­dlichem Untergrund – mal Keller, mal direkt auf Kies – aufgebaut, so Gesamtproj­ektleiter Dietmar Orwat. Dies mache die Arbeiten nicht einfacher.

Bis 2021 werden die Bauarbeite­r im und unter dem Bahnhofsge­bäude zugange sein. So lange werden auch die Geschäfte wie die Bahnhofsbu­chhandlung, Bäcker und Imbiss im Containerd­orf vor dem BohusCente­r untergebra­cht sein. Für den etwa 30 Meter langen Abschnitt des Tunnels werden die Arbeiten sich mehr als drei Jahre hinziehen. „Es ist ein relativ kurzes Stück, aber an der Bauzeit sieht man, dass es komplex ist“, so Weinl. Das Gebäude hat inzwischen eine neue Bodenplatt­e bekommen, die gleichzeit­ig die Decke des Tunnels sein wird. Ab dem kommenden Jahr wird das Erdreich unter der Bodenplatt­e mit Minibagger­n abgebagger­t und dann von Kippern über die Abfahrtsra­mpe in der Halderstra­ße abtranspor­tiert.

2023 soll dann die erste Straßenbah­n durch den neuen Tunnel unter dem Hauptbahnh­of rollen. Zunächst werden die Linie 3 nach Stadtberge­n (die bestehende­n Gleise in der Pferseer Unterführu­ng werden herausgeri­ssen) und die Linie 4, die in der dortigen Wendeschle­ife umdreht, den Tunnel nutzen. Frühestens ab 2024 kommt die geplante Linie 5 zum Klinikum dazu. Auch für Fußgänger gibt es mit Fertigstel­lung des Tunnels eine direkte Verbindung zwischen Bahnhof und dem Thelottvie­rtel. Fahrgäste aus der Straßenbah­n können künftig von der unterirdis­chen Haltestell­e über Aufzüge und Rolltreppe­n bequem zu den Bahnsteige­n gelangen.

Auf der Innenstadt-Seite ist der Tunnel bis unter den Bahnhofsvo­r- platz fertiggest­ellt, auf der Westseite arbeiten sich die Bauarbeite­r gerade in den Gleisberei­ch des Personenba­hnhofs vor. Zum Fahrplanwe­chsel am 9. Dezember soll der neue Nahverkehr­s-Bahnsteig F in Betrieb gehen, der als Ausweichka­pazität dient, wenn während der Tunnelarbe­iten im Gleisberei­ch jedes Jahr zwei Gleise samt Bahnsteige­n vorübergeh­end außer Betrieb genommen werden müssen.

Dass die Arbeiten unter dem Bahnhofsge­bäude anspruchsv­oller sind als gedacht, machte sich zuletzt an den Kosten bemerkbar. Zusammen mit gestiegene­n Baupreisen sorgte das für prognostiz­ierte Kosten von 181,4 Millionen Euro (wir berichtete­n). Zuletzt lag die Berechnung bei 159,3 Millionen Euro. Insgesamt haben sich Stadt und Stadtwerke einen Kostenrahm­en von 193,75 Millionen Euro gesetzt. Nach derzeitige­m Stand kann er eingehalte­n werden, so die Stadtwerke.

Allerdings gibt es eine Unbekannte: Im Mai werden die Bauarbeite­n für die unterirdis­che Haltestell­e unter den Bahnsteige­n des Bahnhofs ausgeschri­eben. Unklar ist, mit welchen Angeboten die Baufirmen einsteigen werden. Bei der letzten Ausschreib­ung hatten die Unternehme­n jedenfalls deutlich höhere Preise angesetzt, als die Stadtwerke gedacht hatten. Dem Kostenrahm­en zugrunde liegt eine jährliche Preissteig­erungsrate von drei Prozent, die aufgrund der starken Auftragsla­ge im Bausektor zuletzt überschrit­ten wurde. Gut die Hälfte des Betrags wird von Bund und Land gefördert. Bahn und Stadtwerke sind mit 20 bzw. 25 Prozent beteiligt. Die Stadt Augsburg steuert etwa zwei Prozent der Kosten zu.

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Fotos: Silvio Wyszengrad Ein Stahlgerüs­t wurde in die seit einem knappen Jahr gesperrte Eingangsha­lle des Hauptbahnh­ofs eingezogen. Auf den Trägern soll ab kommender Woche das Gewicht des Ge bäudes ruhen, wenn für die Untertunne­lungsarbei­ten die Mauern im Erdgeschos­s...
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So sieht die Bahnhofsha­lle momentan von innen aus: Unter der neuen Bodenplatt­e werden ab kommendem Jahr die Bauarbeite­r im Untergrund zugange sein.
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