Ein Maifest für alle Sinne
Pünktlich zu jedem Maibeginn gipfeln die bayerischen Frühlingsgefühle in Heimatliebe und Feierlust. Allein das Errichten des Dorfmaibaums – ein schönes Ritual: Da begeben sich junge Burschen mit der Säge in den Wald und fällen einen Baum, um ihn ein paar Kilometer weiter mühsam wieder aufzustemmen. Das Dorf feiert, die Blaskapelle spielt, die Geselligkeit nimmt mit jeder Maß Bier zu, was einigen allerdings noch am nächsten Morgen in den Ohren dröhnt. Maifeier – ein Fest für alle Sinne.
Vor allem in den Städten begibt sich derweil nachts die Jugend auf einen Streifzug, hängt Gartentürchen aus und verschleppt Mülltonen. Ärgerlich wird’s für die Opfer allerdings, wenn am nächsten Tag die Sonne Rasierschaum in den Autolack brennt oder kulinarische Experimente sichtbar werden: Ei an der Hauswand? Ketchup auf der Türklinke? Nicht jeden Hausbesitzers liebste Hausmannskost. Auf diesen Ausbruch aus dem Rahmen bayerischer Sittsamkeit folgt der Tag der Arbeit. Vor allem für Polizisten, die Straßenreinigung und Mütter, die dem Sohne/Mann die Kopfwehtablette reichen. Doch auch romantische Seiten kennt das Mai-Brauchtum: Vielerorts stellen junge Männer ihren geliebten Dirndlträgerinnen nachts ein eigenes Maibäumchen vor die Tür, mit geschnitztem Holzherz und wehenden Schleifchen. So ein Baum spendet Freude und Wärme, selbst wenn er (und die Liebe?) schon längst verblüht ist – spätestens, wenn er viel später scheibchenweise im Lagerfeuer knistert.