Schwabmünchner Allgemeine

Ein Maifest für alle Sinne

- VON VERONIKA LINTNER veli@augsburger allgemeine.de

Pünktlich zu jedem Maibeginn gipfeln die bayerische­n Frühlingsg­efühle in Heimatlieb­e und Feierlust. Allein das Errichten des Dorfmaibau­ms – ein schönes Ritual: Da begeben sich junge Burschen mit der Säge in den Wald und fällen einen Baum, um ihn ein paar Kilometer weiter mühsam wieder aufzustemm­en. Das Dorf feiert, die Blaskapell­e spielt, die Geselligke­it nimmt mit jeder Maß Bier zu, was einigen allerdings noch am nächsten Morgen in den Ohren dröhnt. Maifeier – ein Fest für alle Sinne.

Vor allem in den Städten begibt sich derweil nachts die Jugend auf einen Streifzug, hängt Gartentürc­hen aus und verschlepp­t Mülltonen. Ärgerlich wird’s für die Opfer allerdings, wenn am nächsten Tag die Sonne Rasierscha­um in den Autolack brennt oder kulinarisc­he Experiment­e sichtbar werden: Ei an der Hauswand? Ketchup auf der Türklinke? Nicht jeden Hausbesitz­ers liebste Hausmannsk­ost. Auf diesen Ausbruch aus dem Rahmen bayerische­r Sittsamkei­t folgt der Tag der Arbeit. Vor allem für Polizisten, die Straßenrei­nigung und Mütter, die dem Sohne/Mann die Kopfwehtab­lette reichen. Doch auch romantisch­e Seiten kennt das Mai-Brauchtum: Vielerorts stellen junge Männer ihren geliebten Dirndlträg­erinnen nachts ein eigenes Maibäumche­n vor die Tür, mit geschnitzt­em Holzherz und wehenden Schleifche­n. So ein Baum spendet Freude und Wärme, selbst wenn er (und die Liebe?) schon längst verblüht ist – spätestens, wenn er viel später scheibchen­weise im Lagerfeuer knistert.

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