Tier schwer verletzt, aber Landwirt holt keinen Arzt
Ein Rind hat wochenlang eine tiefe Wunde, doch einen Tierarzt ruft der Bauer nicht. Jetzt wurde er verurteilt
Von einer relativ heftigen Geschichte sprach Richter Thomas Kirschner. Keine 20 Minuten dauerte die Verhandlung am Augsburger Amtsgericht, das Leid des Tieres dagegen war deutlich länger. Mindestens vier Wochen lang sollen diese massiven Schmerzen, so Kirschner, angedauert haben, das wurde bei einer Kontrolle des Betriebs zu Beginn dieses Jahres festgestellt.
Das männliche Rind hatte eine mehrere Zentimeter tiefe und 15 Zentimeter breite Wunde mit Blutkrusten und Eiter am Nacken. Die Verletzung wurde Wochen zuvor durch den Angeklagten hervorgerufen. Da die Anbindekette eingewachsen war, riss der Landwirt aus dem südlichen Landkreis Augsburg diese gewaltsam heraus. Gegen einen Strafbefehl in Höhe von 3600 Euro (90 Tagessätze zu je 40 Euro) legte der Mann Einspruch ein.
Zu der Verhandlung erschien der Angeklagte jedoch nicht, da er es wegen der vielen Stallarbeit zeitlich nicht einrichten konnte, sagte sein Verteidiger Achim von Lucke. Sein Mandant sei sein Leben lang in der Landwirtschaft tätig und führe die Rinderhaltung mit etwa 35 Tieren allein. „Er versucht, den Hof nach bestem Wissen und Gewissen zu führen, ist aber leider völlig überfordert“, sagte von Lucke. Sein Mandant gebe zu, dass er das Tier nicht hat ärztlich versorgen lassen. Stattdessen wollte er die Verletzungen selbst unter Kontrolle bringen, leider erfolglos. Der Landwirt habe aus rein finanziellen Gründen keinen Tierarzt verständigt, so von Lucke.
Ein Blick auf den Einkommensbescheid zeigt: Der Landwirt ist finanziell alles andere als auf Rosen gebettet. Der Mittfünfziger lebt vom Milchgeld, sein Nettoeinkommen beträgt monatlich weniger als 600 Euro. Trotzdem dürfe der Landwirt seine wirtschaftlichen Interessen nicht über die des Tieres stellen, sagte der Staatsanwalt in seinem Plädoyer. Er gehe davon aus, dass es in nicht allzu ferner Zukunft auf ein Tierhalteverbot hinauslaufen werde, da der Landwirt nicht das erste Mal mit den einschlägigen Behörden in Kontakt gekommen ist.
Tatsächlich gab es in der Vergangenheit bereits Bescheide vom Landratsamt, dass der Angeklagte seine Rinder mindestens einmal täglich auf Verletzungen kontrollieren muss. Hintergrund dieser Maßnahme: Ein Jungrind hatte durch eine Anbindekette Verletzungen am Hals. Zudem musste der Landwirt bereits eine Geldbuße zahlen, da eines seiner Rinder wegen überlanger Klauen Entzündungen hatte. Aus diesem Grund forderte der Staatsanwalt eine Geldstrafe in Höhe von 80 Tagessätzen zu je 30 Euro.
Verteidiger von Lucke erachtete eine Geldstrafe von 1400 Euro (70 Tagessätze zu je 20 Euro) für angemessen. Richter Thomas Kirschner verurteilte den Mann zu einer Geldstrafe in Höhe von 2000 Euro (80 Tagessätze zu je 25 Euro). Der Landwirt hätte die notwendige tierärztliche Behandlung des Rindes durchführen lassen müssen, wirtschaftliche Gründe gelten laut Kirschner nicht als Ausrede. Notfalls müsse der Angeklagte die Landwirtschaft aufgeben. SCHWABMÜNCHNER ALLGEMEINE