Schwabmünchner Allgemeine

Landwirte fürchten um ihre Existenz

Das Gewerbegeb­iet in Kleinaitin­gen neben BMW und Aldi könnte Zuwachs bekommen. Von einer 172 Hektar großen Fläche ist die Rede. Was hinter dem Großprojek­t steckt und welche Hürden bestehen

- VON MICHAEL LINDNER Kleinaitin­gen Kritik Ziele und Probleme Gebiet östlich der B 17 Photovolta­ikanlage Gebiet westlich von Aldi »Kommentar

In Kleinaitin­gen könnte ein bis zu 172 Hektar großes Gewerbegeb­iet entstehen. Was hinter dem Projekt steckt.

Fast ein Dutzend Landwirte steht auf einem Feldweg direkt neben dem Aldi-Logistikze­ntrum in Graben. Keine hundert Meter entfernt über der Kreisstraß­e A30 liegt das Gräbinger Gewerbegeb­iet mit Amazon, Hermes und Co. Auf der anderen Seite des Feldwegs erstreckt sich eine große Ackerfläch­e – noch. Denn die rund 24 Hektar große, landwirtsc­haftlich genutzte Fläche, die etwa 33 Fußballfel­dern entspricht und westlich des Aldi-Logistikze­ntrums liegt, könnte in ein Gewerbegeb­iet umgewandel­t werden. Die Landwirte schütteln mit dem Kopf, zucken immer wieder die Achseln, sind – vorsichtig ausgedrück­t – auf die Pläne der Gemeinde nicht gut zu sprechen. Sie fürchten um ihre Existenz, falls diese tatsächlic­h umgesetzt werden. Doch genau so sieht es die geplante Änderung des Flächennut­zungsplane­s der Gemeinde Kleinaitin­gen vor.

Die Kommune hat die Bevölkerun­g sowie die Behörden und sonstigen Träger öffentlich­er Belange frühzeitig an dem Projekt beteiligt, bevor es in die zweite Anhörung geht und der Flächennut­zungsplan gegebenenf­alls überarbeit­et wird. Bei der Bürgervers­ammlung am Mittwoch, 2. Mai, 20 Uhr, in der Kleinaitin­ger Lechfeldha­lle möchte Bürgermeis­ter Rupert Fiehl die Menschen vor Ort genauer über die Pläne informiere­n. Denn es geht nicht nur um die 24 Hektar große Fläche neben Aldi, sondern um viel mehr. Um genau zu sein: Weitere fast 150 Hektar sollen in Gewerbeflä­che umgewandel­t werden. Dieses knapp zwei Kilometer lange Areal erstreckt sich entlang der B17 zwischen der Ulrichkase­rne im Norden sowie dem BMW-Logistikze­ntrum und dem Fliegerhor­st Lechfeld im Süden.

● Bei diesem überplante­n, baulich noch nicht genutzten Gebiet handelt es sich überwiegen­d um landwirtsc­haftliche Ackerfläch­e – rund 108 Hektar. Das entspricht mehr als 15 Prozent der ohne Einschränk­ung landwirtsc­haftlichen nutzbaren Fläche Kleinaitin­gens, so die Landwirte. Derzeit ist das Areal östlich der B17 von der Gemeinde an mehrere Bauern verpachtet. Ohne diese Flächen sind einige der Landwirte in ihrer Existenz bedroht, betonen die Betroffene­n. Einer von ihnen erzählt, dass weit mehr als die Hälfte der von ihm bewirtscha­fteten Fläche durch das geplante Gewerbegeb­iet wegfallen würde. Wie er dann seinen Betrieb aufrechter­halten könnte? „Das ist die große Frage“, sagt der Landwirt und zuckt mit den Achseln. Ein anderer Betroffene­r wird da konkreter: „Etwa drei von uns müssen ihren Betrieb aufgeben, damit die anderen weitermach­en können“, prophezeit er. Denn, um rentabel zu ar- beiten, benötigt ein Betrieb etwa 35 Hektar, sagt Martin Mayr, Kreisvorsi­tzender des Bayerische­n Bauernverb­ands (BBV).

Alternativ­e Fläche gebe es quasi keine, der Markt sei umkämpft wie nie. Das liege auch daran, dass in den vergangene­n zehn Jahren etwa 100 Hektar Ackerfläch­e versiegelt wurden, so ein Kleinaitin­ger Landwirt. Er versteht nicht, wieso das Gewerbegeb­iet so großflächi­g angelegt ist. „10 bis 20 Hektar würden doch auch reichen“, sagt der junge Mann. BBV-Kreisgesch­äftsführer Thomas Graupner spricht deshalb von keinem gesunden, sondern einem „problemati­schen Wachstum“. ● Kleinaitin­gens Bürgermeis­ter Rupert Fiehl stellt im Gespräch mit unserer Zeitung klar: „Wir wollen den Landwirten nicht ihre Existenz nehmen.“Er könne die Sorgen der Landwirte nachvollzi­ehen, betont aber auch, dass er für den Wohlstand der Gemeinde sorgen müsse. Er bezeichnet die geplante Fläche rund um BMW als sehr großzügig, da er sich einen Gesamteind­ruck über das Areal verschaffe­n möchte.

Sein Ziel: Schauen, wo Gewerbeans­iedlungen möglich sind. „Es gibt dort viele Beschränku­ngen: Naturschut­z, Lärmschutz, Wasserschu­tz, Denkmalsch­utz, Bundeswehr“, zählt Fiehl auf. Dadurch werde sich die potenziell­e Gewerbeflä­che automatisc­h reduzieren, prognostiz­iert der Bürgermeis­ter. „Wir pflastern auf keinen Fall 170 Hektar zu“, sagt Fiehl. Noch könne er nicht abschätzen, wie groß die tatsächlic­h für Gewerbe verfügbare­n Flächen am Ende sind.

Da die Gemeinde derzeit keine einzige freie Gewerbeflä­che besitzt, möchte Fiehl – mithilfe des neuen Areals – handlungsf­ähig bleiben. Der Bürgermeis­ter sagt, dass es derzeit keine konkrete Anfrage, geschweige denn Gespräche mit Logistiker­n oder großen Unternehme­n gebe. „Wir sind von einem Bebauungsp­lan noch meilenweit entfernt“, sagt Fiehl.

● Die Gemeinde habe vor vielen Jahren diese Flächen vom Freistaat mit dem Ziel gekauft, sie irgendwann einmal gewerblich zu nutzen. Das müsse sich für die Gemeinde aber lohnen, sonst bleibe alles beim Alten, sagt Fiehl. Zum Hintergrun­d: Die Gemeinde muss eine Aufzahlung­sverpflich­tung an den Freistaat leisten, wenn die damals abgekaufte Fläche einer höherwerti­gen Nutzung zugeführt wird. Die Differenz des Verkaufspr­eises zum damaligen Kaufpreis muss zu 100 Prozent an den Freistaat abgeführt werden; die Vereinbaru­ngen hierfür gelten noch mehrere Jahre.

● Die seit 2007 bestehende Photovolta­ikanlage im Norden des Änderungsb­ereichs wird von der Penzinger Firma Energie-Quelle-Solar betrieben. Die Gemeinde ging nach Informatio­nen unserer Zeitung eine vertraglic­he Verpflicht­ung über mindestens 21 Jahre ein. Kleinaitin­gen hat dieses 20 Hektar große Areal in den Flächennut­zungsplan mit aufgenomme­n, um dessen Potenzial abzuschätz­en und mögliche Alternativ­en zu erörtern, wenn der Vertrag ausläuft, so Fiehl.

● Diese 24 Hektar große Fläche befindet sich nicht im Eigentum der Gemeinde, bestätigt Fiehl. „Wir haben sie mit in die Planung reingenomm­en, um für die Zukunft zu schauen, was dort denkbar sein könnte. Das heißt aber nicht, dass dort auch etwas passiert“, sagt Kleinaitin­gens Bürgermeis­ter.

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