Landwirte fürchten um ihre Existenz
Das Gewerbegebiet in Kleinaitingen neben BMW und Aldi könnte Zuwachs bekommen. Von einer 172 Hektar großen Fläche ist die Rede. Was hinter dem Großprojekt steckt und welche Hürden bestehen
In Kleinaitingen könnte ein bis zu 172 Hektar großes Gewerbegebiet entstehen. Was hinter dem Projekt steckt.
Fast ein Dutzend Landwirte steht auf einem Feldweg direkt neben dem Aldi-Logistikzentrum in Graben. Keine hundert Meter entfernt über der Kreisstraße A30 liegt das Gräbinger Gewerbegebiet mit Amazon, Hermes und Co. Auf der anderen Seite des Feldwegs erstreckt sich eine große Ackerfläche – noch. Denn die rund 24 Hektar große, landwirtschaftlich genutzte Fläche, die etwa 33 Fußballfeldern entspricht und westlich des Aldi-Logistikzentrums liegt, könnte in ein Gewerbegebiet umgewandelt werden. Die Landwirte schütteln mit dem Kopf, zucken immer wieder die Achseln, sind – vorsichtig ausgedrückt – auf die Pläne der Gemeinde nicht gut zu sprechen. Sie fürchten um ihre Existenz, falls diese tatsächlich umgesetzt werden. Doch genau so sieht es die geplante Änderung des Flächennutzungsplanes der Gemeinde Kleinaitingen vor.
Die Kommune hat die Bevölkerung sowie die Behörden und sonstigen Träger öffentlicher Belange frühzeitig an dem Projekt beteiligt, bevor es in die zweite Anhörung geht und der Flächennutzungsplan gegebenenfalls überarbeitet wird. Bei der Bürgerversammlung am Mittwoch, 2. Mai, 20 Uhr, in der Kleinaitinger Lechfeldhalle möchte Bürgermeister Rupert Fiehl die Menschen vor Ort genauer über die Pläne informieren. Denn es geht nicht nur um die 24 Hektar große Fläche neben Aldi, sondern um viel mehr. Um genau zu sein: Weitere fast 150 Hektar sollen in Gewerbefläche umgewandelt werden. Dieses knapp zwei Kilometer lange Areal erstreckt sich entlang der B17 zwischen der Ulrichkaserne im Norden sowie dem BMW-Logistikzentrum und dem Fliegerhorst Lechfeld im Süden.
● Bei diesem überplanten, baulich noch nicht genutzten Gebiet handelt es sich überwiegend um landwirtschaftliche Ackerfläche – rund 108 Hektar. Das entspricht mehr als 15 Prozent der ohne Einschränkung landwirtschaftlichen nutzbaren Fläche Kleinaitingens, so die Landwirte. Derzeit ist das Areal östlich der B17 von der Gemeinde an mehrere Bauern verpachtet. Ohne diese Flächen sind einige der Landwirte in ihrer Existenz bedroht, betonen die Betroffenen. Einer von ihnen erzählt, dass weit mehr als die Hälfte der von ihm bewirtschafteten Fläche durch das geplante Gewerbegebiet wegfallen würde. Wie er dann seinen Betrieb aufrechterhalten könnte? „Das ist die große Frage“, sagt der Landwirt und zuckt mit den Achseln. Ein anderer Betroffener wird da konkreter: „Etwa drei von uns müssen ihren Betrieb aufgeben, damit die anderen weitermachen können“, prophezeit er. Denn, um rentabel zu ar- beiten, benötigt ein Betrieb etwa 35 Hektar, sagt Martin Mayr, Kreisvorsitzender des Bayerischen Bauernverbands (BBV).
Alternative Fläche gebe es quasi keine, der Markt sei umkämpft wie nie. Das liege auch daran, dass in den vergangenen zehn Jahren etwa 100 Hektar Ackerfläche versiegelt wurden, so ein Kleinaitinger Landwirt. Er versteht nicht, wieso das Gewerbegebiet so großflächig angelegt ist. „10 bis 20 Hektar würden doch auch reichen“, sagt der junge Mann. BBV-Kreisgeschäftsführer Thomas Graupner spricht deshalb von keinem gesunden, sondern einem „problematischen Wachstum“. ● Kleinaitingens Bürgermeister Rupert Fiehl stellt im Gespräch mit unserer Zeitung klar: „Wir wollen den Landwirten nicht ihre Existenz nehmen.“Er könne die Sorgen der Landwirte nachvollziehen, betont aber auch, dass er für den Wohlstand der Gemeinde sorgen müsse. Er bezeichnet die geplante Fläche rund um BMW als sehr großzügig, da er sich einen Gesamteindruck über das Areal verschaffen möchte.
Sein Ziel: Schauen, wo Gewerbeansiedlungen möglich sind. „Es gibt dort viele Beschränkungen: Naturschutz, Lärmschutz, Wasserschutz, Denkmalschutz, Bundeswehr“, zählt Fiehl auf. Dadurch werde sich die potenzielle Gewerbefläche automatisch reduzieren, prognostiziert der Bürgermeister. „Wir pflastern auf keinen Fall 170 Hektar zu“, sagt Fiehl. Noch könne er nicht abschätzen, wie groß die tatsächlich für Gewerbe verfügbaren Flächen am Ende sind.
Da die Gemeinde derzeit keine einzige freie Gewerbefläche besitzt, möchte Fiehl – mithilfe des neuen Areals – handlungsfähig bleiben. Der Bürgermeister sagt, dass es derzeit keine konkrete Anfrage, geschweige denn Gespräche mit Logistikern oder großen Unternehmen gebe. „Wir sind von einem Bebauungsplan noch meilenweit entfernt“, sagt Fiehl.
● Die Gemeinde habe vor vielen Jahren diese Flächen vom Freistaat mit dem Ziel gekauft, sie irgendwann einmal gewerblich zu nutzen. Das müsse sich für die Gemeinde aber lohnen, sonst bleibe alles beim Alten, sagt Fiehl. Zum Hintergrund: Die Gemeinde muss eine Aufzahlungsverpflichtung an den Freistaat leisten, wenn die damals abgekaufte Fläche einer höherwertigen Nutzung zugeführt wird. Die Differenz des Verkaufspreises zum damaligen Kaufpreis muss zu 100 Prozent an den Freistaat abgeführt werden; die Vereinbarungen hierfür gelten noch mehrere Jahre.
● Die seit 2007 bestehende Photovoltaikanlage im Norden des Änderungsbereichs wird von der Penzinger Firma Energie-Quelle-Solar betrieben. Die Gemeinde ging nach Informationen unserer Zeitung eine vertragliche Verpflichtung über mindestens 21 Jahre ein. Kleinaitingen hat dieses 20 Hektar große Areal in den Flächennutzungsplan mit aufgenommen, um dessen Potenzial abzuschätzen und mögliche Alternativen zu erörtern, wenn der Vertrag ausläuft, so Fiehl.
● Diese 24 Hektar große Fläche befindet sich nicht im Eigentum der Gemeinde, bestätigt Fiehl. „Wir haben sie mit in die Planung reingenommen, um für die Zukunft zu schauen, was dort denkbar sein könnte. Das heißt aber nicht, dass dort auch etwas passiert“, sagt Kleinaitingens Bürgermeister.