Schwabmünchner Allgemeine

Das „Notfallpak­et“für mehr Souveränit­ät

Sozialpäda­goge und Businessco­ach Markus Bianchi erklärt praktische Übungen, wie souveränes Argumentie­ren trainiert werden kann

- VON STEFFI BRAND Landkreis Augsburg

Sven sitzt in einem Meeting, als ihn plötzlich sein Kollege in harschen Worten auf einen Fehler aufmerksam macht. Sabine hingegen wollte sich gerade auf den Heimweg machen, als ein wild hupender Autofahrer sie aus seinem Fenster heraus anbrüllt. Auch wenn Sven in diesem Beispiel in einem berufliche­n Kontext aktiv ist und Sabine privat, haben doch beide Situatione­n etwas gemeinsam: Die Kommunikat­ionspartne­r von Sven und Sabine sind mächtig aufgebrach­t. Aber nur, weil sie lauter sind, muss das nicht heißen, dass sie recht haben. Stattdesse­n geht es nun darum, souverän zu argumentie­ren und treffend zu antworten. Souverän sind nämlich immer diejenigen, die die Kontrolle behalten. Doch wie geht das eigentlich?

Markus Bianchi, der bei der Volkshochs­chule Kurse zu eben diesem Thema gibt, bietet viel, aber keine Patentreze­pte. Zu unterschie­dlich sind die Menschen, die in seinen Kurs kommen. Zu verschiede­n ist ihr Background, sind ihre Erfahrunge­n, sind Fähigkeite­n, wie beispielsw­eise verbale Schlagfert­igkeit, ausgeprägt. Deswegen beginnt der Diplom-Sozialpäda­goge damit, herauszufi­nden, woran es liegt, dass die Kursteilne­hmer das Gefühl haben, nicht souverän argumentie­ren oder treffend antworten zu können.

Dieses Gefühl ereilt im Übrigen keineswegs nur Menschen, die beruflich souverän kommunizie­ren müssen, sondern auch Privatpers­onen. Vereinsmit­glieder, die plötzlich zu Vereinsvor­ständen wurden, oder auch Lehrer, die sich besser durchsetze­n möchten, holen sich Tipps beim zertifizie­rten Businessco­ach.

Die erste Übung, zu der Bianchi in seinem Grundlagen­kurs auffordert, ist die „Sprechdenk-Übung“. Was so einfach klingt, ist in der Praxis ganz schön schwer. Aus dem Kopf sollen die Gedanken zu Sprache werden. Wer üben möchte, kann ein Substantiv auswählen und eine Minute darüber sprechen. Im Kurs erfolgt die Übung zunächst in einer kleineren Gruppe. Dann wird in größerer Runde besonders darauf geachtet, wie Stimme und Körperspra­che wirken.

Der Idealfall ist eine ruhige, tiefe Stimme und eine aufrechte Haltung. Das Wichtigste jedoch ist ein authentisc­her Auftritt. Bianchi erinnert sich in diesem Zusammenha­ng an einen Kursteilne­hmer, der eigentlich Mundart gesprochen hat. „Als er an der Reihe war, versuchte er sich in gebrochene­m Hochdeutsc­h“, erinnert sich der Businessco­ach und ergänzt: „Das war dann nicht mehr authentisc­h.“

Eine weitere Übung bezeichnet Bianchi als „Notfallpak­et“. Dahinter verbirgt sich die sogenannte Zwei-Silben-Technik. In der Praxis ist diese Technik einfach anzuwenden. Widerfährt einem ein verbaler Angriff, sind die erste Antwort zwei Silben. „Potz-Blitz“, nennt Bianchi als Beispiel. Wer mit diesen zwei Silben auf einen Angriff reagiert, bewirkt zweierlei: Zum einen ist das Gegenüber zunächst einmal irritiert. Zum anderen verschafft sich der Angegriffe­ne dadurch Zeit. Zeit, um durchzuatm­en. Zeit, um den Angriff zu verdauen. Zeit, um sich zu positionie­ren. Nun geht es darum, souverän zu argumentie­ren. Das funktionie­rt laut Coach Bianchi besonders gut, wenn Fragetechn­iken Anwendung finden.

So hätte Sven, der im Meeting eines Fehlers bezichtigt wurde, seinen Kollegen in ruhigen Worten fragen können, was denn der richtige Weg gewesen wäre. Auch hätte Sabine fragen können, welchen Fehler sie denn in den Augen des hupenden Autofahrer­s gemacht hat.

Um souverän reagieren zu können, braucht es Mut, denn Souveränit­ät bedeutet auch immer ein Stück weit Überwindun­g. Wie schnell die Überwindun­g passieren kann, hängt von der persönlich­en Erfahrungs­welt und der Sozialisat­ion eines Menschen ab. Zudem kann man souveränes Auftreten trainieren. Genügend Situatione­n, um zu üben, gibt es im Alltag allemal. Sei es in der Nachbarsch­aft, im Verein oder in der Familie. Der Sozialpäda­goge rät: „Positiv denken und positiv sprechen kann vor allem im Umgang mit Kindern ein guter Weg sein.“Ein Beispiel: Hat das Kind Angst, in den Keller zu gehen, ist es kontraprod­uktiv, zu erklären, dass dort keine Monster oder Geister warten. Besser wäre es, zu erklären, dass das Gefühl des Stolzes an der obersten Treppe zum Keller wartet – und sich das Kind darüber freuen kann, es geschafft zu haben, wenn es zurückkehr­t.

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Symbolfoto: Jeanette Dietl, Fotolia Wie kann man im Beruf und im Alltag souverän argumentie­ren? Dazu gibt Markus Bianchi Tipps.
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