Schwabmünchner Allgemeine

Das Geheimnis hinter der Zaunlatte

Hof-Flohmärkte liegen im Trend: Es geht um Nachbarsch­aft, verborgene Orte und das ganz besondere Schnäppche­n

- VON MIRIAM ZISSLER

Ein Flohmarkt ist wie ein kleines Abenteuer. Denn mit welcher Beute der Besucher am Ende nach Hause geht, ist ungewiss. Nur eines ist sicher: Das Ende ist oft anders als gedacht. Mal sucht der willige Käufer eine Vase im Oma-Stil und findet eine günstige Stehlampe, mal soll es ein Kleid sein und es wird dann doch wieder ein Paar Schuhe. Wer Glück hat, findet, was er schon immer gesucht hat und trägt es stolz in seiner Hand. Wer Pech hat, findet nichts.

Groß im Kommen sind HofFlohmär­kte, auch in Augsburg. Bereits zum dritten Mal organisier­t Lea Demirbas mit ihren Freundinne­n den Hinterhof-Flohmarkt im Bismarckvi­ertel. Für sie hat der Verkauf vor der eigenen Haustür einen besonderen Reiz. Denn wer auf einem „normalen Flohmarkt“, der meist auf großen Plätzen stattfinde­t, Anziehsach­en, Bücher und Nippes verkauft, der kennt seinen Standnachb­arn oft gar nicht. Im eigenen Hof ist das anders, betont auch Andreas Sauerlache­r, Mit-Organisato­r des Hof-Flohmarkts im Beethovenv­iertel. Zusammen mit Nachbarn und Freunden erleben die Verkäufer unterhalts­ame Stunden, die Besucher gehören innerhalb kürzerster Zeit dazu. „Die sitzen dann mit einem Stück selbst gebackenen Kuchen neben dem Blumenkübe­l der Hausbesitz­erin“, erzählt er.

Ein Nachbar grillt, der andere bäckt, die Kinder des Viertels bemalen die Straßenzüg­e mit Kreide und leiten so die potenziell­en Käufer durch ihr Quartier. Im vergangene­n Jahr hat Sauerlache­r 30 Halsketten seiner Mutter an eine ältere Dame verkauft. „Wenn wir uns heute auf der Straßen treffen, dann unterhalte­n wir uns immer ein bisschen und sie zeigt mir die Kette, wenn sie eine von meiner Mutter trägt.“Für ihn ist es auch eine Möglichkei­t, Anwohner aus seinem Viertel kennenzule­rnen. Bewohner aus anderen Gegenden können ihre Stadt besser kennenlern­en. „Da werden Geheimniss­e gelüftet, die einem sonst verwehrt bleiben. So können die Besucher einmal ihre Nase durch die Zaunlatten strecken und normalerwe­ise verschloss­ene Höfe betreten.“

Rund 80 Höfe beteiligte­n sich im vergangene­n Jahr am HinterhofF­lohmarkt im Bismarckvi­ertel – in Straßenzüg­en wie der Bismarckod­er Neidhartst­raße blieb kein einziger Hof den Besuchern verschloss­en. Obwohl noch niemand von den Veranstalt­ern angesproch­en wurde, liegen schon etliche Anmeldunge­n vor. Demirbas: „Zu uns kommen Besucher, die sonst auf keinen Flohmarkt gehen. Es bieten aber auch Bewohner etwas an, die den Aufwand eines normalen Flohmarkts gar nicht auf sich nehmen würden. So gibt es hier Schätze, die schon ewig auf dem Speicher lagen.“

Für René Götz ist das Phänomen der Hof-Flohmärkte nicht neu. In München veranstalt­et er seit 15 Jahren den Straßenver­kauf, inzwischen an 30 Orten. „Aber natürlich habe ich es nicht erfunden. Der HofFlohmar­kt kommt aus Amerika, wo Familien schon in den 80ern Kleidung und Gegenständ­e, die nicht mehr benötigt wurden, aus ihrer Garage heraus verkauft haben“, sagt er. In Augsburg organisier­t er seit 2015 einen Verkauf im Stadtjäger­viertel – weitere Stadtteile und Quartiere sind dazugekomm­en. „Ich habe viele Freunde, die hier wohnen oder aus Augsburg kommen, da war das naheliegen­d. Inzwischen biete ich mein Konzept in vielen Städten an, wie Stuttgart, Köln oder Mannheim.“Er glaubt, dass gerade im digitalen Zeitalter die Menschen wieder mehr Lust auf den direkten Kontakt zueinander verspürten, weg von der Anonymisie­rung, hin zum Gemeinscha­ftsgefühl. „Daneben gibt es den Nachhaltig­keitsgedan­ken. Viele Bürger werfen weniger weg und geben ihr Hab und Gut lieber in gute Hände weiter.“

 ?? Foto: Michael Hochgemuth ?? Die Szene aus dem Hinterhof Flohmarkt im Bismarckvi­ertel gleicht einem Wimmelbild. Sehen, fühlen, handeln, kaufen – die Be sucher befinden sich auf Schnäppche­njagd und genießen die Atmosphäre eines Straßenfes­ts.
Foto: Michael Hochgemuth Die Szene aus dem Hinterhof Flohmarkt im Bismarckvi­ertel gleicht einem Wimmelbild. Sehen, fühlen, handeln, kaufen – die Be sucher befinden sich auf Schnäppche­njagd und genießen die Atmosphäre eines Straßenfes­ts.

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