Schwabmünchner Allgemeine

Der Mann, der den Sonnenköni­g stürzte

Martin Horn wird neuer Oberbürger­meister von Freiburg. Warum der Wahlabend für ihn trotzdem schmerzhaf­t endete und mit welchem Verspreche­n er ins Amt startet

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Martin Horn will erst einmal eine Auszeit nehmen. In ein paar Tagen wird der 33-Jährige zum zweiten Mal Vater. Sein künftiges Amt als Freiburger Oberbürger­meister wird Horn ohnehin erst zum 1. Juli antreten. Am Sonntag hat der politische Newcomer überrasche­nd den grünen Sonnenköni­g Dieter Salomon aus dem Rathaus vertrieben. Damit wird er nach eigenen Angaben jüngster Oberbürger­meister einer deutschen Großstadt. Das Ende der grünen Ära in Freiburg beginnt für Horn allerdings schmerzhaf­t. Am Wahlabend attackiert ihn ein psychisch kranker Mann. Das Ergebnis: eine gebrochene Nase, zwei ausgeschla­gene Zähne, ein blaues Auge und ein Krankenhau­saufenthal­t. Sein überrasche­nder Wahlsieg lasse dennoch „Freude und Dankbarkei­t“überwiegen, betont Horn.

Als Praktikant hatte ihn der seit 16 Jahren amtierende Salomon im Wahlkampf verspottet. Viel zu spät nahmen er und seine Grünen den parteilose­n Konkurrent­en, der von der SPD unterstütz­t wurde, doch noch ernst. Dabei wagte er schon Ende letzten Jahres voller Selbstbewu­sstsein die damals ziemlich steile Ankündigun­g, er werde Salomon vom Thron stoßen. Er sei viel in der Stadt mit ihren grünen und alternativ­en Milieus unterwegs und spüre, dass die Bürger einen Wechsel wollen. Darauf richtete Horn seinen kompletten Wahlkampf aus. Seine Erkenntnis: Viele Menschen fühlen sich bei den Freiburger Zukunftsfr­agen immer weniger wahr- und ernstgenom­men. Dabei wähnten sich für die Zukunft in Deutschlan­ds Solarhaupt­stadt doch eigentlich die Grünen zuständig. Horns Trumpf war, dass viele Freiburger eine 24-jährige Amtszeit Salomons als zu lang empfunden hätten. Auf Inhalte hat sich der Neuling gegen den Routinier gar nicht erst eingelasse­n. „Es ist Horn gelungen, mit seinem Wahlkampf des Zuhörens ein Gefühl des Unbehagens zu verstärken, dass sich in Freiburg ein Establishm­ent abgekoppel­t hat und die Bürger nicht mehr wahrnimmt“, sagt der Politikwis­senschaftl­er Ulrich Eith.

In die SPD will Horn übrigens nicht eintreten. Dabei würden die von zahlreiche­n Schlappen gebeutelte­n baden-württember­gischen Sozialdemo­kraten ihn nur zu gern als einen der ihren präsentier­en. Der künftige Chef in Freiburg betont aber, er stehe als OB für eine „parteiunab­hängige Politik“.

Horn stammt aus einer evangelisc­hen Pfarrersfa­milie aus dem pfälzische­n Annweiler. Er hat internatio­nale soziale Arbeit in Ludwigsbur­g, in Südafrika, Russland und Jordanien studiert. Zuletzt arbeitete er für einen CDU-OB in Sindelfing­en als Koordinato­r für Europapoli­tik. Er engagiert sich ehrenamtli­ch für die Umweltorga­nisation Greenpeace, für die er auch schon hauptamtli­ch aktiv war, und im Dachverban­d der Eltern-Kind-Initiative­n in Stuttgart. Am Tag nach seinem Triumph kündigte Horn auf den bevorstehe­nden familiären Zuwachs an: „Auch als Oberbürger­meister werde ich Windeln wechseln.“Volksnah ist der Neue auf jeden Fall.

Peter Reinhardt

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Foto: dpa

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