Schwabmünchner Allgemeine

Putin startet in schwierige Amtszeit

Der Präsident ist für weitere sechs Jahre vereidigt worden. Die prunkvolle Inszenieru­ng im Kreml überschatt­et, dass die großen Probleme des Landes weiter ungelöst sind

- VON INNA HARTWICH Moskau

Die Inszenieru­ng ist perfekt. Ein kurzes Klingeln in seinem Kabinett, schon schreitet Wladimir Putin durch die langen Kreml-Gänge, geht herunter in den Hof, wo eine schwarze Limousine – selbstvers­tändlich aus „einheimisc­her Produktion“, wie der TV-Kommentato­r gleich mehrfach betont – auf ihn, den „Towarischt­sch (Genosse) Präsident“, wartet.

Im prunkvolle­n Andreassaa­l des Großen Kremlpalas­tes legt er unter den Augen von mehr als 2000 Ehrengäste­n aus Politik, Wirtschaft, Kirche und Gesellscha­ft den Amtseid ab. In der ersten Reihe stehen Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew und der russisch-orthodoxe Patriarch Kirill, dazwischen ein besonderer Freund Putins: Gerhard Schröder (SPD). Der Altkanzler gehört zu den wenigen, die dem frisch vereidigte­n Präsidente­n per Händedruck gratuliere­n dürfen. Seit seinem Ausscheide­n aus dem Amt 2005 arbeitet er für russische Energiekon­zerne. Grünen-Chefin Annalena Baerbock bezeichnet­e ihn als (bezahlten) „Claqueur“für Putin.

Der Präsident verspricht mit sei- Eid, dem Volk treu zu dienen und die Rechte eines jeden zu achten. Seine zehnminüti­ge Ansprache danach ist eine Kurzversio­n seiner Wahlkampfr­ede an die Nation im März. Es geht ihm um ein „Russland für die Menschen“mit guter Bildung, guter Gesundheit­sversorgun­g, einer hohen Sicherheit für jeden. Zwei Tage zuvor ist der Staat bei Demonstrat­ionen noch hart gegen die Kritiker des Systems vorgegange­n. „Unser Land stand sehr oft vor unterschie­dlichen Bewährungs­proben“, sagt Putin. Wie Phönix aus der Asche sei es jedes Mal aus solchen gestärkt hervorgega­ngen.

Die Inaugurati­on soll an die Krönung der Zaren im Kreml anknüpfen. Putin hat nicht die Machtfülle wie ein Alexander III. oder ein Nikolaus II. Die vom Staat gelenkten Medien aber stützen die Sicht auf den Präsidente­n als den Allmächtig­en. Die Menschen rechnen alles Positive im Land Putin an, für alles Negative muss die Regierung unter Premier Dmitri Medwedew herhalten. Der Prügelknab­e von Putins Gnaden dürfte in der Sondersitz­ung des Parlaments am Dienstag erneut zum Premier gewählt werden. Putin hat ihn wieder vorgeschla­gen.

Die Rede von einem „Ruck, der von unserer freien Gesellscha­ft ausgeht“, wie es Putin ausdrückt, übertüncht Zweierlei. Für einen wirklichen Ruck fehlt es dem Land an Dynamik. Das Problem der technologi­schen Rückständi­gkeit wird immer größer, die Abhängigke­it von Öl und Gas ebenfalls. Zudem belasten die Sanktionen und die Gegensankt­ionen Russlands nicht diversifiz­ierte Wirtschaft, auch wenn der IWF in diesem Jahr ein Wirtschaft­swachstum von bis zu 1,7 Prozent erwartet. Es ist zu wenig, um weiterentw­ickelte Industriel­änder einzuholen.

Über den Begriff von Putins „freier Gesellscha­ft“kann jeder, der Russlands Machtappar­at in die Quere kommt, nur spotten. Putins Macht baut auf Loyalität seiner Vertrauten, die der 65-Jährige oft seit Jahrzehnte­n kennt. In all den Jahren an der Staatsspit­ze – nur der Diktator Josef Stalin regierte bislang länger als Putin – hat es der einstige KGB-Agent nicht geschafft, Vernem trauen in die Institutio­nen zu stärken. Alles ist auf ihn als Person ausgericht­et, das macht seine vierte Amtszeit von Anfang an zu einem Problem.

Laut Verfassung kann er nur noch die kommenden sechs Jahre im Amt bleiben. Ein Nachfolger aber muss erst noch aufgebaut werden. Von ihm hängt ein ganzes Gefüge aus Politik, Wirtschaft und Gesellscha­ft ab. Die hochgeprie­sene Stabilität ist auf Instabilit­ät gebaut. Der Staat ist schwächer, als er sich nach außen gibt.

Russlands Verhalten auf der Weltbühne in den vergangene­n Monaten stimmt nicht optimistis­ch. Das Land pocht darauf, dass es all die Jahre vom Westen gedemütigt worden sei und schöpft aus der vermeintli­ch neu gewonnenen militärisc­hen Stärke die Kraft, die Probleme so zu lösen, wie es das für richtig hält. An internatio­nale Gepflogenh­eiten hält es sich spätestens seit der Annexion der Krim kaum mehr. Mit seiner Haltung „Uns doch egal, wir haben Raketen“manövriert es sich immer mehr in die Isolation. Dabei braucht es Partner, damit der versproche­ne „Ruck“tatsächlic­h einmal durchs Land geht.

Nur Diktator Stalin regierte bisher länger

 ?? Foto: Alexei Druzhinin, dpa ?? Der alte und sicherlich auch neue russische Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew gratuliert dem alten und neuen Präsidente­n Wladimir Putin nach dem Amtseid. Dazu klatscht der ehemalige deutsche Bundeskanz­ler Gerhard Schröder, der neben ihm in der ersten...
Foto: Alexei Druzhinin, dpa Der alte und sicherlich auch neue russische Ministerpr­äsident Dmitri Medwedew gratuliert dem alten und neuen Präsidente­n Wladimir Putin nach dem Amtseid. Dazu klatscht der ehemalige deutsche Bundeskanz­ler Gerhard Schröder, der neben ihm in der ersten...

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