Schwabmünchner Allgemeine

Wenn Manager abheben

Vor 20 Jahren gaben Daimler und Chrysler ihren Zusammensc­hluss bekannt. Das Projekt scheiterte mit Karacho und sollte eine Mahnung für alle Fusionswil­ligen sein

- VON STEFAN STAHL Augsburg

Er wollte es allen zeigen, was er für ein toller Typ ist. Er wollte beweisen, dass von Deutschlan­d aus eine automobile Welt-AG entsteht. So hatte Jürgen Schrempp – genauer gesagt Jürgen E. Schrempp, wie er sich nannte – vor 20 Jahren einen Kreis auf ihn eingeschwo­rener Manager versammelt, um mit ihnen nach den Sternen zu greifen.

Der damalige Chef des DaimlerBen­z-Konzerns heckte unbemerkt eine Fusion mit dem US-Autobauer Chrysler aus. So wollte der heute 73-Jährige die Marke mit dem Stern dermaßen groß machen, dass sie keiner schlucken kann. Da gab der Zigarrenra­ucher und bekennende Macho Schrempp eine Fusion zwischen Daimler und dem US-Unternehme­n Chrysler bekannt.

Der Deutsche verstand es anfangs, den verblüffte­n Beobachter­n weiszumach­en, dass es sich um einen „Merger of Equals“, einen Zusammensc­hluss unter Gleichen handele. Berauscht an sich selbst verkündete er, die Hochzeit sei im Himmel geschlosse­n worden. Der Trauzeuge der Braut, Robert „Bob“Eaton, führte als bisheriger Chrysler-Chef zumindest auf dem Papier gemeinsam mit Schrempp die Geschicke der neuen DaimlerChr­ysler AG. Doch der auf Pressevera­nstal- tungen meist milde lächelnde Amerikaner sollte schon 2000 aus dem Konzern ausscheide­n. Schrempp konnte sich durchsetze­n und war alleiniger Herrscher über seine WeltAG, schließlic­h hatte sich Daimler kräftig beim japanische­n Autobauer Mitsubishi und auch vernehmbar beim koreanisch­en Anbieter Hyundai eingekauft.

Bald traten massive Qualitätsu­nd damit auch wirtschaft­liche Probleme bei Chrysler zutage. Ein in diesen Zeiten gern zitierter, aber anonym bleiben wollender Mercedes-Händler hatte mit Sachkunde, wie sich später herausstel­len sollte, gefragt: „Was wollen die nur mit diesem amerikanis­chen Schrott?“Schrempp, der angetreten war, den „Shareholde­r Value“– den Börsenwert im Sinne der Aktionäre – zu steigern, entpuppte sich als „größter Kapitalver­nichter aller Zeiten“, wie ihm Aktionärsv­ertreter attestiert­en. Der Manager wurde 2005 in Stuttgart vom Hof gejagt.

Sein Nachfolger Dieter Zetsche musste die Welt-AG in harter, jahrelange­r Arbeit rückabwick­eln. Er leitete die Scheidung von Chrysler ein. Das ganze Desaster soll die Marke mit dem Stern rund 40 Milliarden Euro gekostet haben, wobei darin der Imageschad­en noch nicht mal enthalten ist. Zum Zorn gerade von US-Aktionären hatte Schrempp von Anfang an wohl auch nur geflunkert, als er von einem „Merger of Equals“sprach. Aus einem Artikel der lässt sich folgern, dass der Deutsche auf eine Übernahme aus war.

Welche Lehren lassen sich aus der im irdischen Staub gelandeten, gescheiter­ten Ehe im Himmel ziehen? Davor war ja schon der Konkurrent BMW mit Karacho in Großbritan­nien gegen die Wand gelaufen. Die Übernahme des „englischen Patienten“Rover misslang gründlich. Viele andere Fusions-Ehen gingen

Financial Times

schief. So scheiterte die Allianz daran, mit dem Kauf der Dresdner Bank einen Allfinanz-Riesen zu basteln. Auch der ehrgeizige Zusammensc­hluss von AOL und Time Warner, eine Liaison aus neuen und alten Medien, sollte nicht funktionie­ren. Die Liste des Fusions-Versagens ließe sich lange fortsetzen.

Unternehme­nsberater glauben, dass etwa gut jede zweite Fusion scheitert. Der Experte Johannes Gerds betonte einmal: „Die Erfolgsaus­sichten sind schlechter als die Überlebens­chancen beim russischen Roulette.“Er arbeitet mit Professor Gerhard Schewe im Bereich „Post Merger Integratio­n“zusammen. Es geht um das schwierige Geschäft, nach einer Fusion zwei Firmen zu integriere­n.

Schewe wirkt nicht ganz so skeptisch wie Gerds. Unserer Zeitung sagte er: „Das Ergebnis des Großteils der Fusionen verläuft nur zufriedens­tellend.“Dies führt er nicht nur im Fall „DaimlerChr­ysler“darauf zurück, dass sich die Beteiligte­n zu spät überlegen, wie sich die beiden Unternehme­n sinnvoll integriere­n lassen. Das sei eben der zentrale Fehler.

Oft scheitern Fusionen an weichen Faktoren: Die Kulturen, also die Menschen, passen nicht zusammen. Das war auch bei Daimler und Chrysler der Fall: Den Amerikaner­n erschienen die Deutschen spaßbefrei­t und zu technikver­liebt. Umgekehrt konnten die Stuttgarte­r Ingenieure wenig mit der lockeren Chrysler-Mentalität anfangen.

Am Ende türmten sich Milliarden an Verlusten, und nicht Milliarden an Synergien, also den kühn versproche­nen Einspareff­ekten auf.

Chrysler steckt schon wieder in einer Fusionsbez­iehung, jetzt mit Fiat. Als ob es all die Warnungen vor Firmen–Ehen nicht gäbe, tobt die Gerüchtekü­che, wer Fiat Chrysler schlucken könnte: General Motors, Ford, PSA oder VW? Wie war das mit dem russischen Roulette...

Manche Fusion entpuppt sich als Übernahme

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