Schwabmünchner Allgemeine

Ein bisschen wie Dallas in der DDR

An diesem Dienstag startet bereits die vierte Staffel der preisgekrö­nten Serie „Weissensee“. Diese ist weit mehr als nur bunte Seifenoper­n-Unterhaltu­ng

- VON JOSEF KARG Berlin TV Tipp

Es gibt nicht viele deutsche Serien, die die jüngere deutsche Geschichte so intensiv erzählen wie „Weissensee“. Auch wenn der Spiegel sie einst etwas herablasse­nd als „Dallas der DDR“betitelte. Die nunmehr vierte Staffel führt die Zuschauer mitten in die Wirren des Wendejahrs 1990, eine Zeit, in der Weltgeschi­chte geschriebe­n wurde: In der DDR finden die ersten freien Wahlen statt, die Treuhand wird gegründet, die Währungsun­ion eingeführt. Der damalige CDU-Bundeskanz­ler Helmut Kohl verspricht „blühende Landschaft­en“.

Wieder geht es in der packend erzählten und preisgekrö­nten TV-Seifenoper um gesellscha­ftliche Verstricku­ngen, Liebe und Verrat. Alle Beteiligte­n sind wie bisher schon sowohl Täter als auch Opfer. Und es geht noch um ein bisschen mehr: Um die einmalige Stimmung und um die Verhältnis­se im Deutschlan­d jener Zeit, betrachtet aus der Ostsicht.

Die ersten Staffeln erzählten von den 1980er Jahren. Die sechs neuen Folgen spielen nun kurz nach der Maueröffnu­ng, von Frühjahr bis Herbst 1990. Damals herrscht in der DDR große Zuversicht, aber auch extreme Unsicherhe­it: Die Karten werden neu gemischt. Jeder kämpft auf seine Weise um einen Platz im gemeinsame­n Deutschlan­d.

Auch und gerade die Mitglieder der Familie Kupfer und Hausmann, um die sich die Handlung dreht, müssen sich nach dem Zusammenbr­uch des DDR-Systems neu positionie­ren: Der Intrigant Falk Kupfer, großartig gespielt von Jörg Hartmann („Tatort“), der nach einer Schussverl­etzung im Rollstuhl sitzt, weiß unter einer falschen Identität sein Stasi-Wissen gewinnbrin­gend für einen West-Konzern einzusetze­n. Sein Sohn Martin Kupfer (Florian Lukas, „Das schweigend­e Klassenzim­mer“), der endlich seine Tochter gefunden hat, kämpft um den Erhalt seines Möbelbetri­ebs – und damit auch um die Zukunft hunderter Mitarbeite­r. Seine Freundin Katja Wiese (Lisa Wagner, „Kommissari­n Heller“) kommt als Journalist­in zwielichti­gen Geschäften von alten und neuen Seilschaft­en auf die Spur.

Auch bei den anderen Familienmi­tgliedern ist einiges los. Vera Kupfer (Anna Loos, „Helen Dorn“) steigt nach der frustriere­nden Wahlnieder­lage der Bürgerbewe­gung bei der Treuhand ein. Sie will dem Ausverkauf des Ostens nicht tatenlos zusehen. Für Falks Mutter Marlene Kupfer (Ruth Reinecke, „Toni Erdmann“) zählt dagegen vor allem die finanziell­e Absicherun­g der eigenen Familie. Gemeinsam mit einem ehemaligen Stasi-Generalleu­tnant bringt sie SED-Vermögen in Sicherheit. Auf die Unterstütz­ung ihres Mannes Hans Kupfer (Uwe Kockisch, „Donna Leon“) kann sie dabei nicht zählen. Er will Schuld und Verstricku­ngen konsequent offenlegen und macht sich damit nicht nur in der eigenen Familie viele Feinde.

Gedreht wurde die Serie von April bis Juli 2017 in Berlin und Umgebung. Und dem Regisseur, EmmyPreist­räger Friedemann Fromm, gelingt es, dieses wichtige Stück deutscher Historie nach Meinung von Kritikern „hervorrage­nd recherchie­rt, dramaturgi­sch dicht und aufwühlend“zu erzählen.

Fromm, ein Experte für die Verfilmung zeitgeschi­chtlicher Inhalte, selbst sagt: „Die Zusammenfü­hrung war beispiello­s in der Geschichte. Zu glauben, dass heute alles glattgebüg­elt sei, ist ein fataler Irrtum. Alles, was wir heute erleben, ob Pegida oder die Unzufriede­nheit, die sich im Osten verstärkt, zeigt: die Wurzeln dafür liegen genau in diesem Sommer 1990.“

Letzteres muss übrigens nicht das Ende von „Weissensee“bedeuten. Könnte die Erfolgsser­ie also weitergehe­n? „Wir hoffen alle auf eine fünfte Staffel“, sagte Produzenti­n Regina Ziegler der Bild-Zeitung.

Aus den 1990er Jahren gebe es noch so viele Geschichte­n zu erzählen. Das Ende von „Weissensee“sei erst dann erreicht, wenn die Teilung überwunden ist.

O„Weissensee“läuft jeweils als Doppelfolg­e: Die Serie wird an diesem Dienstag, am Mittwoch und am Donnerstag um jeweils 20.15 Uhr in der ARD ausgestrah­lt.

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Foto: ARD, Frederic Batier „Weissensee“, die Vierte: Die Mitglieder der Familie Kupfer versuchen nach der Wen de, ihren Platz in den neuen Verhältnis­sen zu finden.

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