„Im Wort Wandern steckt Abenteuer“
So läuft es mit Kindern. Manuel Andrack hat darüber sein neuestes Buch geschrieben und rät Eltern: lieber kürzere Wege wählen, dafür mehr Spaß in der Natur haben
Sie sind als Stichwortgeber in der Late-Night-Show von Harald Schmidt bekannt geworden, hat Ihnen das geholfen, auf ihrem Weg zum neuen deutschen Wanderpapst?
Andrack: Ich würde mich nie selbst als Wanderpapst bezeichnen. Ein Achtjähriger hat mir mal ein Bild gezeichnet und mich darauf als „Wandermeister Andrack“bezeichnet. Das fand ich toll ... Denn davor kommen erst mal die Lehr- und Wanderjahre, das kennt man ja auch, und irgendwann dann hat man den Wandermeister geschafft ... Aber zu Ihrer Frage: Die Fernsehauftritte haben mir damals definitiv geholfen.
Sind Sie damals auch schon gewandert als Ausgleich zum Fernsehstress?
Andrack: In jedem Fall. Ich habe ja nicht nach der Harald-Schmidt-Zeit auf Wanderer umgeschult. Das Laufen war wichtig, um den Kopf freizubekommen, neue Ideen zu finden und die Seele vollzutanken. Mein erstes Wanderbuch ist ja damals in dieser Zeit erschienen.
Ganze Generationen haben ein Trauma erlitten von den endlos erscheinenden Touren mit ihren Eltern. Wie ist denn Ihr Wander-Werdegang?
Andrack: Wir waren jedes Wochenende wandern. Aber ich war ein verhaltensgestörtes Kind ... Ich bin gerne gewandert. Irgendwie habe ich mir meinen Spaß selbst gemacht. Bin durch Unterholz gezogen, habe mir spannende Wege gesucht.
Viele, die als Kindern das Wandern hassten, tun es heute trotzdem. Woran liegt das?
Na ja, vielleicht weil sie gemerkt haben, dass ihre Eltern früher falsch gewandert sind. Ich höre ja oft solche Lamentos: jeden Tag endlos breite Asphaltwege und ähnliche schlimme Erfahrungen ...
Ihr jüngstes Buch heißt „Mit Kindern wandern“. Warum ist es wichtig, mit Kindern in die Natur hinauszugehen?
Es gibt da dieses norwegische Sprichwort: Ein Kind, das draußen ist, hat nie schlechte Laune. Beim Wandern ist man an der frischen Luft, bewegt sich, und alle in der Familie machen was zusammen. Dafür gibt es ja nur beschränkt Möglichkeiten. Natur macht Menschen gelassener und entspannter.
Gibt es eine Faustformel fürs Familien-Wanderglück?
Ganz bestimmt, meine persönliche Längenformel: Lebensalter der Kinder ist gleich maximale Streckenlänge, schmale Pfade statt breite Straßen, viel Wasser am We-
gesrand oder ein gutes Ziel wie eine Burg. Wichtig finde ich, man sollte nicht ins Blaue gehen, sondern vorbereitet losziehen.
Was kann man Kindern zutrauen?
Grundsätzlich rate ich zu eher kürzeren Wegen, um Kinder nicht zu überfordern. Kinder rennen ja hin und her und kommen so auf viel mehr Kilometer als die Erwachsenen. Trotzdem sollte man nie sagen, man geht spazieren. Im Wort Wandern steckt viel mehr Abenteuer. Ins Unterholz gehen, auf einem wackeligen Baum balancieren, ein geheimnisvoller Bach ... Oder eine
Wiese, über die Kinder einfach barfuß gehen können. Da braucht es eigentlich gar nichts Inszeniertes, und schon sind die Kinder dabei ...
Die Inszenierung von Natur nimmt immer mehr zu. Gut oder schlecht?
Ich finde das gut. Dadurch ist die Vielfalt größer. Der Wanderer ist autonomer in seiner Entscheidung. Mittlerweile gibt es viele Premiumund Qualitätswege. Da hat jemand die Inszenierung für mich übernommen, und ich kann mich darauf verlassen, dass da eben keine breiten Asphaltwege auf mich zukommen.
Was muss unbedingt in den Rucksack?
Ich rate ja dazu, einzukehren, das gehört zum Entdecken dazu, und vielleicht landet dann doch mal etwas auf den Tellern der Kinder, das sie vorher noch nicht kannten. Getränke, ein Apfel, Schokoriegel sind im Rucksack wichtig. Wanderkarte! Aber eigentlich so wenig möglich.
Also was das angeht, sind sie doch puristisch?
Andrack: Na ja, Sonnencreme, Mückenschutz ... Ein Paar Ersatzsocken und Blasenpflaster ... Eventuell Malzeug oder was zum Lesen für die Rast. Je mehr ich darüber nachdenke: Mit Kindern kommt doch immer viel zusammen.
Wandern, wandern, wandern... Mögen Ihre Kinder das, oder heißt es auch mal: Papa, komm lass’ stecken?
Andrack: Ja klar, heißt es das. Ich habe natürlich Kinder jedweden Alters. Die älteren wandern schon autonom. Die Jüngere war ja für das Buch mit ihren sechs Jahren auf allen 26 Touren dabei. Da gab es natürlich auch Tage, an denen sie weniger Lust hatte ...
Wie motivieren Sie Ihre Kinder?
Ich sage Ihnen meist nur, ich habe mir da was ausgedacht, vertraut mir, das wird gut!
Gibt es eine Lieblingstour?
Ja, tatsächlich: den Ausgangspunkt des Buches. Das Filetstück eines längeren Premiumwegs im Saarland hier. Den Oppig-GrätWeg, den ich mit meiner Tochter jetzt schon vier Mal gegangen bin ... Irgendwann hat sie auf der Tour gesagt: „Danke Papa, für den tollen Wanderweg.“Ein Moment, in dem das Herz des Wanderpapas, des Wandermeisters, froh war. Da wusste ich, dass Wandern mit Kindern mein nächstes Buchthema sein wird.
Sie sind Pate für neue Premuim-Wanderwege. Gibt es ein Qualitätskriterium für kindgerechte Wege?
Das ist eine gute Frage! Eigentlich müsste ich jetzt das „Andrack-Kinderwander-gut-Siegel“erfinden ... Es gibt in der Tat diverse Siegel, aber die schönsten Wege sind teilweise überhaupt nicht kindertauglich, einfach weil sie zu lang sind. Während Erwachsenen in der Natur, bei schönen Ausblicken das Herz aufgeht, interessieren sich Kinder definitiv für andere Sachen. Ausblicke finden sie total langweilig.
Was wollen Kinder?
Andrack: Kinder wollen Action!