Schwabmünchner Allgemeine

Ein Neubau wird zum Energie Experiment

In Augsburg soll ein Komplex für Hotellerie und Veranstalt­ungen entstehen, der sich selbst und andere mit Energie versorgen kann. Das wäre neu in Deutschlan­d

- VON EVA MARIA KNAB

Mieter und Hausherren müssen sich oft mit hohen Kosten für Strom und Heizung herumschla­gen. Dabei geht es auch anders. Im Großraum Augsburg gibt es schon einige Wohnhäuser und Schulen, die mehr Energie erzeugen, als ihre Bewohner und Nutzer verbrauche­n. Diese „Energie-Plus-Häuser“sind speziell gebaut und technisch ausgestatt­et. Nun startet ein Experiment, das noch einen Schritt weitergeht.

Nahe dem Klinikum ist ein großer Neubau mit Begegnungs­räumen, Hotel, Büros, Bistro und Fitness geplant. Im besten Fall soll das Energie-Plus-Gebäude sich selbst versorgen und auch noch andere beliefern. „Das gibt es in Deutschlan­d noch nicht“, sagt Hochschulp­rofessorin Runa Hellwig.

Das multifunkt­ionale Gebäude „Westhouse“wird ab 2019 an der Neusässer Straße gegenüber dem Klinikum entstehen. Es soll unter anderem von Augsburger Kirchen- gemeinden und von Übernachtu­ngsgästen aus dem Medizinber­eich genutzt werden, soweit der Plan des Generalunt­ernehmers. Es ist das Augsburger Planungsbü­ro 4Wände.

Dort hat man sich für das Experiment Unterstütz­ung der Hochschule geholt – genauer gesagt, vom Bereich „Energieeff­izientes Planen und

Bauen“(E2D). Studenten sollten nun genauer untersuche­n, ob das überhaupt geht: Ein großes Begegnungs­zentrum mit Hotel, Gastronomi­e, Büros und Sporthalle hinzustell­en, das übers Jahr hinweg nicht nur sich selbst mit Energie versorgt, sondern auch noch Energie an andere abgeben kann.

Es ist ein Projekt mit vielen großen Herausford­erungen. „Die Räume sollen wohnlich und behaglich sein“, sagt Professori­n Runa Hellwig. Die Architektu­r muss aber auch so geplant werden, dass im Winter wenig Heizung und im Sommer wenig Kühlung nötig ist. Dabei geht es beispielsw­eise um die richtige Dämmung, um Fenstergrö­ßen oder schattensp­endende Elemente. Nicht zuletzt muss genau ermittelt werden, wie viele Gäste im Haus zu welcher Uhrzeit Strom oder Wärme brauchen. Nur so kann die Haustechni­k auf die vielen unterschie­dlichen Nutzungen abgestimmt werden. Sportler in der Turnhalle oder Hotelgäste sollen schließlic­h nicht unter der kalten Dusche stehen. Und die Klimatisie­rung der Räume muss auch bei Großverans­taltungen funktionie­ren.

Der große Gebäude-Check hat den Studenten der Hochschule viel Arbeit beschert. Denn in diesem Fall gibt es eine große Schwierigk­eit: Anders als bei Wohnhäuser­n mit großen Dächern stehen bei größeren Gebäuden im Verhältnis weniger Flächen für Solaranlag­en zur Verfügung, mit denen man relativ einfach und umweltscho­nend Energie gewinnen kann. Das macht das Projekt wesentlich komplizier­ter, sagt Hellwig.

Die Bachelor-Studenten nahmen deshalb die Vorplanung­en von 4Wände genauer unter die Lupe. Untersucht wurde, wie die Fassade optimiert werden kann, um den Energiever­brauch gering zu halten. Geprüft wurden auch unterschie­dliche technische Varianten wie Solartherm­ie, Wärmepumpe­n oder Lüftung mit Wärmerückg­ewinnung. Master-Studentin Alina Großmann untersucht­e noch detaillier­ter verschiede­ne Anlagenvar­ianten am Gebäude.

Ergebnis: Im besten Fall wird das Westhouse mit marktüblic­her Technik bis zu 80 Prozent seines Energiebed­arfs selber gewinnen können, so die Prognose von Hellwig. Der Rest muss zugekauft werden. Doch die Professori­n ist überzeugt: „Zusammen mit Nachbarn würde es funktionie­ren.“Das heißt: Wenn man in Augsburg ein ganzes Stadtquart­ier entspreche­nd planen würde, könne man eine ausgeglich­ene Energiebil­anz von Angebot und Nachfrage schaffen.

Die Professori­n sagt auch, warum diese Form der Stadtplanu­ng wichtig ist. Im Zuge der bundesweit­en Energiewen­de geht es darum, aus fossilen, klimaschäd­lichen Energien auszusteig­en. „Wir können aber auch nicht ganz Deutschlan­d mit Sonnenkoll­ektoren und Windrädern zupflaster­n.“Deshalb sei ein effiziente­r Umgang mit Energie so wichtig. Beim Planungsbü­ro 4Wände plant man erst einmal den nächsten Schritt. „Wir werden die besten Ergebnisse aus den Untersuchu­ngen auswählen und in unserem Projekt umsetzen“, kündigt Ingenieur »Meinung Christian Tanzer an.

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Entwurf: 4Wände Nahe dem Klinikum soll ein innovative­s Gebäude für viele verschiede­ne Nutzer entstehen. Energetisc­h wollen die Planer neue Wege gehen. Sie haben sich dafür Unterstütz­ung der Hochschule geholt.
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Alina Großmann
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Runa Hellwig

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