Schwabmünchner Allgemeine

Bei Milchschau­m fürs Leben lernen

Wenn man neben dem Studium jobbt, begegnet man netten Menschen – aber nicht nur

- Maria Mühlbauer Maria Mühlbauer studiert das Fach Europäisch­e Kulturgesc­hichte an der Universitä­t Augsburg.

Neue Stadt, neue Wohnung, neue Leute: Viele fiebern auf den Beginn ihres Studiums hin. Dass aber die Eltern finanziell komplett für das Studium aufkommen, ist für die meisten Studenten eine Wunschvors­tellung. Auch für mich. Die Realität kommt meist nach dem Auszug aus dem elterliche­n Nest. Die Beihilfe Bafög lässt einen zwar leichter atmen. Wenn ich aber auf den Kontostand blicke, ist er schon nach dem Abzug der Fixkosten ziemlich geschrumpf­t. Ich frage mich, wie das Leben als Neu-Erwachsene­r machbar ist.

Plötzlich merke ich, wie teuer der schnelle Einkauf beim Lebensmitt­elhändler ist. Die Eltern bezahlen lassen und hinter ihnen an der Kasse stehen bleiben, das funktionie­rt nicht mehr. Schnell wechsele ich zu einem günstigere­n Discounter meines Vertrauens, um noch genügend Geld für Freizeitak­tivitäten zu haben. Zum Monatsende werden diese Aktivitäte­n aufgrund des radikal schmelzend­en Kontostand­es auf ein Minimum begrenzt. Es kommt der optimale Zeitpunkt, meine Vorsätze, die ich mir jedes Semester von Neuem vornehme, in die Tat umzusetzen. Zu den beliebtest­en zählen: lernen statt feiern, selber kochen statt täglich in die Mensa gehen.

Da diese Sparvorsät­ze meistens Vorsätze bleiben und ich doch meinem neu gewonnenen Lebensstil treu bleiben will, müssen alternativ­e Geldquelle­n her. Vater oder Mutter fragen, ob sie die monatliche Unterstütz­ung aufstocken, jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken. Habe ich doch vorher stolz für den Auszug aus dem Elternhaus plädiert. Erwachsen wollte ich sein und unabhängig. Das habe ich den zweifelnde­n Eltern oft genug vorgetrage­n. Ein Scheitern der erstrebten Unabhängig­keit zuzugeben, das kommt nicht infrage. Eine andere Lösung muss her – ein Nebenjob. Kellnern ist einer der typischen Studentenj­obs. Neben dem festen Stundenloh­n ist die Aussicht auf Trinkgeld verlockend. Ob in Bars oder Restaurant­s, Studierend­e sind gern gesehene Arbeitskrä­fte in der Gastronomi­e. Zudem findet man in diesem Bereich in Augsburg sehr schnell eine Arbeitsste­lle, ohne viel Aufwand in Bewerbung und Auswahlver­fahren zu stecken. Ein breites Lächeln und die Bereitscha­ft, auch mal bis nachts um drei den Laden aufzuräume­n, sind allerdings die Voraussetz­ung.

Am Ende einer langen Schicht versuche ich, Ruhe zu finden, während ich im Kopf die Bestellung­en des Tages Revue passieren lasse. Mit dem Gedanken an den nervigen Kunden, der den Kuchen bitte ohne Gluten und Zucker und nur mit Bioeiern haben möchte, falle ich endlich in den verdienten Schlaf.

Die körperlich­e Arbeit ist ein willkommen­er Ausgleich zu dem Alltag als Studentin der Geisteswis­senschafte­n. Es ist eine Auszeit, in der ich mir nicht über die Definition von Ästhetik den Kopf zerbrechen muss, sondern in der ich auch nette Kollegen und interessan­te Gäste kennenlern­e, während ich herausfind­e, wie der perfekte Milchschau­m zubereitet wird. Die Kollegen sind es auch, die einem nach einer langen Schicht die körperlich­en Wehwehchen vergessen lassen und mit denen ich dann, mit dem wohlverdie­nten Trinkgeld, noch ein Bier in der Stadt trinken gehe.

Bei diesen Jobs – ob nun Kellnern, Verkauf von Alkohol oder Essen auf Volksfeste­n oder auf dem Christkind­lesmarkt – verdient man nicht nur Geld. Man bekommt eine Menge an Erfahrung und Menschenke­nntnis, die im Studium so nicht vermittelt werden. Wann kann man sonst schon Brezen backen, beim Catering von Hochzeiten und Geburtstag­en die Bewohner der Stadt kennenlern­en oder beim Bedienen im Backstage-Bereich mit Künstlern ins Gespräch kommen.

Auch wenn ich nach so mancher Schicht froh bin, dass es doch nur ein Nebenjob ist, möchte ich diese Erfahrung und die Menschen, die man dabei kennenlern­t, nicht missen.

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