Bei Milchschaum fürs Leben lernen
Wenn man neben dem Studium jobbt, begegnet man netten Menschen – aber nicht nur
Neue Stadt, neue Wohnung, neue Leute: Viele fiebern auf den Beginn ihres Studiums hin. Dass aber die Eltern finanziell komplett für das Studium aufkommen, ist für die meisten Studenten eine Wunschvorstellung. Auch für mich. Die Realität kommt meist nach dem Auszug aus dem elterlichen Nest. Die Beihilfe Bafög lässt einen zwar leichter atmen. Wenn ich aber auf den Kontostand blicke, ist er schon nach dem Abzug der Fixkosten ziemlich geschrumpft. Ich frage mich, wie das Leben als Neu-Erwachsener machbar ist.
Plötzlich merke ich, wie teuer der schnelle Einkauf beim Lebensmittelhändler ist. Die Eltern bezahlen lassen und hinter ihnen an der Kasse stehen bleiben, das funktioniert nicht mehr. Schnell wechsele ich zu einem günstigeren Discounter meines Vertrauens, um noch genügend Geld für Freizeitaktivitäten zu haben. Zum Monatsende werden diese Aktivitäten aufgrund des radikal schmelzenden Kontostandes auf ein Minimum begrenzt. Es kommt der optimale Zeitpunkt, meine Vorsätze, die ich mir jedes Semester von Neuem vornehme, in die Tat umzusetzen. Zu den beliebtesten zählen: lernen statt feiern, selber kochen statt täglich in die Mensa gehen.
Da diese Sparvorsätze meistens Vorsätze bleiben und ich doch meinem neu gewonnenen Lebensstil treu bleiben will, müssen alternative Geldquellen her. Vater oder Mutter fragen, ob sie die monatliche Unterstützung aufstocken, jagt mir einen kalten Schauer über den Rücken. Habe ich doch vorher stolz für den Auszug aus dem Elternhaus plädiert. Erwachsen wollte ich sein und unabhängig. Das habe ich den zweifelnden Eltern oft genug vorgetragen. Ein Scheitern der erstrebten Unabhängigkeit zuzugeben, das kommt nicht infrage. Eine andere Lösung muss her – ein Nebenjob. Kellnern ist einer der typischen Studentenjobs. Neben dem festen Stundenlohn ist die Aussicht auf Trinkgeld verlockend. Ob in Bars oder Restaurants, Studierende sind gern gesehene Arbeitskräfte in der Gastronomie. Zudem findet man in diesem Bereich in Augsburg sehr schnell eine Arbeitsstelle, ohne viel Aufwand in Bewerbung und Auswahlverfahren zu stecken. Ein breites Lächeln und die Bereitschaft, auch mal bis nachts um drei den Laden aufzuräumen, sind allerdings die Voraussetzung.
Am Ende einer langen Schicht versuche ich, Ruhe zu finden, während ich im Kopf die Bestellungen des Tages Revue passieren lasse. Mit dem Gedanken an den nervigen Kunden, der den Kuchen bitte ohne Gluten und Zucker und nur mit Bioeiern haben möchte, falle ich endlich in den verdienten Schlaf.
Die körperliche Arbeit ist ein willkommener Ausgleich zu dem Alltag als Studentin der Geisteswissenschaften. Es ist eine Auszeit, in der ich mir nicht über die Definition von Ästhetik den Kopf zerbrechen muss, sondern in der ich auch nette Kollegen und interessante Gäste kennenlerne, während ich herausfinde, wie der perfekte Milchschaum zubereitet wird. Die Kollegen sind es auch, die einem nach einer langen Schicht die körperlichen Wehwehchen vergessen lassen und mit denen ich dann, mit dem wohlverdienten Trinkgeld, noch ein Bier in der Stadt trinken gehe.
Bei diesen Jobs – ob nun Kellnern, Verkauf von Alkohol oder Essen auf Volksfesten oder auf dem Christkindlesmarkt – verdient man nicht nur Geld. Man bekommt eine Menge an Erfahrung und Menschenkenntnis, die im Studium so nicht vermittelt werden. Wann kann man sonst schon Brezen backen, beim Catering von Hochzeiten und Geburtstagen die Bewohner der Stadt kennenlernen oder beim Bedienen im Backstage-Bereich mit Künstlern ins Gespräch kommen.
Auch wenn ich nach so mancher Schicht froh bin, dass es doch nur ein Nebenjob ist, möchte ich diese Erfahrung und die Menschen, die man dabei kennenlernt, nicht missen.