„Das Auto ist zur Belastung geworden“
Der renommierte Stadtplaner Oliver Seidel verfolgt aus Hannover die Augsburger Debatte. Von neuen Parkhäusern hält er nicht viel. Besser gefallen ihm sogenannte Mobilitäts-Hubs am City-Rand
Herr Seidel, als Diplom-Stadtplaner verfolgen Sie die Debatten um Mobilität und Luftreinhaltung in vielen deutschen Städten. Wie schaut Ihre Vision für die Mobilität der Zukunft aus?
Seidel: Grundsätzlich geht der Trend weg vom Auto und hin zu Mobilitätsdienstleistungen wie Carsharing. In einigen Jahren werden wir zudem überall multimodale Mobilitätssysteme haben, die wir mit einer Smartphone-App steuern. Das funktioniert so: Wir sagen der App, wo wir hinwollen, und die App bietet uns das vernünftigste Verkehrsmittel an. Zum Beispiel Carsharing, Leihfahrrad oder ÖPNV. Und auch die Abrechnung läuft dann ganz einfach über die App.
Auch in Augsburg wird über Mobilität und Luftreinhaltung diskutiert. Es geht um eine moderne neue Tiefgarage an einem zentralen Platz, der Fuggerstraße. Sie haben die Debatte aus der Ferne in Hannover verfolgt.
Seidel: Ja. Meine erste Reaktion war: Das ist die Bekämpfung von Symptomen. Mit einer Tiefgarage wird man nicht das Problem hoher Schadstoffwerte in der Stadtluft bekämpfen. Meine These: Wer Straßen baut, wird Verkehr ernten. Das gilt auch für Parkplätze.
Aber durch eine attraktive Tiefgarage und ein modernes Parkleitsystem wird doch zweifellos der Parkplatzsuchverkehr reduziert.
Seidel: Das stimmt. Aber der Suchverkehr ist nicht die Ursache des Problems. Die Ursache schlechter Luft ist, dass zu viele Menschen mit dem Auto in die Innenstadt fahren. Und das wird mit einem neuen Garagenangebot noch komfortabler. Außerdem: Was passiert denn mit einer Tiefgarage, wenn der motorisierte Individualverkehr sich tatsächlich in den nächsten Jahrzehnten zurückentwickelt? Dann gibt es ein Loch in der Erde, was dann nicht mehr genutzt werden kann. Ich denke, eine Tiefgarage ist kein Invest in die Zukunft.
Wie wäre es denn mit einer Garage der Zukunft, die viele Plätze mit Ladestationen für Elektroautos reserviert, einen Fahrradverleih und Carsharing anbietet?
Seidel: Natürlich. So ein MobilitätsHub wäre sinnvoll. Aber ich bin mir nicht sicher, ob das in eine Innenstadt gehört. Aber dafür kenne ich Augsburg nicht gut genug. Das müssten die lokalen Verkehrsplaner Es könnte vernünftig sein, mehrere solcher Hubs am CityRand zu verteilen – nach dem Prinzip der P+R-Parkplätze.
Man hat inzwischen das Gefühl, Autofahrer sind in Innenstädten einfach nicht mehr erwünscht.
Seidel: In dicht besiedelten Gebieten wie den Innenstädten ist das Auto zur Belastung geworden. Da müssen wir einfach andere Wege finden, um uns fortzubewegen. Im ländlichen Bereich aber bleibt das Auto natürlich enorm wichtig. Die Kunst ist es, beides zu verbinden.
Und dennoch sind autofreie Innenstädte eine Utopie.
Seidel: Eine Autofreiheit werden wir nicht hinbekommen, aber eine deutliche Reduzierung des Individualverkehrs wäre sinnvoll für die Lebensqualität und Gesundheit in den Innenstädten. Denken Sie nur an die enormen Flächengewinne, wenn Parkplätze wegfallen würden. Ein Auto wird in der Regel von 24 Stunden nur eine Stunde gefahren. Wenn wir die Stellplätze in der City reduzieren würden, könnten wir die Aufenthaltsqualität durch Entspannungs-, Spiel- und Sportflächen erhöhen.
Gibt es da schon Beispiele?
Seidel: In der dänischen Hauptstadt Kopenhagen hat die Stadt durch verschiedene Maßnahmen den Anteil des Fahrradverkehrs auf 50 Proprüfen. zent erhöht. Es ist viel mehr Lebensqualität entstanden. Es gibt mehr Grün, mehr Freiräume. Die Menschen leben gesünder, weil sie Fahrrad fahren.
Augsburg will die Fahrrad-Quote bis 2020 auf 25 Prozent erhöhen.
Seidel: Das ist immerhin ein Anfang.
Das Gespräch führte Jürgen Marks.
ist Stadt planer im Büro City förster architecture + ur banism. Es hat Stand orte in Berlin, Hamburg, Hannover, Oslo und Rotterdam.