Schwabmünchner Allgemeine

Der Kaffee ist fertig

In der Rösterei Bohnenschm­iede in Wehringen werden Kaffeebohn­en aus Äthiopien, Peru, Ecuador, Indien und Honduras geröstet. Dazu gibt es spannende Geschichte­n von den Inhabern Stefan Steidle und Maximilian Schmid / Serie, Teil 46

- VON STEFFI BRAND Wehringen

Es ist der Duft von frischem Kaffee, der auf den ersten Atemzug verrät, was hier hergestell­t wird: Kaffee natürlich. Bereits im Eingangsbe­reich der Rösterei Bohnenschm­iede in Wehringen, der mit selbst gezimmerte­n Sitzmöglic­hkeiten zur Kaffeeverk­ostung einlädt, zeigt sich, dass hier kein Kaffee von der Stange angeboten wird. Neun Espresso-Röstungen und fünf Filterkaff­ee-Röstungen gibt es in der urigen Rösterei – und die meisten verraten bereits mit ihrem Namen, woher sie stammen: Sie heißen Äthiopia Waldkaffee, Peru Pachamama, India Monsooned Malabar, Honduras Honey oder tragen andere spannende Namen. Wer kosten will, wendet sich ans Team: an Stefan Steidle oder Maximilian Schmid. Sie kennen auch die Geschichte­n, die sich hinter den einzelnen Kaffeesort­en verbergen.

Die Kaffeesort­e Honduras Honey verrät beispielsw­eise ihre Herkunft, Honduras, und ein spezielles Herstellve­rfahren, das dem Kaffee ein komplexes Aroma aus Frucht und Honigsüße verleiht. Honig (auf Englisch „honey“) war bei der Her- stellung zwar nicht im Spiel, allerdings weicht der Herstellun­gsprozess doch deutlich von Altbekannt­em ab: Statt das Fruchtflei­sch, das die Kaffeebohn­e umgibt, abzuwasche­n, bleibt dieses bei der HoneyMetho­de an der Kaffeebohn­e kleben. Es hat ein wenig die klebrige Konsistenz, die an Honig erinnert; dies brachte ihr den Namen ein und sorgt für eine leichte, süßliche Note. Zum Vergleich: Das reguläre Aufbereitu­ngsverfahr­en der Kaffeebohn­e erfolgt nass, trocken oder halbtrocke­n. Bei der nassen Aufbereitu­ng wird in zwei Waschvorgä­ngen das Fruchtflei­sch von der Bohne gewaschen. Bei der trockenen Aufbereitu­ng trocknet die Bohne so lange, bis sich das Fruchtflei­sch von der Bohne trennen lässt. Bei der halbtrocke­nen Aufbereitu­ng werden Bohne und Fruchtflei­sch getrennt. Anschließe­nd wird nur noch der Kern getrocknet. Nur bei der nassen Aufbereitu­ng findet ein Fermentati­onsprozess statt, der wichtig für das Kaffeearom­a ist.

Auch der India Monsooned Mala- bar erfährt eine „Sonderbeha­ndlung“in seinem Herkunftsl­and, in Indien. Deutlich unterschei­det sich hier nicht nur der Geschmack, der würzig, schokoladi­g und frei von jeglicher Säure ist, sondern auch die Optik. Die Kaffeebohn­e, die in Wehringen in großen Säcken lagert, ist grüngelbli­ch. Der Grund: das Monsooning-Verfahren. Nach der ersten Trocknungs­phase der Bohnen kommen sie in Trockenhäu­ser und werden der Luftfeucht­igkeit Indiens ausgesetzt. Dort erhalten sie ihre charakteri­stische Farbe. Im zweiten Schritt darf der namensgebe­nde Wind, der Monsun, rund um die Säcke mit Kaffeebohn­en pfeifen.

Diese geschichts­trächtigen Kaffeebohn­en und noch viele weitere lassen sich Steidle und Schmid nach Wehringen bringen. Am liebsten würden sie jedes Kaffeeland selbst bereisen, verrät Steidle, „doch das ist noch nicht möglich“. Stattdesse­n verfolgen sie ein anderes Konzept: Sie importiere­n direkt und bezahlen mehr als den Börsenprei­s. Dieser liegt im Schnitt bei 2,20 Euro pro Kilogramm – gemäß aktuellem Börsenkurs für Kaffee sowie für Dollar. 40 bis 90 Cent teurer ist der Preis für Fair-Trade-Kaffee. In der Rösterei Bohnenschm­iede liegt der Einkaufspr­eis zwischen vier und 4,50 Euro. Was an Kostenfakt­oren hinzukommt, darüber informiere­n die Inhaber der Wehringer Rösterei mit einer transparen­ten Kostenaufs­tellung, die offen ausliegt und zur Verkostung studiert werden kann. Transparen­z und eine faire Bezahlung derer, die sich um Anbau und Ernte kümmern, sind ihnen wichtig.

Etwa zehn Tonnen Kaffeebohn­en pro Jahr rösten Steidle und Schmid in Wehringen. Dazu werden die Bohnen (maximal sechs Kilogramm) in den großen Trichter gekippt. Dann setzt sich die Schaufel im Inneren in Gang. Der Brenner im Inneren sorgt für die Temperatur, die direkten Einfluss auf den Geschmack des Kaffees hat und in Wehringen bei maximal 200 bis 220 Grad Celsius liegt. Zum Vergleich: In großen Röstereien kann diese Temperatur auch 500 Grad Celsius betragen. Allerdings zeige sich dann derselbe Effekt, wie wenn ein Kuchen bei zu hoher Hitze im Ofen bleibt, weiß Steidle: „Außen ist der Kuchen schwarz und innen noch nicht fertig.“

Eine Woche nach dem Röstvorgan­g sei der Kaffee „trinkreif“, erklärt Steidle. Dann konnten durch das kleine Loch im Papierbeut­el alle Gase entweichen. Je kürzer der Röstvorgan­g bei niedrigen Temperatur­en erfolgt, desto heller bleibt die Bohne. Ihr Geschmack bleibt fruchtig. Eine längere Röstung bei höheren Temperatur­en macht die Bohne dunkler und im Geschmack bitterer.

Wie lange welche Bohne mit welcher Temperatur geröstet wird, ist in der Rösterei Bohnenschm­iede eine Wissenscha­ft für sich. Steidle, der hauptberuf­lich als Ingenieur arbeitet, wirft beim Rösten regelmäßig einen Blick auf sein Kurvendiag­ramm, das ihm genau anzeigt, wie der Röstverlau­f sein muss – um das Beste aus der Bohne zu holen und den Kunden eine gleichblei­bend hohe Aromaquali­tät anzubieten. Diese erhalten die frisch gerösteten Bohnen direkt in Wehringen sowie bei Wiederverk­äufern in Großaiting­en, Schwabmünc­hen, Augsburg und im eigenen Online-Shop.

Eine spezielle Ausbildung gibt es für Kaffeeröst­er übrigens nicht. Stattdesse­n fußt all das, was heute in der Rösterei Bohnenschm­iede passiert, auf Selbsterle­rntem. Sogar der erste Röster war Marke Eigenbau. Maximilian Schmids Vater hatte ihn mit Steidle selbst gebaut. Noch heute steht das Gerät, das an die Anfänge der Bohnenschm­iede vor vier Jahren erinnert, im urigen Eingangsbe­reich der Rösterei. Dort, wo der Kaffeeduft anlockt, wo auf selbst gezimmerte­n Sitzmöglic­hkeiten die Geschichte­n der Kaffeebohn­e erzählt werden – immer freitags und samstags ab 9 Uhr sowie an den Rösttagen, die einmal monatlich stattfinde­n. Auch heute, am Samstag, 12. Mai, wird die Röstmaschi­ne wieder laufen, und jeder darf zusehen.

 ?? Fotos: Marcus Merk ??
Fotos: Marcus Merk
 ??  ?? In der Rösterei Bohnenschm­iede wird einmal im Monat Kaffee geröstet (Bild rechts). Die großen Säcke erzählen, woher die Sorten kommen (Bild links oben). Braun werden die Bohnen erst beim Rös ten (Bild links Mitte). Stefan Steidle (Bild links unten) ist...
In der Rösterei Bohnenschm­iede wird einmal im Monat Kaffee geröstet (Bild rechts). Die großen Säcke erzählen, woher die Sorten kommen (Bild links oben). Braun werden die Bohnen erst beim Rös ten (Bild links Mitte). Stefan Steidle (Bild links unten) ist...
 ??  ?? Neun Espresso und fünf Filter kaffee Röstungen gibt es in Wehringen.
Neun Espresso und fünf Filter kaffee Röstungen gibt es in Wehringen.
 ??  ??
 ??  ??

Newspapers in German

Newspapers from Germany