Die Frage der Woche Manuel Neuer mit zur WM?
Die Frage ließe sich einfach pragmatisch beantworten: Nehmt ihn halt mit, dann ist eine Ruhe. Ob im zweiten Reservereifen von links Luft ist, ist doch bei so einem so gut aufgepumpten WM-Flitzer wie der deutschen Nationalelf völlig unerheblich. Wenn Jogi Löw drei Torhüter nominiert, von denen nach aller Erfahrung sowieso nur höchstens zwei gebraucht werden, dann könnte der dritte doch getrost Manuel Neuer sein. Schöne Geste, hat er verdient, er muss ja gar nicht spielen, aber vielleicht bringt er was für den Spirit und so. Seine Erfahrung schadet nichts und der gibt doch auch Sicherheit, wenn er bloß als Maskottchen mit Handschuhen auf der Bank sitzt und beim Warmmachen ein bisschen die Hände ausfährt…
Aber diese gönnerhafte Haltung ist ein bisschen billig. Es gibt andere Gründe, warum es nicht nur nobel, sondern auch angemessen wäre, die WM mit Neuer anzugehen. Er selbst sagt, er traue sich die Rückkehr zu. Es wäre ein Zeichen an Spieler und Fans, dass die Nationalmannschaft nicht nur die atavistische Addition von guten Lactatwerten, Torjägerquoten und Strichen auf dem Spielpraxisbogen ist. Ein Team, das mehr verkörpern soll, braucht genau solche Entscheidungen wie die, auf Manuel Neuer nicht nur nicht zu verzichten, sondern offensiv auf ihn zu setzen. Vertrauen ist ein entscheidender Antrieb. Neuer in einem der Gruppenspiele aufzustellen, könnte ein Signal an die Konkurrenz sein – wir glauben an unsere Stärke und haben das Zutrauen, auch schwierige Situationen gemeinsam zu meistern. Würden dann auch noch jene Torhüter sich für Neuers WM-Teilnahme aussprechen, denen er vielleicht einen Platz wegschnappt, könnte das jenen „Spirit“entzünden, ohne den du im Mannschaftssport Fußball kaum ins Endspiel kommst.
Manuel Neuer hat viel für die Nationalmannschaft getan, das steht außer Frage. Aber im Lauf seiner Karriere hat seine Gesundheit massiv gelitten. Alleine im vergangenen Jahr hat er sich drei Mal den Mittelfußknochen gebrochen. Und seine Krankheitsgeschichte reicht noch weiter zurück – schon vor zehn Jahren musste er mit gebrochenem Fuß Spiele von der Tribüne aus verfolgen.
Seit dem letzten Bruch sind inzwischen einige Monate vergangen. Fit ist Neuer aber noch nicht. Gut sieben Monate lang stand Neuer bei keinem Spiel mehr im Tor, auch bei den kommenden Partien gegen Stuttgart und Frankfurt kommt er nicht zum Einsatz. Dem Torhüter fehlt demnach Spielpraxis. Und die Trainingseinheiten alleine, die er seit April wieder absolviert hat, dürften ihn nur bedingt auf einen WM-Einsatz vorbereitet haben. Neuers gebrochener Fuß ist inzwischen verheilt, von seiner vollen Leistungsfähigkeit ist der Torwart aber noch weit entfernt. Das betrifft nicht nur seinen Körper – auch das Selbstvertrauen und die ruhige Konzentration eines Torhüters müssen trainiert werden.
Neuer sollte auf die Signale hören, die sein Körper ihm sendet. Wer sich in seinem Leben schon so oft den Mittelfußknochen gebrochen hat, der hat offensichtlich eine gesundheitliche Schwachstelle. Durch große Willenskraft und exzessives Training hat sich der Torhüter immer wieder in Form gebracht. Doch irgendwann wird der Schaden an seinem Körper irreparabel. Zumindest dann, wenn er sich nicht ausreichend Ruhe gönnt. Wenigstens die Zeit während der WM sollte er sich dafür noch nehmen. Deutschland kann mit Marc-André ter Stegen einen erstklassigen Torhüter ins Feld führen. Und Neuer hat sich seine Pause auf jeden Fall verdient.