Ein Halt in einer als haltlos erlebten Umgebung
Das System Teacch wird an der Brunnenschule als Hilfsmittel für autistische Kinder eingesetzt. Was es bewirkt
Stefan ist Erstklässler mit frühkindlichem Autismus. Jeden Morgen kommt er mit dem Bus am Königsbrunner Förderzentrum Brunnenschule an. Er geht zu seiner Klasse, trifft dort seine Mitschüler und begrüßt diese. Er sucht seinen Platz zum Aufhängen der Jacke und zum Abstellen der Schuhe und geht ins Klassenzimmer. So sollte es zumindest sein. Für Stefan sind diese vielen Anforderungen und Schritte eine große Herausforderung. Sie überfordern ihn oft. Er kann sich nicht merken, in welcher Reihenfolge er was erledigen soll.
Schüler wie Stefan geraten dann in Konflikte, wenn etwas für sie Unerwartetes ihren normalen Ablauf stört, sagt Sonderschulrektor Timm Hasselmeyer. Konfliktlösung und damit Erleichterung für den Tagesablauf kann ihm das Unterstützungssystem „Teacch“bieten, das 2018 an der Brunnenschule intensiver eingesetzt wird. Teacch steht für die englische Abkürzung von „Behandlung und pädagogische Förderung autistischer und in ähnlicher Weise kommunikationsbehinderter Kinder“. Die einzelnen Ablaufschritte von Stefans allmorgendlichem Programm werden auf Bildkarten veranschaulicht. Stefan erhält eine Art Teppichfliese, auf der diese Symbolkarten kleben und arbeitet sie eine nach der anderen ab. Wenn er eine Aufgabe erledigt hat, darf er die entsprechende Bildkarte entfernen. So weiß er jederzeit, was er gerade zu erledigen hat. Er verspürt die Sicherheit, durch die ganze Phase geleitet zu werden. Er muss bei Unvorhergesehenem nicht mehr nervös werden.
Der Wunsch des Schulleiters ist, dass der schulische Alltag aller betroffenen Schüler durch die Intensivierung des Unterstützungssystems zusätzlich erleichtert wird und die Schüler dadurch gestärkt werden: „Teacch beinhaltet eine zusätzliche Strukturierung von unter anderem Raum, Zeit, Handlungen, Instruktionen und Material. Dadurch geben wir unseren Schülerinnen und Schülern mehr Halt und Sicherheit im schulischen Alltag“, sagt Hasselmeyer. Der Pädagoge erwartet, dass neben Kindern und Jugendlichen aus dem autistischen Spektrum auch solche mit erhöhtem Förderbedarf in der emotionalen und sozialen Entwicklung profitieren.
Teacch hat zum Ziel, Komplexität zu reduzieren und den Schülern damit zu ermöglichen, sich auf das für sie Wesentliche zu fokussieren, sagt Stefanie Dietrich, Leiterin der benachbarten Heilpädagogischen Tagesstätte. Auch in ihrer Einrichtung wird das System nach der Schule eingesetzt: „Das Projekt bietet einen zusätzlichen Halt in einer als haltlos erlebten Umgebung.“
Brunnenschule und Tagesstätte der Lebenshilfe Augsburg stehen seit jeher für hohe Fachkompetenz und Erfahrung in der Förderung von nicht- oder kaum sprechenden Kindern und Jugendlichen. Teacch kommt deshalb auch älteren Schülern wie Andreas zugute. Anderen seine Wünsche und Empfindungen mitzuteilen, fällt ihm schwer. Er hat eine Störung aus dem autistischen Spektrum, kann sich kaum sprachlich ausdrücken. Deshalb wird er unter anderem durch Unterstützte Kommunikation gefördert. Wenn er seinen Talker (eine Art TabletComputer) in die Hand nehmen kann, dann wird er „gesprächig“. Dann drückt er ein SymbolbildFeld nach dem anderen und lässt so seine Umwelt wissen, was ihn gerade beschäftigt.
Wie er nutzen viele weitere Schüler Sprachgeräte oder Apps für Unterstützte Kommunikation, die auf zahlreichen iPads in den Schulklassen verfügbar sind. Ein weiteres Beispiel, mit welch modernen Hilfsmitteln im Schulunterricht pädagogisch und didaktisch gearbeitet wird. Unterstützung bei der Umsetzung dieses Vorhabens erfährt die Brunnenschule von der Stiftung Lebenshilfe Augsburg, die in diesem Jahr 20 Jahre alt wird. Bis zum Ende des Jahres hat sie sich zum Ziel gesetzt, das „Teacch-Jahr“mit 20 000 Euro (für 20 Stiftungsjahre) zu unterstützen. Timm Hasselmeyer: „Für das Gesamtjahr benötigen wir entsprechende Materialien, mit denen wir unsere Schüler fachlich fundiert und umfassend fördern können. Genauso bedarf es aber auch einer räumlichen Ausstattung und einer weitreichenderen Fortbildung unseres Personals.“Dazu ist das Förderzentrum auch auf Spenden angewiesen.
Ofür das Projekt kann man an das: Spendenkonto Stiftung Lebenshil fe Augsburg IBAN DE06 7205 0000 0000 0182 18 BIC AUGSDE77; Ver wendungszweck: TEACCH Projekt