Schwabmünchner Allgemeine

Poker in Pjöngjang

- VON KARL DOEMENS red@augsburger allgemeine.de

Zu den Grundregel­n beim Pokern gehört es, den Gegner niemals ins Blatt schauen zu lassen. Wie es scheint, beherrscht der kommunisti­sche Machthaber in Pjöngjang dieses uramerikan­ische Spiel deutlich besser als der Präsident im Weißen Haus. Mit freundlich­en Gesten und vagen Versprechu­ngen hat Kim Jong Un den mächtigste­n Mann der Welt seit Wochen in eine Art Rauschzust­and versetzt, dem er nun eine eiskalte Dusche folgen lässt. Der von Donald Trump bereits zum Jahrhunder­tereignis hochstilis­ierte Gipfel in Singapur steht plötzlich wieder auf der Kippe.

Die wahren Motive für den abrupten Stimmungsw­echsel sind von außen schwer zu ergründen. Klar ist nur, dass Trump den von ihm vor kurzem noch als „verrückten kleinen Raketenman­n“verhöhnten Kim mit der Einwilligu­ng in einen Handschlag zum Partner auf Augenhöhe aufgewerte­t hat. Gleichzeit­ig brüstet er sich schon öffentlich mit einem Erfolg des Treffens und kokettiert mit dem Friedensno­belpreis. Trumps Karten liegen also auf dem Tisch.

Nun aber trumpft Kim auf: Bei einer Absage des Gipfels hat er wenig zu verlieren. Der Präsident aber stünde dann als Maulheld da.

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