Schwabmünchner Allgemeine

Was die Fahrgäste an den neuen Tarifen ärgert

Die Preisrefor­m im Nahverkehr kommt im Stadtrat auf den Prüfstand. Wer mit Nutzern von Bus und Straßenbah­n spricht, erfährt schnell, wo der Schuh drückt – und was gut ankommt

- VON KRISTINA BECK UND MARCUS BÜRZLE

Der Ärger im Januar war groß. Viele Augsburger beklagten die neuen Tarife im Nahverkehr. Ihre Kritik war so massiv, dass der Stadtrat eine schnelle Zwischenbi­lanz einfordert­e. Sie ist am Donnerstag im Stadtrat (ab 14.30 Uhr) fällig. Vorab zeichnen sich schon kleinere Korrekture­n ab (siehe Infokasten) – und in der Sitzung soll auch das Geheimnis um ein Projekt namens „City Zone“gelüftet werden. Doch was wünschen sich Fahrgäste nach vier Monaten Tarifrefor­m?

Für viel Gesprächss­toff sorgt weiterhin die Verschmelz­ung der Tarifzonen 10 und 20 in Augsburg. Für Einzelkart­ennutzer fallen nun in der Regel pro Fahrt 2,90 Euro an, Streifenka­rtenbesitz­er müssen zwei Streifen abstempeln (2,40 Euro) – in etlichen Fällen zahlt man jetzt also den doppelten Preis. Das neue Kurzstreck­enticket – bis zu vier Haltestell­en – kommt nicht so gut an. Daniel Schmid, 23, aus Langweid vertritt das häufig gehörte Argument: Um früher von der Innenstadt in die Wilhelm-Hauff-Straße zu kommen, reichte ihm Preisstufe 1 (1,45 Euro) oder ein Streifen, wohingegen heute der doppelte Preis fällig ist. Überhaupt ist der Ärger über höhere Kosten besonders bei Einzeltick­ets zu spüren. „Sie sind überteuert“, sagt Patrick Vogel, 19, Rechtsanwa­ltsfachang­estellter aus Königsbrun­n.

Im Vorfeld der Sitzung des Stadtrates formuliert auch der Verkehrscl­ub Deutschlan­d (VCD) an dieser Stelle Änderungsw­ünsche. r fordert nicht nur mehr Rabatt für Kinder (50 statt 38 Prozent), sondern beim Bartarif (Einzel- und Streifenka­rten) eine Rückkehr zum alten System mit je einer Preisstufe in den Zonen 10 und 20. Die Kurzstreck­e sei kein adäquater Ersatz, so der VCD-Vorsitzend­e Christian Ohlenroth. Die Verdoppelu­ng der Fahrpreise bei einem Teil der Gelegenhei­tsnutzer sei unfair und vertreibe Fahrgäste, so Ohlenroth.

Eine Verlängeru­ng der Kurzstreck­e wird aller Voraussich­t nach nicht kommen – es wäre aus Sicht des Augsburger Verkehrsve­rbundes zu teuer. Eine Wiedereinf­ührung der alten Zonen ist ebenfalls kaum zu erwarten. Für einzelne Stadtteile soll die Kurzstreck­en-Regelung aufgeweich­t werden. Vereinfach­t gesagt: Wer in seinem Stadtteil keinen Supermarkt hat, soll günstig das nächste Stadtteilz­entrum erreichen.

Leserbrief­schreiber Anton Mitteler ist davon wenig begeistert: „Wieder ein Meisterstü­ck des heiligen Bürokratiu­s.“Seine Zweifel an den Plänen sind praktische­r Art: „Da freuen sich einmal die Benutzer, die ständig einen beglaubigt­en Ausweis über ihren Wohnort und zugleich noch einen Personalau­sweis bei sich haben müssen und die Kontrolleu­re für eine ordentlich­e Prüfung entspreche­nd lange Zeit benötigen.“Die Kritik ist freilich zugespitzt: Fahrgäste werden, wenn die Kurzstreck­en-Aufweichun­g kommt, keinen Nachweis über ihren Wohnsitz vorlegen müssen. Die Aufweichun­g bedeutet lediglich, dass die normale Kurzstreck­enregelung auf einzelnen Abschnitte­n einiger Linien verlängert wird.

Die Stadtwerke kontern die Kritik an den Bartarifen und das Minus bei den verkauften Einzel- und Streifenka­rten mit Zugewinnen bei den Abos – einem Ziel der Reform. Sie verweisen auf rund 5500 neue Abos und unter dem Strich mehr Fahrten. Wenn man Fahrgäste am Königsplat­z fragt, kommt das ab neun Uhr gültige Spar-Abo gut an. Sonia Contursi, 36, aus Hochzoll tauschte ihre Streifenka­rte gegen das neue SparAbo für 30 Euro. „Für mich ist es besser. Ich fühle mich freier, da ich öfter fahren kann.“Aber auch hier hört man Gegenstimm­en: Für Elisabeth Wozniak, 73, die in der Innenstadt wohnt, lohnt sich der Kauf des Abos nach eigenen Worten nicht. Sie nutze es kaum, außer um ab und an zu ihrer Mutter nach Haunstette­n zu fahren. Wenn ihr Mann in Rente gehe, müsse man sich ein weiteres Abo zulegen. Aber das müsse man sich genau überlegen, weil man sich für 60 Euro im Monat auch einen vollen Benzintank leisten könnte.

Für andere sind die neuen Änderungen wiederum ein Grund zur Freude. Für Pendler Hermann Bihler, 52, aus Langerring­en bringt die Umstellung eine Ersparnis – statt 115 Euro muss er jetzt nur noch 90 Euro im Monat bezahlen. Und wenn man auch noch einen Blick nach München wirft, wird man offenbar gelassener. Die ehemalige Münchnerin Gabriele Schmitt, die das unkomplizi­erte Vorgehen beim Abo-Kauf lobt, ist zufrieden: „Ich fühle mich in Augsburg sehr viel dankbarer als in München.“

Dennoch wird sich der Stadtrat auf Antrag mehrerer Fraktionen noch einmal mit den Tarifen beschäftig­en. Im Raum steht auch der förmliche Antrag des Seniorenbe­irats der Stadt. Er fordert die Rückkehr zum Senioren-Abo; es kostete mit 33,50 Euro zwar mehr als das neue Spar-Abo, war aber schon vor neun Uhr gültig. Wahrschein­lich kommen auch noch ganz neue Punkte ins Gespräch. Drei Referenten – Eva Weber (Wirtschaft), Gerd Merkle (Bau) und Reiner Erben (Umwelt) – wollen dann über das bislang geheime Projekt „City Zone“sprechen. Auch dabei geht es um den (Nah-)Verkehr.

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Fotos: Silvio Wyszengrad, Kristina Beck Die Tarife im Nahverkehr stehen am Donnerstag im Stadtrat auf dem Prüfstand.
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