Was die Fahrgäste an den neuen Tarifen ärgert
Die Preisreform im Nahverkehr kommt im Stadtrat auf den Prüfstand. Wer mit Nutzern von Bus und Straßenbahn spricht, erfährt schnell, wo der Schuh drückt – und was gut ankommt
Der Ärger im Januar war groß. Viele Augsburger beklagten die neuen Tarife im Nahverkehr. Ihre Kritik war so massiv, dass der Stadtrat eine schnelle Zwischenbilanz einforderte. Sie ist am Donnerstag im Stadtrat (ab 14.30 Uhr) fällig. Vorab zeichnen sich schon kleinere Korrekturen ab (siehe Infokasten) – und in der Sitzung soll auch das Geheimnis um ein Projekt namens „City Zone“gelüftet werden. Doch was wünschen sich Fahrgäste nach vier Monaten Tarifreform?
Für viel Gesprächsstoff sorgt weiterhin die Verschmelzung der Tarifzonen 10 und 20 in Augsburg. Für Einzelkartennutzer fallen nun in der Regel pro Fahrt 2,90 Euro an, Streifenkartenbesitzer müssen zwei Streifen abstempeln (2,40 Euro) – in etlichen Fällen zahlt man jetzt also den doppelten Preis. Das neue Kurzstreckenticket – bis zu vier Haltestellen – kommt nicht so gut an. Daniel Schmid, 23, aus Langweid vertritt das häufig gehörte Argument: Um früher von der Innenstadt in die Wilhelm-Hauff-Straße zu kommen, reichte ihm Preisstufe 1 (1,45 Euro) oder ein Streifen, wohingegen heute der doppelte Preis fällig ist. Überhaupt ist der Ärger über höhere Kosten besonders bei Einzeltickets zu spüren. „Sie sind überteuert“, sagt Patrick Vogel, 19, Rechtsanwaltsfachangestellter aus Königsbrunn.
Im Vorfeld der Sitzung des Stadtrates formuliert auch der Verkehrsclub Deutschland (VCD) an dieser Stelle Änderungswünsche. r fordert nicht nur mehr Rabatt für Kinder (50 statt 38 Prozent), sondern beim Bartarif (Einzel- und Streifenkarten) eine Rückkehr zum alten System mit je einer Preisstufe in den Zonen 10 und 20. Die Kurzstrecke sei kein adäquater Ersatz, so der VCD-Vorsitzende Christian Ohlenroth. Die Verdoppelung der Fahrpreise bei einem Teil der Gelegenheitsnutzer sei unfair und vertreibe Fahrgäste, so Ohlenroth.
Eine Verlängerung der Kurzstrecke wird aller Voraussicht nach nicht kommen – es wäre aus Sicht des Augsburger Verkehrsverbundes zu teuer. Eine Wiedereinführung der alten Zonen ist ebenfalls kaum zu erwarten. Für einzelne Stadtteile soll die Kurzstrecken-Regelung aufgeweicht werden. Vereinfacht gesagt: Wer in seinem Stadtteil keinen Supermarkt hat, soll günstig das nächste Stadtteilzentrum erreichen.
Leserbriefschreiber Anton Mitteler ist davon wenig begeistert: „Wieder ein Meisterstück des heiligen Bürokratius.“Seine Zweifel an den Plänen sind praktischer Art: „Da freuen sich einmal die Benutzer, die ständig einen beglaubigten Ausweis über ihren Wohnort und zugleich noch einen Personalausweis bei sich haben müssen und die Kontrolleure für eine ordentliche Prüfung entsprechend lange Zeit benötigen.“Die Kritik ist freilich zugespitzt: Fahrgäste werden, wenn die Kurzstrecken-Aufweichung kommt, keinen Nachweis über ihren Wohnsitz vorlegen müssen. Die Aufweichung bedeutet lediglich, dass die normale Kurzstreckenregelung auf einzelnen Abschnitten einiger Linien verlängert wird.
Die Stadtwerke kontern die Kritik an den Bartarifen und das Minus bei den verkauften Einzel- und Streifenkarten mit Zugewinnen bei den Abos – einem Ziel der Reform. Sie verweisen auf rund 5500 neue Abos und unter dem Strich mehr Fahrten. Wenn man Fahrgäste am Königsplatz fragt, kommt das ab neun Uhr gültige Spar-Abo gut an. Sonia Contursi, 36, aus Hochzoll tauschte ihre Streifenkarte gegen das neue SparAbo für 30 Euro. „Für mich ist es besser. Ich fühle mich freier, da ich öfter fahren kann.“Aber auch hier hört man Gegenstimmen: Für Elisabeth Wozniak, 73, die in der Innenstadt wohnt, lohnt sich der Kauf des Abos nach eigenen Worten nicht. Sie nutze es kaum, außer um ab und an zu ihrer Mutter nach Haunstetten zu fahren. Wenn ihr Mann in Rente gehe, müsse man sich ein weiteres Abo zulegen. Aber das müsse man sich genau überlegen, weil man sich für 60 Euro im Monat auch einen vollen Benzintank leisten könnte.
Für andere sind die neuen Änderungen wiederum ein Grund zur Freude. Für Pendler Hermann Bihler, 52, aus Langerringen bringt die Umstellung eine Ersparnis – statt 115 Euro muss er jetzt nur noch 90 Euro im Monat bezahlen. Und wenn man auch noch einen Blick nach München wirft, wird man offenbar gelassener. Die ehemalige Münchnerin Gabriele Schmitt, die das unkomplizierte Vorgehen beim Abo-Kauf lobt, ist zufrieden: „Ich fühle mich in Augsburg sehr viel dankbarer als in München.“
Dennoch wird sich der Stadtrat auf Antrag mehrerer Fraktionen noch einmal mit den Tarifen beschäftigen. Im Raum steht auch der förmliche Antrag des Seniorenbeirats der Stadt. Er fordert die Rückkehr zum Senioren-Abo; es kostete mit 33,50 Euro zwar mehr als das neue Spar-Abo, war aber schon vor neun Uhr gültig. Wahrscheinlich kommen auch noch ganz neue Punkte ins Gespräch. Drei Referenten – Eva Weber (Wirtschaft), Gerd Merkle (Bau) und Reiner Erben (Umwelt) – wollen dann über das bislang geheime Projekt „City Zone“sprechen. Auch dabei geht es um den (Nah-)Verkehr.