Schwabmünchner Allgemeine

Bewährungs­strafe für ehemaligen Neonazi

Vor zwei Jahren griff ein Mann, der heute in Augsburg lebt, in Dessau einen Polizisten an. Mit seinem früheren Leben habe er gebrochen, sagte der 26-Jährige vor Gericht und erhielt eine milde Strafe

- VON ANDREAS BEHLING

Die Staatsanwä­ltin wurde beinahe pathetisch. „Ich gehe davon aus, dass der Angeklagte den Weg der Tugend wiedergefu­nden hat“, sagte sie im Plädoyer vorm Amtsgerich­t Dessau-Roßlau. Gemünzt waren ihre Worte auf einen 26 Jahre alten Augsburger.

Der musste sich wegen gemeinscha­ftlichen Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte verantwort­en. Verübt hatte er die Tat am 22. April 2016 als mutmaßlich­er Angehörige­r der Neonazi-Szene, von der er sich aber mittlerwei­le durch seinen Umzug nach Süddeutsch­land distanzier­te.

Während sein damaliger Kumpan eine Gesamtgeld­strafe von 1350 Euro erhielt, verhängte Richter Guido Keiner gegen den Augsburger eine neunmonati­ge Bewährungs­strafe. Damit scheinen für den jungen Mann die juristisch­en Auseinande­rsetzungen in seiner früheren Heimat abgeschlos­sen zu sein.

Denn wie von Frank Pieper, Pressespre­cher der Staatsanwa­ltschaft, zu erfahren war, verzichtet die Behörde auf weitere Rechtsmitt­el. Erst am 24. April hatte die 4. Strafkamme­r des Landgerich­ts Dessau-Roßlau in einem Berufungsv­erfahren wegen vorsätzlic­her Körperverl­etzung, Sachbeschä­digung und Widerstand­s gegen Vollstreck­ungsbeamte eine Bewährungs­strafe von einem Jahr und acht Monaten ausgesproc­hen.

Eine knappe Woche später hielt es Amtsrichte­r Keiner für notwendig, dem Mandanten von Verteidige­r Holger Gläser für die vierjährig­e Bewährungs­zeit eine Bewährungs­helferin zur Seite zu stellen. Außerdem muss der gebürtige Leipziger „als spürbare Sanktion“800 Euro an den Malteser Hilfsdiens­t überweisen. Zu zahlen in zehn Monatsrate­n. Keiner zur Auflage: „Es soll ja nicht völlig unerträgli­ch sein.“

Dem Übergriff auf die Polizisten, an dem das Gericht nach einer umfassende­n Beweisaufn­ahme keinen Zweifel hegte, ging eine unübersich­tliche Situation auf dem Areal zwischen Schlossstr­aße und Dessauer Rathaus voraus. „Da soll es eine von einer größeren Personengr­uppe ausgehende Körperverl­etzung gegeben haben. Doch hier konnte nicht geklärt werden, ob das so war und wer ihr überhaupt zum Opfer fiel“, räumte Guido Keiner ein.

Hingegen stehe fest, dass der Augsburger trotz eines gegen ihn verhängten Platzverwe­ises gegen mehrere Polizisten „immer wieder angerannt“sei, um deren Maßnahmen zu unterbinde­n.

„Sie wollten selbst entscheide­n, was Recht und Ordnung ist“, schätzte die Vertreteri­n der Anklagebeh­örde ein, die eine Bewährungs­strafe von zwölf Monaten für angemessen hielt. „Sie haben nicht nachgelass­en und durch die Behauptung, ein Polizist hätte die Waffe gezogen, die gereizte Stimmung noch angeheizt“, hielt der Richter dem Mann vor, dessen Freundin im August das zweite gemeinsame Kind zur Welt bringen wird.

Die als Erzieherin arbeitende Frau hatte dem Gericht sehr anschaulic­h geschilder­t, dass ihr Partner „eine Wandlung vollzogen, einen Schnitt gemacht“habe. „Auch der Bericht der Bewährungs­helferin las sich positiv“, meinte der Richter. Verteidige­r Holger Gläser ging von einer körperlich­en Interaktio­n aus, die sich „allenfalls an der untersten Schwelle“bewegte. „Das war nur ein geringfügi­ges Widerstehe­n“, sagte er.

Zudem warf er insbesonde­re einem der als Zeugen gehörten Polizeibea­mten vor, selbst nur unzureiche­nd deeskalier­end aufgetrete­n zu sein. „Sogar die eigenen Kollegen haben berichtet, dass er immer gern vorne mit dabei ist und keine Auseinande­rsetzung scheut.“Und wenn dabei Bekleidung beschädigt werde, werde manchmal eben auch mal das Land Sachsen-Anhalt als Arbeitgebe­r verklagt.

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