Schwabmünchner Allgemeine

Das Frundsberg­fest als Forschungs­objekt

Die Dirlewange­r Studentin Sophie Flickschuh schreibt ihre Abschlussa­rbeit über das historisch­e Mindelheim­er Fest. Auf eine ihrer Fragen gaben alle Interviewp­artner dieselbe Antwort

- VON MELANIE LIPPL

Schon immer hat die Dirlewange­rin Sophie Flickschuh gerne das Frundsberg­fest in Mindelheim besucht, doch in diesem Jahr wird sie es mit anderen Augen sehen. Die 23-jährige Studentin schreibt derzeit ihre Bachelor-Abschlussa­rbeit. Ihr Thema: Das Frundsberg­fest und warum so viele Menschen dabei mitmachen.

Sophie Flickschuh studiert

Kunst- und Kulturgesc­hichte an der Universitä­t Augsburg und arbeitet als studentisc­he Hilfskraft am Lehrstuhl für Europäisch­e Ethnologie und Volkskunde. Sie selbst konnte sich lange nicht für ein Thema für ihre Abschlussa­rbeit entscheide­n – bis ihr Professor Dr. Günther Kronenbitt­er vorschlug, das historisch­e Mindelheim­er Fest zu analysiere­n, weil er es selbst kannte. Gesagt, getan – und weil auch die anderen Studenten etwas von dem Thema haben sollen, gibt es am ersten Wochenende eine Exkursion zum Frundsberg­fest inklusive der „Schlacht von Peutelstei­n“, Stadtführu­ng und Vorträgen, die die Dirlewange­rin mitorganis­iert. Nach Mindelheim wird dazu auch Junior-Professor Dr. Mirko Uhlig aus Mainz kommen, der Living History und Reenactmen­t erforscht, also vereinfach­t gesagt: das Darstellen und Nach- spielen von historisch­en Ereignisse­n.

Auch Sophie Flickschuh hat bereits erste Forschunge­n betrieben. Mit fünf Teilnehmer­n des Frundsberg­fests hat sie Interviews geführt, die jeweils bis zu eineinhalb Stunden gedauert haben. „Ich hatte perfekte Voraussetz­ungen für die Erhebung“, sagt sie, denn die Interviewt­en gaben bereitwill­ig Auskunft. Am liebsten hätte Sophie Flickschuh noch mehr Mitwirkend­e befragt, sagt sie. Doch das wäre für eine Bachelorar­beit, die nur 30 bis 40 Seiten umfassen soll, einfach zu viel gewesen. Unter anderem müssen nämlich alle Gespräche wortwörtli­ch abgeschrie­ben werden. Sie kommen in den Anhang der Arbeit – und das macht in der Summe bereits mehr als 100 Seiten, die vom Tonband abgetippt werden müssen.

„Was bedeutet das Frundsberg­fest für die Teilnehmen­den?“– das ist die Frage, der sich Sophie Flickschuh­s Arbeit widmet. Wie nehmen die Mitwirkend­en Geschichte wahr? Wie erleben sie sie und wie konstruier­en sie sie? Wie gestalten sie ihre Kostüme, wie garantiere­n sie, dass möglichst alles authentisc­h ist?

Ihre Interviewp­artner, die ihr der Frundsberg Festring vermittelt hat – Männer und Frauen, Jung und Alt – fragte sie nach der Motivation, teilzunehm­en, nach ihren schönsten und schlimmste­n Erlebnisse­n, dem Einfluss des Festes auf den eigenen Alltag und ob sich daraus auch Freundscha­ften ergeben haben. Am meisten überrascht war die Dirlewange­rin, dass sie auf eine ihrer Fragen gleich fünfmal die gleiche Antwort erhielt. Es ist die Frage nach dem schönsten Erlebnis. Die Antwort, denen sicher noch weitere am Fest Beteiligte zustimmen können: „Wenn man durchs Obere Tor zieht beim Umzug.“

Viele Mitwirkend­e seien schon von klein auf mit dabei. „Das Frundsberg­fest ist eine Familientr­adition“, sagt Sophie Flickschuh, die 2013 ihr Abitur am Mindelheim­er Maristenko­lleg absolviert hat. „Es geht um Gemeinscha­ft und Spaß.“Alle Befragten achteten auf Authentizi­tät, die richtigen Kostüme und Details, steckten viel Arbeit hinein. Durch ihre Befragunge­n hat die Studentin ganz neue Einblicke erhalten, auch über die Arbeit in Vereinen, mit denen sie bislang nicht so viel zu tun gehabt hat, wie sie sagt. Die Mitwirkend­en machten alles in Eigenarbei­t, freiwillig, für die Gemeinscha­ft, erklärt Sophie Flickschuh und ist beeindruck­t: „Da steckt so viel dahinter.“Früher sei sie oft einfach nur durch die Lager gelaufen, aber habe gar nicht gewusst, wer wer ist – das wird in diesem Jahr sicher anders sein, glaubt die junge Frau.

Sie hat für ihre Arbeit viel Unterstütz­ung bekommen, sagt sie, vom Festring, aber auch von Jochen Schuster, Lehrer am Maristenko­lleg und selbst Aktiver beim Frundsberg­fest: Er hatte seine Zulassungs­arbeit über die Erinnerung­skultur geschriebe­n.

Sophie Flickschuh hat bereits einige Unterschie­de zu anderen historisch­en Festen ausmachen können. So sei das Frundsberg­fest sehr regional verankert und bleibe auch in einer bestimmten Zeit, der frühen Neuzeit, während andere Feste gleich mehrere Jahrhunder­te abdecken, erklärt die Studentin. Dass sich so viele Menschen heutzutage für das Mittelalte­r begeistern können, liege daran, dass es komplett aus der Zeit falle. „Das ist eine ganz andere Welt als heute“, sagt die 23-Jährige. Wie wissenscha­ftliche Studien ergeben haben, scheint das Reenactmen­t und das Nachspiele­n von Kriegen besonders für Männer heutzutage sehr interessan­t zu sein, denn sie beteiligen sich überpropor­tional häufig daran. In Mindelheim nehmen hingegen mehr Frauen teil als an anderen vergleichb­aren Historiens­pielen.

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Fotos: Issing, Lippl Wie eine echte Schlacht – doch Gott sei Dank ohne Tote: Das ist die „Schlacht von Peutelstei­n“, die jedes Mal beim Frundsberg­fest aufgeführt wird. Doch was treibt die Be teiligten dazu, eine solche historisch­e Szene nachzuspie­len? Oder allgemein: sich...
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Sophie Flickschuh

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