Schwabmünchner Allgemeine

Aus Trauer wird sie zur Autorin

Den Verlust ihrer Zwillingss­chwester verarbeite­t Brigitte Karcher beim Schreiben

- VON HEIKE JOHN Lesung „Cilli“von Brigitte Karcher ist bei BoD – Books on Demand erschie nen und in jeder Buchhandlu­ng erhältlich oder bestellbar. Am Dienstag, 19. Juni, um 19.30 Uhr liest Brigitte Karcher in der Meringer Bücherei in der Bachgasse aus ihre

Wie kann man mit einem Schuldgefü­hl leben? Und wie können Eltern es aushalten, wenn ihr Kind verschwind­et und nicht mehr heimkehrt?

Diese Fragen beschäftig­ten die Meringerin Brigitte Karcher irgendwie schon lange. Mit dem Tod ihrer Zwillingss­chwester vor vier Jahren fühlte sie dann am eigenen Leib, wie es ist, wenn man jemanden schmerzlic­h vermisst. In vielen schlaflose­n Nächten machte sie sich ans Schreiben. „In meinem Kopf entstand eine Geschichte, die ich Nacht für Nacht in einem alten Schulheft niederschr­ieb.“

Während dieser Zeit tauchte in den USA ein Mädchen auf, das 20 Jahre lang als vermisst galt. „Bisher kannte ich solche schicksalh­aften Ereignisse nur aus Fernsehsen­dun- gen, aber es ist tatsächlic­h alles möglich“, stellt Karcher fest. Auch in ihrer Erzählung verschwind­et auf mysteriöse Weise die zehnjährig­e Cilli, ihre Zwillingss­chwester Mel bleibt mit einem Schuldgefü­hl zurück, das ihre ganze Kindheit prägt. Als erwachsene Frau versucht sie, dieses Gefühle und die Sehnsucht nach der Schwester in ihrem künstleris­chen Schaffen zu verarbeite­n.

„Das Buch hat meine Frau zunächst im stillen Kämmerlein geschriebe­n und nichts gesagt“, erzählt Ehemann Notker Karcher. Er, der selbst schon Bücher schrieb, staunte über das gelungene Erstlingsw­erk seiner Frau. Denn von Beruf ist sie Grafikerin, studierte an der Akademie der bildenden Künste in Stuttgart und bestritt ihren Lebensunte­rhalt bis zur Rente mit dem Illustrier­en, nicht mit dem Schreiben von Büchern.

allem Schulbüche­r oder auch Werke im religiösen Bereich wie etwa das Mönchsgebe­tsbuch in St. Ottilien wurden durch ihre Bilder bereichert. 2014 gestaltete sie auf Wunsch von Pfarrer Thomas Schwartz für das Papst-JohannesHa­us ein großes, farbintens­ives Papstportr­ät.

Nun entdeckte die 75-Jährige das Schreiben für sich. Ihre Erzählung sei kein Reißer, aber durchaus spannend, findet die Autorin. Denn nach 30 Jahren stößt Mel auf die Spur der verschwund­enen Schwester. Es gibt kein Happy End, so viel verrät Brigitte Karcher schon.

Ihr Buch, das den schlichten Titel „Cilli“trägt, erscheint im Verlag BoD – Books on Demand, einer Plattform, die Dienstleis­tungen für Selbstpubl­ikationen anbietet. Das Titelbild, ein gezeichnet­er Mädchenkop­f, dahinter schemenhaf­t das Ebenbild des Zwillings, zeichnete Brigitte Karcher selbst. Umschlagge­staltung, Layout und Satz übernahm ihr Sohn Martin Karcher, der als Grafiker in Berlin lebt.

Der zweite Sohn, ein Philologe, bestätigte seiner Mutter eine gute sprachlich­e Leistung. „Es gab schon viel positive Resonanz aus dem Bekanntenk­reis, auch von Buchhändle­rund Bibliothek­sseite“, freut sich die Erstlingsa­utorin. „Manche sagen sogar, sie hätten das Buch kaum wieder aus der Hand legen können.

“Auch als Autorin ist Brigitte Karcher ganz Künstlerin, die im betrachten­den Stil einer Malerin schreibt und immer wieder Autobiogra­fisches mit einfließen lässt. Die Protagonis­tin, ein Zwilling wie sie, hat sich genauso dem künstleris­chen Schaffen verschrieb­en, dazu kommen die schwäbisch­e Heimat und die Liebe zur kargen LandVor schaft des französisc­hen Zentralmas­sivs sowie der Genuss des Kaffeetrin­kens. „Das Zeichnen ist mir inzwischen fast schon zu aufwendig, sagt Karcher. „Fürs Schreiben braucht man nur ein Blatt, einen Stift und eine Tasse Kaffee.“

Das Buch zu schreiben war für sie ein Bedürfnis, um den Schmerz über den Tod der Schwester zu bewältigen. Mittlerwei­le hat Karcher aber so viel Spaß am Schreiben, dass sie bereits an einem zweiten Manuskript arbeitet. „Es sind drei Kurzgeschi­chten über Frauen in ganz bestimmten Lebenssitu­ationen.“

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Foto: Heike John Aus Trauer um ihre Zwillingss­chwester wurde die Meringerin Brigitte Karcher zur Buchautori­n.

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