Schwabmünchner Allgemeine

Ein großer Knall löst nicht alle Probleme

Viele in der CSU glauben, dass der Bruch mit der CDU – und vor allem mit Kanzlerin Merkel – die Lösung ist. Aber damit wäre die Partei ja nicht ihre Sorgen los

- VON GREGOR PETER SCHMITZ gps@augsburger allgemeine.de

Die CSU hat eine Obergrenze abgeschaff­t. Damit ist, Gott bewahre, natürlich nicht jene Obergrenze für Migranten gemeint, für welche die Christsozi­alen auf dem Höhepunkt der Flüchtling­skrise so erbittert wie vergeblich gekämpft haben.

Gemeint ist eine selbst verordnete Obergrenze: nämlich die Grenze im Kopf, an den Bruch der Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU auch nur zu denken. Heißt konkret: Die CSU ist mittlerwei­le bereit, in der Union sogar die Vertrauens­frage zu stellen.

In Sitzungen am Donnerstag in Berlin, das derzeit an eine Treibjagds­tätte erinnert, kam dies offen zur Sprache. „Es fehlt nicht mehr viel“, verriet ein prominente­r Abgeordnet­er unseren Kollegen – und auch CSU-Chef Horst Seehofer schien über so eine Aussicht zumindest nachzudenk­en. Selbst wenn die „maximale Eskalation“, von der die Christsozi­alen in diesen Tagen ja immer wieder sprechen, am Nachmittag erst einmal abgeblasen wurde und ein wie auch immer fadenschei­niger Kompromiss mit der CDU wahrschein­lich ist: Unverkennb­ar wirkt die Drohung mit dem großen Bruch nicht mehr befriedend – wie in der Vergangenh­eit schon aus Angst vor einer Wiederholu­ng des Desasters von 1976, als die Partei in Kreuth erst die Trennung verkündete, sie dann aber zurücknehm­en musste.

Im Gegenteil: Zumindest die CSU-Landtagsfr­aktion – und vielleicht auch der bayerische Ministerpr­äsident – wirken durch eine solche Aussicht nur noch beflügelt.

Von ihrer Warte sieht die Welt so aus: Die CSU ackert sich in Bayern ab, stellt eine Rekordbila­nz nach der anderen auf, brennt WahlkampfF­euerwerke voller grandioser Vorschläge ab, bis hin zum Raumfahrtp­rogramm und Reiterstaf­feln – doch die AfD wird in den Umfragen nicht kleiner, sondern größer. Und die Schuld darin liegt für die Anhänger dieser Denkschule in Berlin, wo Angela Merkel regiert und Horst Seehofer (der andere für die CSU-Landtagsfr­aktion bereitsteh­ende Sündenbock) nicht wie erhofft durchregie­rt. Die AfD sei ja nicht in Bayern entstanden, sagte Ministerpr­äsident Söder gerade bei unserem Augsburger Allgemeine Forum, unter großem Applaus.

Diese Gruppe ist überzeugt: Solange die Mutter der Flüchtling­spolitik nicht weg ist, wird auch die AfD nicht verschwind­en. Also lieber den ganz großen Knall als wieder eine kleine Lösung. „Diesmal gewinnen wir“, heißt es in der CSU – aber der Hauptpreis wäre wohl erst die Trophäe Merkel.

Nur: Würde es dann wirklich einen großen Gewinner geben oder nur viele Verlierer?

Geschichte wiederholt sich nicht, aber sie reimt sich schon. Auch diesmal könnte die CDU nach einer Unionsspal­tung drohen, dann halt in Bayern anzutreten. Zudem ist keineswegs ausgemacht, dass Merkel unbedingt von einem Flüchtling­s-Hardliner ersetzt würde. So gering ist die Rückendeck­ung für ihre Politik in der CDU gar nicht.

Und schließlic­h: Zumindest der Glaube, dass die CSU ihrer Sorgen ledig sei, sobald Merkel abtreten muss, ist naiv. Natürlich arbeitet sich ein Teil der AfD-Wählerscha­ft vor allem an der Flüchtling­spolitik ab. Aber es gibt auch viele, deren Unmut aus anderen Quellen stammt. Der Angst vor der neuen Moderne, vor den Umwälzunge­n der Digitalisi­erung, die selbst das erfolgsver­wöhnte Bayern blitzschne­ll transformi­eren könnten. Und durchaus auch die Lust, die Institutio­nen und alle „die da oben“gar nicht mehr zu respektier­en.

Diesen Leuten muss die CSU (wieder) etwas bieten. Stattdesse­n nur auf den ganz großen Knall zu setzen, der angeblich alles klären soll, erinnert eher an: den Selbstmord aus Angst vor dem eigenen Tod.

Selbstmord aus Angst vor dem eigenen Tod

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