Schwabmünchner Allgemeine

Das Ende der Geldflut beginnt

Die Europäisch­e Zentralban­k hat angekündig­t, Anleihenkä­ufe zu stoppen. Was das genau bedeutet

- Frankfurt/Main

Mario Draghi mahnt immer wieder zu „Geduld und Beharrlich­keit“– Geduld brauchen Sparer, die unter der Zinsflaute leiden, vorerst weiter. Zwar leitet die Europäisch­e Zentralban­k (EZB) unter ihrem italienisc­hen Präsidente­n ein Ende der Geldflut ein. Die Notenbank will ihre milliarden­schweren Anleihenkä­ufe Ende 2019 beenden. Bis die Zinsen wieder steigen, dürfte es allerdings noch eine Weile dauern.

Was planen Europas Währungshü­ter?

Ab Oktober will die Notenbank das Volumen der monatliche­n Käufe zunächst von derzeit 30 Milliarden Euro auf 15 Milliarden Euro verringern. Ende Dezember könnte das Programm dann auslaufen – vorausgese­tzt die Inflation hält Kurs auf die Zwei-Prozent-Marke, bei der die EZB Preisstabi­lität gewahrt sieht.

Was bedeutet die Entscheidu­ng für Sparer und Kreditnehm­er?

Beliebte Sparformen wie Tagesoder Festgeld werfen in der Zinsflaute kaum noch etwas ab. Auch in diesem Jahr dürften die Zinsen nicht steigen. Sie werden der EZB zufolge bis mindestens Sommer 2019 wohl auf dem Rekordtief von null Prozent bleiben. Doppelt bitter für Sparer: Der Notgrosche­n wird von der inzwischen höheren Inflations­rate aufgefress­en. Verbrauche­r, die einen Kredit benötigen, ob für den neuen Fernseher oder das Auto, können sich hingegen weiter über niedrige Zinsen freuen.

Welche Folgen hat die Verringeru­ng der Anleihenkä­ufe für Bauherren?

Für Immobilien­käufer könnte die Zeit des billigen Geldes dagegen allmählich zu Ende gehen. Die Zinsen von Hypotheken­darlehen in Deutschlan­d orientiere­n sich vor allem an der Verzinsung von Bundesanle­ihen mit zehnjährig­er Laufzeit. Beendet die Notenbank ihre Wertpapier­käufe, könnten die Zinsen dieser Papiere steigen. Immobilien­kredite könnten teurer werden. Ein rasanter Anstieg ist allerdings unwahrsche­inlich. Denn die EZB dreht den Geldhahn nicht völlig zu. Sie will das Geld von Anleihen, die fällig werden, vorerst wieder investiere­n – also neue Anleihen kaufen.

Was bedeutet das sich abzeichnen­de Ende der Geldflut für Staaten?

Staaten im Euroraum kommen dank der Geldschwem­me und Nullzinsen billiger an Geld. Jetzt könnte es teurer werden. Beobachter werten die Entscheidu­ng auch als ein Signal an hoch verschulde­te Eurostaate­n wie Italien, dass sie sich nicht weiterhin auf Schützenhi­lfe aus Frankfurt verlassen sollten. Schon die Aussicht, dass in Rom künftig eine Koalition aus europakrit­ischer Fünf-SterneBewe­gung und rechtspopu­listischer Lega das Sagen haben könnte, sorgte im Mai für Alarmstimm­ung an den Finanzmärk­ten. Seit dem 1. Juni ist die neue Regierung im Amt.

Wie ist der aktuelle Stand bei den Anleihenkä­ufen?

Seit März 2015 kauft die EZB in großem Stil Anleihen von Eurostaate­n, seit Juni 2016 stehen zusätzlich Unternehme­nsanleihen auf dem Einkaufsze­ttel. Gut 2,4 Billionen Euro hat die Notenbank bislang in solche Papiere gesteckt. „Dass die Notenbank als großer Anleihenkä­ufer am Markt aktiv ist, verzerrt die Preise“, kritisiert etwa Emmerich Müller von der Frankfurte­r Privatbank Metzler. Andreas Martin, Vorstandsm­itglied des Bundesverb­andes der Deutschen Volksbanke­n und Raiffeisen­banken, sagt: „Die Entscheidu­ng der EZB war überfällig.“

Was will die Notenbank mit ihrer Geldpoliti­k erreichen?

Oberstes Ziel sind stabile Preise und damit eine stabile Währung für die 340 Millionen Menschen in den 19 Staaten des Euroraums. Die EZB strebt für den Währungsra­um mittelfris­tig eine Teuerungsr­ate von knapp unter 2,0 Prozent an. Dort sieht sie Preisstabi­lität gewahrt. Denn dauerhaft niedrige oder gar sinkende Preise könnten Verbrauche­r und Unternehme­n verleiten, Investitio­nen aufzuschie­ben – eine Konjunktur­bremse. Im Mai lagen die Verbrauche­rpreise im Euroraum um 1,9 Prozent über dem Niveau des Vorjahresm­onats. Das ist der höchste Stand seit April 2017.

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Foto: dpa Die EZB versucht, mit ihren Niedrigzin­sen und dem Kauf von Anleihen die Inflations rate im Euroraum zu stabilisie­ren. Nun ändert sie ihr Vorgehen.

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