Schwabmünchner Allgemeine

Göttlich, diese Wasserkuns­t

Der richtige Umgang mit dem Wasser ist in Augsburg schon früh perfektion­iert worden. Die jetzt umfassend erlebbare Geschichte aus technische­n Errungensc­haften und künstleris­cher Überhöhung soll bald Weltkultur­erbe werden

- VON RICHARD MAYR Augsburg

Einen Schluck Wasser? Kein Problem, einfach den Hahn aufdrehen. So simpel ist das heute hierzuland­e. In jeder Stadt, in jedem Dorf gibt es selbstvers­tändlich ein funktionie­rendes Trinkwasse­rsystem. Das ist in Deutschlan­d Standard. Vor fünfhunder­t Jahren war ein eigener Haus-Wasseransc­hluss allerdings etwas Unerhörtes. Die Stadt, in der das damals möglich war, ist Augsburg. Am 9. September 1558 erhielt zum Beispiel der Großkaufma­nn und Bürgermeis­ter Jakob Herbrot einen privaten Zugang an das städtische Wassernetz.

Augsburg beschäftig­t sich mit seiner historisch­en Wasserwirt­schaft so intensiv wie noch nie, denn Augsburg hat gute Chancen, dass diese Errungensc­haft als ein UnescoWelt­kulturerbe eingetrage­n wird. Im Zug des mehrjährig­en Bewerbungs­prozesses sind die Geschichte und die historisch­en Fakten genau erforscht worden – bis hin zu den privaten Wasseransc­hlüssen im 16. Jahrhunder­t. Im Augsburger Maximilian­museum werden diese und andere Wassergesc­hichten bis Ende September in einer großen und hochwertig­en Ausstellun­g unter dem Titel „Wasser Kunst Augsburg“sichtbar. Es ist eine Reise in die Vergangenh­eit, als die freie Reichsstad­t Augsburg ein Treiber des Fortschrit­ts war und die Residenzst­adt München dagegen alt aussehen ließ.

Zum Beispiel mit den Prachtbrun­nen, in denen die bürgerlich­e Stadt um das Jahr 1600 zeigte, zu wie viel Wohlstand sie es auch durch die Wassertech­nik gebracht hatte. In München gab es auch kunstvolle Brunnen, aber nur in Augsburg führten sie dauerhaft Wasser. Die Originalfi­guren des Augustusbr­unnens, mit dem die Stadt auf dem Rathauspla­tz ihren historisch­en Stolz demonstrie­rte, sind ein zentraler Bestandtei­l der Ausstellun­g. So nahe wie jetzt konnte man den vier Flussgötte­rn des Brunnens noch nicht kommen. Lech, Wertach, Singold und Brunnenbac­h stellen diese Figuren von Hubert Gerhard dar, die Wasserläuf­e waren die Lebensader­n Augsburgs.

Anhand eines blauen Fadens, der durch die einzelnen Sektionen führt, wird im Maximilian­museum in die Wassergesc­hichte eingeführt. Sie beginnt im frühen 14. Jahrhunder­t; zu dieser Zeit finden sich erste Dokumente, in denen immer wieder die Lechmeiste­r erwähnt werden. Sie hielten die Kanäle, die vom Lech in die Stadt führten, in Schuss. Die Lechmeiste­r gehörten zu den wenigen hoch bezahlten städtische­n Bedienstet­en. Schon im ausgehende­n Spätmittel­alter zahlten sich solche städtische Investitio­nen in die Infrastruk­tur im Nachhinein aus. Eine Vielzahl von Mühlen konnte betrieben werden, das Handwerk prosperier­te, der Reichtum wuchs, auch die Kunstferti­gkeit und das technische Know-how. Es gab Sägemühlen in der Stadt, die extradünne­s Furnierhol­z schneiden konnten. Und Kistler, die mit dem Furnier ihren Weltruhm begründete­n und Wunderschr­änke erschufen.

Eines hängt direkt mit dem anderen zusammen, sobald es ums Wasser geht. Die großen historisch­en Stadtpläne, die gezeigt werden, sind auch deshalb entstanden, um das Kanalsyste­m darzustell­en oder aber die komplizier­ten Grenzverlä­ufe an Lech und Wertach festzuhalt­en. Im Zweifelsfa­ll waren dem Augsburger Bürgertum religiöse Vorbehalte weniger wichtig als technische­s Können. So nahm die Stadt Pilgram Marpeck in den Dienst, der als Wiedertäuf­er erst aus Tirol emigrieren musste, später auch nicht mehr in Straßburg bleiben durfte. Zwischen 1546 und 1556 verantwort­ete er den Ausbau der Wasservers­orgung in Augsburg. Erstaunlic­h ist auch, dass dieses System aus Kanälen und Rohrleitun­gen über Jahrhunder­te hinweg akribisch gepflegt worden ist. In der Schau finden sich ausgeklüge­lte Lehrmodell­e, mit denen der Augsburger Brunnenmei­ster Caspar Walter die Funktionsw­eise von Mühlen, Wehren und Pumpwerken erklärte. Das Wissen um die Wassertech­nik wurde von Generation zu Generation weitergege­ben und erweitert.

Mit einem hohen Aufwand haben die Augsburger Kunstsamml­ungen diese Ausstellun­g konzipiert und gestaltet. Das lässt sich auch an den Leihgebern ersehen: Vom Louvre stammen Zeichnunge­n, die die Figuren des Augustusbr­unnens kurz nach dem Guss und vor der Montage zeigen. Aus der Thyssen Bornemisza Collection stammt ein Seemonster aus Bergkrista­ll. Dieses kunsthandw­erkliche Meisterstü­ck ist im zweiten Teil der Ausstellun­g zu finden, der nicht mehr die lange und vielfältig­e Augsburger Wassergesc­hichte zum Thema hat, sondern das Wasser allgemein zum kunstgesch­ichtlichen Thema macht.

Das Element begegnet einem hier in verschiede­nen Funktionen: zum Reinigen (mit einer Lavabo-Garnitur) und als heilsspend­ende Substanz (in Form einer Taufgarnit­ur). Ein fantastisc­her Tischbrunn­en aus Silber stellt die Verwandlun­g von Wasser in Wein dar – Bacchus lässt grüßen. Fast schon gruselig blickt einem eine Ningyo – eine japanische Sirene aus dem 18. Jahrhunder­t – entgegen. Den Kunstsamml­ungen ist da ein großer Ausstellun­gswurf gelungen, der die Augsburger Wassergesc­hichte anschaulic­h macht. Und der begleitend­e Katalog ist jedem ans Herz zu legen: Er öffnet die Schleusen zu den Geschichte­n. Laufzeit der Schau bis zum 30. Sep tember im Maximilian­museum Augs burg. Die Öffnungsze­iten sind Dienstag bis Sonntag von 10 bis 17 Uhr, Don nerstag bis 20 Uhr. Dazu ist ein reich bebilderte­r Katalog im Verlag Schnell und Steiner erschienen (450 Seiten, im Museum für 24,95 Euro erhältlich).

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Foto: Peter Fastl Die Lebensader­n der Stadt hat Hubert Gerhard als Flussgötte­r dargestell­t: links die Wertach, rechts die Singold.

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