Schwabmünchner Allgemeine

Warmspiele­n mit Robbie Williams

Der englische Popstar feiert mit den Zuschauern und provoziert mit einer Geste

- VON TILMANN MEHL Moskau

Deutschlan­d ist nicht Russland, Robbie Williams nicht Helene Fischer und Halbzeitsh­ow nicht gleich die Eröffnungs­feier einer Fußballwel­tmeistersc­haft. Während Deutschlan­ds Schlagerkö­nigin vor einem Jahr in der Pause des Pokalendsp­iels bei ihrem Auftritt schlimmer ausgepfiff­en wurde, als es sich Ilkay Gündogan vorstellen kann, nahm Williams den Applaus der Zuschauer entgegen. Und das, obwohl er gegen Ende seines Auftritt den Mittelfing­er der Kamera entgegenst­reckte. Die Beweggründ­e dafür blieben bislang offen. Möglicherw­eise reagierte der Star so auf die Kritik aus seiner Heimat, Geld könne auf weitaus bessere Weise verdient werden, als in einem von einem Autokraten regierten Land aufzutrete­n.

Der Engländer war der Hauptdarst­eller, ehe die russische Nationalma­nnschaft gegen Saudi-Arabien die Weltmeiste­rschaft eröffnete. Im Vergleich zu Fischer hatte sich Williams Verstärkun­g mitgebrach­t. Die bekannte Opernsänge­rin Aida Garifullin­a half ihm beim Duett zu „Angels“. Zuvor sang Williams bereits davon, dass er gerne die Zuschauer unterhalte­n würde („Let me entertain you“) – und die waren gewillt, seiner Bitte nachzukomm­en. Schon vor dem Stadion präsentier­ten sie sich bestens gelaunt, feierten zusammen mit den Anhängern SaudiArabi­ens ein friedliche­s Fest.

Die Anhänger im Luschniki-Stadion hätten aber möglicherw­eise auch einem tanzenden Wackelpudd­ing applaudier­t. Dass sie Putin geradezu euphorisch begrüßten, ehe der seine Eröffnungs­rede hielt, mag im riesigen Reich so üblich sein. Dass allerdings der seinem Vorgänger Sepp Blatter im Geschäftsg­ebaren ähnliche Fifa-Boss Gianni Infantino auch mit Beifall bedacht wurde, ist eher ungewöhnli­ch.

Es war eine erfrischen­d kurzweilig­e Eröffnungs­feier, zu der auch gehörte, dass sich Putin und Infantino mit politische­n Äußerungen zurückhiel­ten. Sie missbrauch­ten so nicht die wunderbare Bühne, die Zuschauer und Künstler boten. Da lässt sich auch über die streitbare grellgrüne Fantasie-Camouflage­bekleidung einiger Tänzer hinwegsehe­n.

Die einzig Leidtragen­den der Feierlichk­eiten waren die Spieler aus Saudi-Arabien. Sie betraten erst um 17.16 Uhr Ortszeit den Platz. Acht Minuten später verließen sie ihn auch schon wieder, da die Bühne für Robbie Williams noch zusammenge­werkelt werden musste. Zum Gesamtkonz­ept gehörten freilich auch noch die feierliche Präsentati­on des Spielballs und ein wenig Gaukelei des Maskottche­ns. Williams’ Mittelfing­er war im Drehbuch wohl eher nicht vorgesehen. Stock existiert kein Ausgang des Treppenhau­ses. Also ganz runter. Von dort über eine Wendeltrep­pe wieder nach oben. Frühstück. Endlich.

Die Mexikaner übrigens kamen mit dem Leben davon. Abends spielten sie als Mariachi-Band in der Hotellobby auf, gefeiert von Landsleute­n und bierselige­n Australier­n. Nur die ansonsten die Räume beschnatte­rnden Koreaner verstummte­n. Sie traten mit ihren Kohorten den geordneten Rückzug an. Dorthin, wo sie das Sagen haben. In die Aufzüge.

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Foto: afp Man in Red: Robbie Williams und sein Team bei der Eröffnungs­feier.
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Foto: Mehl Aufzüge im Medienhote­l – Symbole für das Auf und Ab des Lebens.

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