Schwabmünchner Allgemeine

Die Achse der Etablierte­n

Wenn es für den Weltmeiste­r mit der Titelverte­idigung etwas werden soll, müssen vor allem Erfolgsgar­anten von 2014 wieder funktionie­ren. Einer unter ihnen ganz besonders

- VON CHRISTOPH FISCHER Moskau

Nur noch zwei Tage, aber Joachim Löw hat sich lange festgelegt. Bei allem Innovation­swillen des Bundestrai­ners sind die Erfolgsgar­anten immer doch diejenigen, die vom Triumph in Rio de Janeiro 2014 übrig geblieben sind. Manuel Neuer, Mats Hummels, Jérôme Boateng, Sami Khedira, Toni Kroos und Thomas Müller. Wenn die Weltmeiste­r funktionie­ren, funktionie­rt vielleicht auch die Mission Titelverte­idigung bei der Weltmeiste­rschaft in Russland. Und von allen könnte Toni Kroos am Ende der Wichtigste sein.

Kroos ist der erfolgreic­hste deutsche Nationalsp­ieler der Gegenwart. Dreimal hintereina­nder hat er die Champions League mit Real Madrid gewonnen, einmal mit dem FC Bayern München. Kroos drängt sich nie in den Vordergrun­d, aber sein Wort gilt in der Mannschaft und auf dem Podium. Wenn er den mangelnden Einsatz der nachdränge­nden Nationalsp­ieler kritisiert, wird das ernst genommen. „Das würde ich auch in Russland sagen, wenn ich es für notwendig halte. Das war keine grundsätzl­iche Kritik nach dem Spiel gegen Brasilien in Berlin, aber die Einstellun­g hat nicht gestimmt, und das geht nicht. Ich bin aber sicher, dass in Russland die Einstellun­g stimmen wird.“Kroos ist einer, der auf dem Platz die Richtung bestimmt, er ist es, der das Spiel schnell macht. Und es verlangsam­t, wenn das geboten erscheint. Nichts ist wirklich neu an seinem Spiel, aber es bleibt die Orientieru­ng für die anderen. Jupp Heynckes erkannte das schnell, kei- förderte Kroos mehr als er. Kroos verdankt Heynckes viel, aber auch Joachim Löw hat seinen Anteil: „Löw ist ein absoluter Toptrainer. Und er hat sich permanent verbessert, seit ich ihn 2010 kennengele­rnt habe, seine Ansprache, sein Detailwiss­en, wie er die Mannschaft einstellt, optimal.“

Nur noch zwei Tage bis zum Auftaktspi­el gegen Mexiko im Luschniki Stadion am Sonntag (17 Uhr). Kroos hält es wie Löw für einen großen Vorteil, dass es im deutschen Spiel eine Achse der Etablierte­n gibt. „Es ist wichtig, mit Spielern zusammen zu spielen, die schon große Titel gewonnen haben.“Und Kroos hat auch nach größten Erfolgen noch das Vermögen, sich immer neu zu motivieren: „Die Frage nach der Motivation ist schon wichtig. Und natürlich braucht es nach einem Sieg in der Champions League ein paar Tage, bis man weiterdenk­t. Aber eine Weltmeiste­rschaft ist keine schlechte Motivation. Wenn man Brasilien erlebt hat, will man das noch mal erleben.“

Und seine potenziell­en Nachfolner ger hat er auch schon im Blick: „Joshua Kimmich und Leon Goretzka werden absolute Weltklasse­spieler.“Der absolute Wille und das Selbstvert­rauen eines jeden Einzelnen entscheide­n eine Weltmeiste­rschaft. Findet Kroos. „Der Wille, über sich hinauswach­sen zu wollen, ist entscheide­nd. Und das Selbstvert­rauen. Jeder von uns hat die notwendige Klasse, um ein Turnier zu gewinnen, aber entscheide­nd bleiben Wille und Selbstvert­rauen.“Kroos verfügt über beides nach vier Erfolgen in der Champions Legaue. Und dem Titel von Rio de Janeiro. Auch Jérôme Boateng verströmt in Moskau Selbstbewu­sstsein. Seine Stimme klingt zwar wie immer, stilbilden­d wird er immer erst auf dem Platz. Auf dem Podium bewegt sich sein Ton ohne jeden Ausschlag nach oben und unten. Darauf sollte man den Abwehrstra­tegen aber nicht reduzieren. „Wir sind in Moskau, um erfolgreic­h Fußball zu spielen. Vor einem Turnier wird immer über viele Dinge viel geredet, und deshalb ist es gut, dass es am Sonntag losgeht“, sagt er.

Spekulatio­nen über seinen bevorstehe­nden Wechsel und die Freigabeer­klärung von Bayern-Vorstand Karl-Heinz Rummenigge interessie­ren Boateng nicht: „Ich weiß nicht, warum solche Aussagen getätigt werden. Ich bin bei der Nationalma­nnschaft, alles andere interessie­rt mich momentan überhaupt nicht. Die letzten Turniere haben gezeigt, wie wichtig das erste Spiel ist. Wir wollen auch am Sonntag gut aus den Startlöche­rn kommen.“Alle sind fit, alle trainieren 100 Prozent. Dass es zuletzt in der unmittelba­ren Vorbereitu­ng nicht besonders funktionie­rte, Boateng will das nicht überbewert­en: „Freundscha­ftsspiele sind etwas anderes als Turnierspi­ele.“Der Rückgriff auf Bewährtes muss auch für einen amtierende­n Weltmeiste­r nichts Unmodernes sein. Der Bundestrai­ner weiß, dass er sich auf die Achse der Etablierte­n verlassen kann. In Katar 2022 sollen es dann die Nachfolger richten. Aber in Russland geht es noch mal um Neuer, Hummels, Khedira und Müller – und Boateng. Und vor allem um Kroos.

 ?? Foto: Patrik Stollarz, dpa ?? Toni Kroos, Thomas Müller, Jérôme Boateng – drei aus einem halben Dutzend Spieler, die jenes Gerüst der deutschen Mannschaft bilden, auf das der Bundestrai­ner auch in Russland setzt.
Foto: Patrik Stollarz, dpa Toni Kroos, Thomas Müller, Jérôme Boateng – drei aus einem halben Dutzend Spieler, die jenes Gerüst der deutschen Mannschaft bilden, auf das der Bundestrai­ner auch in Russland setzt.

Newspapers in German

Newspapers from Germany