Schwabmünchner Allgemeine

Dieses Musical will vor allem das Eine

In diesem Sommer dreht sich am Roten Tor alles um Jakob Fugger. Jetzt hat das Theater Augsburg verraten, dass im Mittelpunk­t der Geschichte keineswegs die Geschäfte des reichen Kaufmanns stehen werden

- VON STEFAN DOSCH

Wenn hier ein Wort die Runde macht, dann ist es dieses: Emotion. Kaum einer der auf dem Podest Versammelt­en, der es nicht im Munde führte. Der Komponist Stephan Kanyar erzählt, dass er sich vor der Niederschr­ift der ersten Töne gefragt habe: „Wo wird’s emotional bei der Geschichte?“Texter Andreas Hillger spricht vom „emotionale­n Defizit“der Hauptperso­n. Und Intendant André Bücker sagt den vielleicht zentralen Satz dieser Veranstalt­ung: „Musical braucht Emotion.“

Donnerstag­nachmittag im Foyer des Martinipar­ks. Das Theater Augsburg hat zum Pressegesp­räch geladen, Gegenstand ist die finale Produktion dieser ersten Spielzeit des neuen Theatertea­ms: das Musical „Herz aus Gold“, eigens für Augsburg geschaffen, wie immer wieder betont wird, und deshalb auch thematisch aus Augsburger Geschichts­quellen schöpfend – es geht um Jakob Fugger. Gut zwei Wochen vor der Premiere hat sich fast das komplette Produktion­steam hier versammelt. Doch zunächst einmal wird eine musikalisc­he Kostprobe serviert: Chris Murray als Fugger und Roberta Valentini als weibliche Hauptfigur Sibylla stim- ein Duett an, Komponist Stephan Kanyar legt dazu eigenhändi­g am Klavier den Begleittep­pich aus. Jeder singt zunächst eine Strophe allein, bevor dann die Stimmen zusammenfi­nden und mächtig anschwelle­n – denn zwischen Jakob und Sibylla ist schwer etwas am Laufen. Großer Stimmen-Schmelz am Höhepunkt des Duetts – dann nimmt André Bücker den Faden auf und schwärmt von „Gänsehaut“, womit der Boden für die noch folgenden emotionale­n Verweise schon mal bereitet ist.

Zunächst aber fasst der Intendant zusammen, wie es überhaupt zur Idee eines Fugger-Musicals kam. Dass man, wie schon in den letzten Jahren der Vorgänger-Intendanz, ein Musical auf der Freilichtb­ühne präsentier­en wollte, stand auch beim neuen Theatertea­m außer Frage. Schnell jedoch verwarf man den Gedanken, erneut ein Stück aus der Reihe der internatio­nalen MusicalRen­ner zu nehmen, und liebäugelt­e stattdesse­n mit einem Stoff mit lokalem Bezug. Dass es letztlich die Renaissanc­e-Gestalt Jakob Fugger wurde, war aber auch davon inspiriert, dass beim letztjähri­gen Luther-Jubiläum, das vom Theater ja ebenfalls aufgegriff­en wurde, am reichen Fugger nicht vorbeizuko­mmen war.

Gesagt, getan. Andreas Hillger, Autor des Augsburger Theater„Tatorts“, wurde mit der Stückentwi­cklung betraut. Sein Leitgedank­e, verrät er im Martinipar­k, habe gelautet: „Ein Abend über doppelte Buchführun­g auf der Freilichtb­ühne, das wäre wohl nicht so spannend gewesen.“Also keine Story über die Geschäfte des Augsburger Frühkapita­listen, jedenfalls nicht im Kern. Nein, wo es um Emotion gehen soll, da muss der Mann mit einer Frau zusammenge­bracht werden, und das ist im Stück die Sibylla. Hillger hat sie doppelt konzipiert: Als bereits verheirate­te Sibylla, die der reiche Jakob eigentlich anbetet, die ihm aber nicht geben kann, was er will – und er deshalb ihre gleichnami­ge Tochter zur Frau nimmt. Die beiden Sibyllen gab’s tatsächlic­h, doch geben die Musical-Macher unumwunden zu, dass die Gefühlswel­ten, die sie den beiden Frauen und dem Dritten im Bunde zuschreibe­n, nicht zu belegen und also Fiktion sind.

Aber man will mit „Herz aus Gold“ja auch keinen „WikipediaE­intrag über Fugger“(Hillger) auf die Bühne bringen, sondern sicherstel­len, dass am Roten Tor „die Leute einen schönen Abend haben“(Bücker). Und so wird denn auch so gut wie alles, was das Theater hermen gibt, für das Musical aufgeboten. Die Augsburger Philharmon­iker unter Generalmus­ikdirektor Domonkos Héja sind mit dabei, der Opernchor wird aufgeboten, das Ballett spielt eine zentrale Rolle. Mit Holger Hauer wurde ein MusicalSpe­zialist für die Regie verpflicht­et, und auch die Protagonis­ten sind Gäste vom Musical-Fach: eben Roberta Valentini und Chris Murray.

Letzterer gibt noch eine weitere Musiknumme­r zum Besten, das „Credo“des Jakob Fugger. Ein musicaltyp­isches Stück: Besinnlich am Start, dann aber nehmen das Klavier und die Stimme Fahrt auf, Murray gibt ordentlich Vibrato dazu, um schließlic­h die Schleusen völlig zu öffnen: „Mein Herz aus Gold, ich hab dich so gewollt“, widerhallt es von den Betonwände­n des Martinipar­ks – aber Murray hat noch Reserven für den alles Bisherige übertönend­en, lang gehaltenen finalen Spitzenton: „Gooooold!“

André Bücker hat als Erster wieder Worte. „Wenn man sich das an einem lauen schönen Sommeraben­d vorstellt und dazu das ganze Orchester…“Da ist sie wieder, die Botschaft: Es ist die Emotion, mit der „Herz aus Gold“das Publikum für sich einnehmen will.

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Foto: Jan Pieter Fuhr/TA Jakob Fugger singt: Chris Murray, am Klavier begleitet von Stephan Kanyar.

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