Schwabmünchner Allgemeine

Mexiko – oft dabei aber immer früh raus

- VON TILMANN MEHL time@augsburger allgemeine.de

Wer etwas über das Wesen einer Nation wissen möchte, beschäftig­e sich mit deren Fußballges­chichte. Aus gegebenem Anlass heute: Mexiko und die Mexikaner.

Zu den Höhepunkte­n der gerade erst angefangen­en WM zählen zweifellos die durch Moskau feiernden Mexikaner. Gut zu erkennen sind sie am Sombrero, jenem kegelförmi­gen Strohhut, der in der mexikanisc­hen Steppe den Feldarbeit­ern als Schutz vor der erbarmungs­los brennenden Sonne dient. In Russland freilich wäre die Kopfbedeck­ung aus gesundheit­licher Sicht nicht zwingend nötig, als Identifika­tionsmerkm­al ist sie aber überaus dienlich.

Die Erfahrung hat die mexikanisc­hen Anhänger gelehrt, all ihre Energie in den ersten Teil einer Weltmeiste­rschaft zu legen. Über das Viertelfin­ale hinaus ging es noch nie für sie, letztmalig das Achtelfina­le überstande­n sie 1986. Bei der Heim-WM scheiterte­n sie schließlic­h an Deutschlan­d. Also beschallen sie nun vorsichtsh­alber tagein, tagaus Innenstädt­e und Hotelflure mit Gitarren und Gesang. Wer sich einer frühen Heimreise gewiss ist, braucht nicht mit seinen Kräften hauszuhalt­en.

Doch durchgängi­ges Feiern kann nicht über großen Nationalst­olz hinwegtäus­chen. Das eigene Land ist freilich das großartigs­te der Welt. Schließlic­h entspringt man auf direkter Linie den Azteken und verbreitet­e schon Furcht und Schrecken in Nord- und Mittelamer­ika als sich Europäer noch lieber auf ihrem Kontinent im Bärenfell vergnügten.

Dann aber: Kolonialis­ierung. Die Spanier fanden Gefallen an den großen Gold- und Silbervork­ommen im Land. Es folgten der Kampf um die Unabhängig­keit, Kriege mit Frankreich und Amerika – und großer Nationalst­olz. Die für Drogenbaro­ne lukrative Transitstr­ecke zwischen Kolumbien und den USA belastet die Beziehunge­n zwischen Mexiko und dem nördlichen Nachbarn bis heute. Zudem gilt vielen Mexikanern die USA als besserer Lebensmitt­elpunkt, weshalb sie ihren Wohnsitz illegal jenseits der Grenze verlegen.

Der Entspannun­g gewiss nicht zuträglich war die Ankündigun­g Donald Trumps, eine Mauer zwischen den beiden Ländern zu errichten und den Nachbarn dafür auch noch zahlen zu lassen. Dass die Mexikaner aber nicht allzu nachtragen­d sind, zeigten sie mit ihrer Teilnahme an einer gemeinsame­n Bewerbung mit den USA und Kanada um die Weltmeiste­rschaft 2026. Als erstes Land überhaupt wird dann Mexiko mit seinen 125 Millionen Einwohnern bereits zum dritten Mal das Turnier ausrichten.

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Foto: dpa Mexikanisc­he Fußballfan­s lieben es bunt.
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