Das Leid der Erdbeerpflückerinnen Harley Davidson ärgert Trump
Jedes dritte hierzulande verkaufte Erdbeerschälchen kommt aus Spanien. Dort versuchen tausende Frauen, mit Saisonarbeit ihre Familien in Marokko durchzubringen. Doch die Erntehelferinnen arbeiten oft unter schlimmen Bedingungen Motorradbauer flieht vor EU
Hunderte von wütenden Feldarbeiterinnen marschierten dieser Tage durch die südspanische Stadt Huelva, in deren Umgebung die größten Erdbeerfelder des Kontinents liegen. „Erdbeeren, ohne Sklaverei“, riefen die Frauen, „aber mit Rechten für die Pflückerinnen.“Ein Heer von Marokkanerinnen erntet die roten Früchte, die nach ganz Europa exportiert werden. Gut ein Drittel aller in Deutschland im Handel verkauften 275 000 Tonnen frischer Erdbeeren stammt aus Spanien. Doch das Geschäft mit den süßen Früchten, die in Südspanien fast das ganz Jahr in Gewächshäusern und unter Plastikplanen reifen, hat Schattenseiten.
Die marokkanischen Saisonarbeiterinnen beklagen Lohnbetrug, miserable Arbeitsbedingungen und sexuelle Übergriffe durch Vorarbeiter und Plantagenbesitzer. „Oft wird dieser Missbrauch nicht angezeigt“, sagt Pastora Filigrana, Rechtsanwältin der Landarbeitergewerkschaft SAT. Die Dunkelziffer sei vermutlich groß. „Die Betroffenen haben Angst.“
Angst vor der Schande. Denn wenn in ihrer marokkanischen Heimat der sexuelle Missbrauch bekannt wird, müssen die Frauen nach Rückkehr damit rechnen, verstoßen zu werden. Und sie haben auch Angst, wegen Aufmuckens den Job zu verlieren. Ein Job, mit dessen Erträgen die meist verheirateten Erntehelferinnen ihre Familien auf der anderen Seite des Mittelmeeres durchbringen müssen.
„Sie drohen uns, dass wir im nächsten Jahr nicht mehr wiederkehren dürfen“, empört sich eine marokkanische Arbeiterin mit dem Vornamen Nahed auf der Kundgebung in Huelva. Sie kommt seit 13 Jahren jedes Jahr zum Pflücken nach Spanien – doch nun reicht es ihr.
Rund 40 Euro brutto beträgt der offizielle Lohn pro Arbeitstag – theoretisch. „In den meisten Fällen wird der Tarifvertrag nicht erfüllt“, berichtet eine von Naheds Kolleginnen auf der Protestveranstaltung. Und Inspektoren der Arbeitsbehörden oder Polizisten ließen sich nur selten auf den Plantagen blicken.
Wenigstens 15 000 marokkanische Frauen arbeiten auf den Erdbeerfeldern, die sich über eine Fläche von 70 Quadratkilometern rund um die andalusische Provinzhauptstadt Huelva erstrecken. Auch wenn der Lohn niedrig ist: Sie verdienen immer noch ein Vielfaches dessen, was sie in der marokkanischen Heimat für Feldarbeit erhalten würden. Die meisten wohnen auf den Plantagen, manchmal in Elendsunterkünften ohne fließendes Wasser. Oft liegen die Unterkünfte isoliert, weitab von den Dörfern, ohne Transportanbindung. Gewerkschaftschef Óscar Reina spricht von „unmenschlichen Zuständen“, die zuweilen an eine Art Gefangenschaft erinnern und Ausbeutung sowie sexuellen Missbrauch begünstigten.
Nun haben zehn Marokkanerinnen ihre Angst überwunden und bei der Polizei Anzeige wegen sexuellen Aggressionen und fehlenden Lohnzahlungen erstattet; wenig später schlossen sich vier spanische Pflückerinnen an. In früheren Jahren gab es bereits ähnliche Anzeigen. Doch die Beschuldigten hatten bisher wenig zu befürchten. Meist wurden die Ermittlungen wieder eingestellt. „Es existiert eine große Straflosigkeit“, kritisiert Rechtsanwältin Filigrana.
Eines der wenigen Gerichtsverfahren, das mit der Verurteilung eines Finca-Besitzers und seiner beiden Söhne wegen Misshandlung und Missbrauchs von Arbeiterinnen endete, gab einen Einblick in die Abgründe, die sich auf den Feldern auftun können: „Wenn du arbeiten willst, musst du mit mir ins Bett gehen“, lautete die aktenkundige Drohung gegenüber den Erntehelferinnen. Das war bereits vor fünf Jahren. Aber solche Fälle gebe es auch heute noch, versichert die Gewerkschaft SAT. Sie bietet nun jenen Frauen, die vor kurzem mit ihren Klagen an die Öffentlichkeit gingen und wenig später Drohungen erhielten, Rechtsbeistand und Schutz.
Der örtliche Bauernverband Interfresa versprach, die Anzeigen der Frauen ernst zu nehmen. Der Verband will als Nebenkläger gegen die beschuldigten Plantagenbesitzer vorgehen und kündigte „Null Toleranz“gegen die schwarzen Schafe an. Ein Sprecher verwahrte sich aber dagegen, die Vorfälle zu verallgemeinern und die ganze Erdbeerbranche zu verurteilen. „Wenn es so schlimm wäre“, heißt es beim Verband, „würden doch nicht so viele Saisonarbeiterinnen jedes Jahr wiederkommen.“Das sehen die protestierenden Frauen anders.
Vor gut einem Jahr lobte US-Präsident Donald Trump Harley-Davidson noch in höchsten Tönen und pries die Kult-Motorradschmiede als Inbegriff von „Made in America“. Doch wegen des von ihm forcierten Handelsstreits reduziert ausgerechnet die Firma aus Milwaukee im USBundesstaat Wisconsin nun die Produktion in den USA. Als Reaktion auf Vergeltungszölle der EU kündigte Harley-Davidson an, einen Teil seiner US-Fertigung ins Ausland zu verlagern.
Seitdem lässt Trump seinem Ärger per Twitter freien Lauf. „Eine Harley sollte niemals in einem anderen Land gebaut werden“, twitterte Trump. Wenn das Unternehmen seine Ankündigung wahr mache, bedeute dies „den Anfang vom Ende“, schrieb Trump und drohte: „Sie werden besteuert wie nie zuvor!“Harley-Davidson hatte bereits vor über einem Jahr bekannt gegeben, eine Fabrik in Thailand zu bauen. Auch andere US-Konzerne sind wegen Trumps Zollpolitik zu unangenehmen Maßnahmen gezwungen: So dürfte etwa die Whiskey-Sorte Jack Daniel’s in Europa bald teurer werden.
Viele schweigen aus Angst über sexuelle Übergriffe