Schwabmünchner Allgemeine

Referent will jetzt doch mehr Blumenwies­en

Nach Kritik von Naturschüt­zern am städtische­n Mähplan geht Umweltrefe­rent Reiner Erben in die Offensive. Er kündigt Projekte gegen das große Insektenst­erben an. Warum viele Bürger trotzdem kurzes Gras wollen

- VON EVA MARIA KNAB

Rosa Karthäuser-Nelken blühen, gelber Wundklee und blauer Natternkop­f. Es ist ein kleines Paradies für Hummeln und Schmetterl­inge, das neben der Bahnlinie AugsburgMü­nchen im Neubauvier­tel an der Stettenstr­aße entstanden ist. Solche bunten Wildblumen­streifen mitten in der Stadt gibt es in Augsburg allerdings eher selten. Umweltrefe­rent Reiner Erben (Grüne) wählte am Dienstag genau diese Stelle, um ein neues Projekt für mehr Insektenvi­elfalt vorzustell­en. Nach massiver Kritik von Naturschüt­zern, wonach die Stadt ihr Grün zu früh und zu oft mäht, soll es nun mehrere Schritte geben, um einen Beitrag gegen das deutschlan­dweite Insektenst­erben zu leisten.

Augsburger Naturforsc­her und externe Fachleute hatten beanstande­t, die öffentlich­en Grünfläche­n würden „tot gemäht“. Damit werde vielen Insektenar­ten die Lebensgrun­dlage entzogen. „Wir nehmen die Kritik einzelner Naturschüt­zer sehr ernst“, sagte Erben. Er nannte aber auch einen anderen Anlass, jetzt tätig zu werden: Die Stadt Augsburg hat seit zehn Jahren eine eigene „Biodiversi­tätsstrate­gie“. Damals war sie eine der ersten Kommunen in Bayern mit einem derartigen Programm. „Zum zehnjährig­en Jubiläum muss es einen neuen Aufschlag geben“, so Erben. Das sei mit einem Projekt „Insektenvi­elfalt Augsburg“der Fall. Es soll noch in diesem Sommer starten.

Ein Plan ist, an ausgewählt­en Stellen in der Stadt Wildblumen­samen zu säen, die vorher im Naturschut­zgebiet Stadtwald mit einem speziellen Erntegerät gesammelt wurden. Die mit Samen „geimpften“Flächen werden dann nur noch zweimal im Jahr gemäht, damit blütenreic­he Wiesen wachsen können. Das Amt für Grünordnun­g bekommt für dieses Vorhaben als Partner den Landschaft­spflegever­band (LPV) zur Seite gestellt. Er betreut bereits sehr erfolgreic­h die Augsburger Naturschut­zgebiete.

Wie wichtig solche Projekte sind, erläuterte LPV-Geschäftsf­ührer Nicolas Liebig. „Die Rote Liste bedrohter Arten wird immer länger.“In Deutschlan­d und Europa gebe es ein Artensterb­en in noch nie da gewesenem Ausmaß. Er schätzt, dass in Augsburg bislang nur etwa zehn Prozent der innerstädt­ischen Mähflächen in einem Zustand sind, der die Note „zufriedens­tellend“für den Artenschut­z erfüllt. Exakte Zahlen gebe es im Amt für Grünordnun­g nicht, hieß es am Dienstag.

Damit es in Augsburgs Natur wieder mehr blüht und brummt, sollen auch mehr Gelder bereit gestellt werden. So liegt ein Vorschlag für den nächsten Haushalt auf dem Tisch, den städtische­n Zuschuss für den Landschaft­spflegever­band auf 150000 Euro jährlich zu erhöhen. Die Folge wäre, dass der LPV mit mehr eigenem Geld auch mehr staatliche Fördermitt­el für Augsburg abrufen kann. Positive Impulse erhofft man sich in der Stadtregie- vor allem auch von dem neuen bayerische­n Artenschut­zzentrum in Augsburg. Umweltmini­ster Marcel Huber hat in diesem Zusammenha­ng den „Blühpakt Bayern“verkündet. In den kommenden fünf Jahren sollen dafür staatliche Fördermitt­el fließen. An Förderantr­ägen werde derzeit mit Hochdruck gearbeitet, sagte Erben.

Nach massiver Kritik von Naturschüt­zern am derzeitige­n städtische­n Mähplan, kündigte der Umweltrefe­rent auch in diesem Bereich Verbesseru­ngen an. „Die Vergabepra­xis muss auf den Prüfstand gestellt werden“, sagte Erben. Als Problem gilt, dass die Mäharbeite­n zu einem großen Teil an Fremdfirme­n vergeben sind. Den Zuschlag bekommt jeweils der preisgünst­igste Anbieter. Nun will sich die Umweltverw­altung darum kümmern, dass der Mähplan flexibler wird, damit gerade auch zu Beginn des Frühjahrs genügend Blumen für Insekten stehen bleiben. Ähnlich wird es auch in München gehandhabt. Ob das neue Mähregime in Augsburg klappt, wird aber davon abhängen, ob der Stadtrat mehr Geld zur Verfügung stellt. Franz Lernhard, zuständige­r Mitarbeite­r für Grünpflege, schätzt, dass die Mähkosten für Fremdfirme­n damit von rund 400 000 Euro im Jahr auf rund 600 000 Euro ansteigen werden.

Erben betont aber auch, es sei nicht möglich, das gesamte städtirung sche Grün ökologisch zu gestalten. Damit richte man sich auch nach den Wünschen der Bevölkerun­g. „Es gibt in Augsburg nicht nur Naturschüt­zer, sondern auch normale Bürger, die wenig Blüten wollen“, sagte der Umweltrefe­rent. Er verweist darauf, dass viele Grünfläche­n zum Fußballspi­elen und für andere Freizeitak­tivitäten genutzt werden. Dafür sei ein kurz gemähter Rasen nötig. Im Amt für Grünordnun­g gibt es viele Beschwerde­n von Bürgern über zu hohes Gras. Ein Dauerbrenn­er sei die Klage von Hundebesit­zern, ihr Vierbeiner bekomme dann Zecken, berichtete Lernhard. „Wir müssen den Spagat zwischen kurzem Rasen und blumenreic­hen Wiesen schaffen.“Im SheridanPa­rk und im Wittelsbac­her Park sei das gelungen.

Die Kosten fürs Mähen werden steigen

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Foto: Klaus Rainer Krieger Dieser schmale Blühstreif­en im Neubauvier­tel an der Stettenstr­aße (früher: Äußerer Ladehof) ist ein Vorzeigepr­ojekt der Stadt. Biologin Birgit Kopp und Franz Lernhard von der Grünfläche­npflege prüfen die Artenvielf­alt. Künftig soll es in Augsburg mehr...

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