Die Union entschärft ihren Asylstreit
Flüchtlingspolitik Nach dem EU-Gipfel schlagen die Schwesterparteien versöhnlichere Töne an. Machen CDU und CSU schon am Sonntag ihren Frieden miteinander?
In der Union stehen nach Wochen der erbitterten Auseinandersetzung um ihren Kurs in der Asylpolitik die Zeichen auf Einigung. Die CDU geht davon aus, dass der Konflikt zwischen Bundeskanzlerin Angela Merkel und Innenminister Horst Seehofer um die Zurückweisungen an der deutschen Grenze nach dem Kompromiss beim EUGipfel nun beigelegt werden kann. Die Chancen stünden gut, dass sich die Schwesterparteien bei ihren Sitzungen am Sonntag auf ein gemeinsames Vorgehen einigen, hieß es in Partei- und Fraktionskreisen.
Dafür spricht, dass auch die CSU in ersten Stellungnahmen die Brüsseler Beschlüsse begrüßte. „Eine Reihe an Punkten wie der bessere Schutz der Außengrenzen, Flüchtlingszentren in Drittländern und mehr Engagement bei der Fluchtursachenbekämpfung sind Maßnahmen, die wir als CSU seit langem mit Nachdruck einfordern“, sagte Landesgruppenchef Alexander Dobrindt. Gleichzeitig verwies er da- dass das Ergreifen von nationalen Maßnahmen in dem Papier des EU-Rats ausdrücklich vorgesehen sei. Der Augsburger CSU-Abgeordnete Volker Ullrich nannte die Beschlüsse „konstruktiv und ermutigend“. Auch Vize-CSU-Chef Manfred Weber lobte in der ARD die Beschlüsse des EU-Gipfels. Aber „die Kuh ist noch nicht vom Eis“, fügte er hinzu und mahnte, aus den Beschlüssen müsse nun „konkrete Politik werden“.
Der CSU-Ehrenvorsitzende Theo Waigel hat nach dem EU-Gipfel zur Flüchtlingspolitik seine Partei mit einem eindringlichen Appell aufgefordert, den Asylstreit mit der CDU beizulegen: „Angela Merkel hat gezeigt, dass sie in Europa immer noch über eine starke Autorität verfügt. Eine europäische Lösung, die sich sowohl die CDU als auch die CSU wünschen, ist in greifbarer Nähe“, sagte Waigel. Dieser Erfolg, so Waigel, sei auf die CSU zurückzuführen. Das biete eine gute Grundlage für eine gemeinsame Lösung im Unionsstreit, „in dem jede Eskalation selbstzerstörerisch wäre“.
Die Kanzlerin sieht die Forde- rungen der Schwesterpartei als erfüllt an: „Wenn das alles umgesetzt wird, ist das mehr als wirkungsgleich, dann ist das ein wirklich substanzieller Fortschritt.“Deutschland dürfe nicht unabgestimmt und nicht zu Lasten Dritter handeln. Das Zurückweisen von Flüchtlingen an der Grenze, wie Seehofer es angedroht hat, könne nicht ohne Absprache mit europäischen Partnern angeordnet werden. Mit Griechenland und Spanien hat Deutschland am Rande des Gipfels bereits eine Vereinbarung über die Rückführung von Migranten abgeschlossen. Danach sind beide Staaten bereit, solche Asylsuchende wiederaufzunehmen, die an der deutsch-österreichischen Grenze aufgegriffen werden und einen Eintrag in der Finrauf, gerabdruckdatei Eurodac haben. Dies bedeutet, dass sie schon in Griechenland beziehungsweise Spanien als Schutzsuchende registriert wurden. Deutschland sagte zu, offene Fälle von Familienzusammenführungen „schrittweise“abzuarbeiten.
Im CDU-Teil der Unionsfraktion herrschte am Freitag spürbare Erleichterung. Auch Baden-Württembergs Innenminister Thomas Strobl (CDU) begrüßte gegenüber unserer Zeitung das Erreichte. Es sei „gut, dass das Thema jetzt den Stellenwert bekommt, den es verdient“. Erst recht sei es gut, „dass in der Nacht zum Freitag ein erfolgreicher Schritt gemacht wurde“. Die Migration sei eine Herausforderung für Europa. Nötig sei „eine europäische Antwort“beim Schutz der Außengrenzen und bei den Wanderungsbewegungen innerhalb Europas. „Kurzum, die Richtung stimmt, jetzt muss entschlossen und tatkräftig in diese Richtung gegangen werden.“– Mit der Lage in der Union beschäftigt sich der Leitartikel. Was in Brüssel genau verabredet wurde, lesen Sie in der
„Jede weitere Eskalation im Unionsstreit wäre selbst zerstörerisch.“CSU Ehrenvorsitzender Theo Waigel