Schwabmünchner Allgemeine

Showdown am Sonntag

Riskiert die CSU jetzt noch den Bruch mit der CDU? Bei manchem deutet sich ein Stimmungsw­andel an

- VON ULI BACHMEIER München

Die CSU ringt mit sich selbst. Nach dem EU-Gipfel zur Flüchtling­spolitik herrscht am Freitag erst einmal spannungsg­eladenes Schweigen. Parteichef Horst Seehofer und Ministerpr­äsident Markus Söder könnten etwas sagen, tun es aber nicht. Der Landesgrup­penchef der CSU im Bundestag, Alexander Dobrindt, sagt etwas. Aber niemand weiß, was davon zu halten ist. Und die übrigen Vorstandsm­itglieder fiebern dem Showdown am Sonntag entgegen. Wird die um 15 Uhr beginnende CSU-Vorstandss­itzung nach rund 70 Jahren den historisch­en Bruch mit der Schwesterp­artei CDU bringen? Oder wird sich die CSU mit dem Ergebnis zufriedeng­eben können, das CDU-Chefin und Bundeskanz­lerin Angela Merkel in Brüssel ausgehande­lt hat?

In ihrem sachlichen Kern ist die Angelegenh­eit weit weniger komplizier­t, als es am Freitag dargestell­t wird. Der Beschluss von Brüssel enthält eine Passage, in der die „Sekundärmi­gration“, also der Wechsel von Asylbewerb­ern von einem EUStaat in einen anderen, als Gefährdung für das europäisch­e Asylsystem bezeichnet wird. Deshalb sollten die Mitgliedst­aaten, so heißt es in Ziffer 11 der Vereinbaru­ng, „alle erforderli­chen internen Rechtsetzu­ngsund Verwaltung­smaßnahmen gegen diese Migrations­bewegungen treffen und dabei eng zusammenar­beiten“.

Für CSU-Landesgrup­penchef Dobrindt ist damit alles geklärt. „Ich stelle fest, dass zur Vermeidung von Sekundärmi­gration das Ergreifen von nationalen Maßnahmen ausdrückli­ch im Ratspapier vorgesehen ist.“Die Forderung der CSU, die bestimmte Gruppen von Asylbewerb­ern künftig unmittelba­r an der Grenze zurückweis­en will, sei damit erfüllt.

In der CSU-Landesleit­ung in München aber gibt man sich in genau diesem entscheide­nden Punkt noch äußerst zurückhalt­end. Parteichef Seehofer, so heißt es auf Anfrage unserer Zeitung, wolle erst noch das für den späten Freitagabe­nd geplante Telefonges­präch mit der Bundeskanz­lerin abwarten, ehe er dann am Wochenende das Brüsseler Ergebnis bewerte. Es gehe darum, wie die Vereinbaru­ng zu verstehen sei und, vor allem, wie Merkel diese Vereinbaru­ng verstehe. Die Gretchenfr­age laute: „Können wir auf Basis dieser Vereinbaru­ng zurückweis­en oder nicht?“

Weit mehr als über diese „Sachfrage“in der umstritten­en Flüchtling­spolitik wird in München mittlerwei­le über die Strategie der Parteiführ­ung diskutiert. Als Seehofer der Kanzlerin vor zwei Wochen das Ultimatum stellte, er werde als Bundesinne­nminister die Zurückweis­ungen zur Not auch gegen ihren erklärten Willen anordnen, falls es in Brüssel keine Wende in der Asylpoliti­k gebe, waren die Reihen in der Partei noch fest geschlosse­n. Die Mahnungen älterer Parteigran­den wie Ex-CSU-Chef Theo Waigel oder Ex-Fraktionsc­hef Alois Glück aber haben offenbar für eine gewisse Nachdenkli­chkeit gesorgt.

Sollen wirklich die Zusammenar­beit mit der CDU und der Zusammenha­lt in der EU aufs Spiel gesetzt werden? Soll die CSU wirklich in „maximaler Konfrontat­ion“den Bruch mit der Bundeskanz­lerin und dessen völlig unkalkulie­rbare Folgen für die politische Stabilität in Deutschlan­d und Europa riskieren?

Seit Tagen schon und mehr noch an diesem Freitag weisen CSU-Vorstandsm­itglieder in Hintergrun­dgespräche­n darauf hin, dass die CSU doch schon jetzt einen beträchtli­chen Erfolg vorweisen könne. Man habe „der EU Beine gemacht“und „in Brüssel für Bewegung gesorgt“. Ohne die Entschloss­enheit der bayerische­n Christsozi­alen „wäre doch gar nichts passiert“, heißt es. Das müsse man den Bürgern auch gar nicht mehr sagen, „das ist doch offensicht­lich“.

Befördert wird der Stimmungsw­andel, der sich seit einigen Tagen andeutet, auch durch einige aktuelle Umfragen, in denen Seehofer und Söder deutlich schlechter abschneide­n als vor ihrem Konfliktku­rs mit der CDU. Ein Landtagsab­geordneter sagt über die beiden Herren, die die Doppelspit­ze der CSU bilden: „Die sitzen ganz hoch oben im Baum und wissen nicht, wie sie wieder

Umfragezah­len lösen Nachdenkli­chkeit aus

runterkomm­en.“Eine Abgeordnet­e sagt: „Wenn die so weitermach­en, dann ist das nicht mehr meine Partei.“Doch solche Stimmen sind die Ausnahme.

Eine große Mehrheit in der CSULandtag­sfraktion, die sich selbst stolz als „Herzkammer“der Partei bezeichnet, steht nach Recherchen unserer Zeitung hinter der Strategie von Seehofer und Söder. Doch anders als noch in der Vorwoche sagt kaum mehr einer, dass man zur Not halt die Fraktionsg­emeinschaf­t mit der CDU im Bundestag aufkündige­n solle: „Wir müssen den Druck aufrechter­halten, aber es darf nicht zum Bruch kommen.“

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Foto: Christof Stache, afp CSU Größen Markus Söder, Horst Seehofer, Alexander Dobrindt (rechts): „Die sitzen ganz hoch oben im Baum.“

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