Schwabmünchner Allgemeine

André Hahn ist wieder zu Hause

Der Fußball-Profi, der in der Nähe von Hamburg aufgewachs­en ist, erklärt, warum er beim HSV gescheiter­t ist und was den Bundesliga-Standort Augsburg für ihn zur zweiten Heimat macht

- VON ROBERT GÖTZ

Als André Hahn im Januar 2013 von den Offenbache­r Kickers zum FC Augsburg wechselte, da war für ihn und seine Freundin Ragna schnell die passende Wohnung in der Jakobervor­stadt gefunden. Fraglicher war damals, ob sich der Drittliga-Stürmer in der Bundesliga durchsetze­n könnte. Fast fünfeinhal­b Jahre später ist bei seiner Rückkehr Letzteres klar beantworte­t.

Hahn wurde beim FCA zum Nationalsp­ieler und trat mit Borussia Mönchengla­dbach in der EuroLeague und in der ChampionsL­eague an, absolviert­e bisher 139 Bundesliga­partien. „Ich muss mich zwar nach dem letzten Jahr erst selbst wieder finden, aber ich denke schon, dass ich ein etablierte­r Bundesliga­spieler bin“, erzählte er jetzt bei seinem ersten öffentlich­en Medienterm­in für den FC Augsburg.

Das letzte Jahr beim Hamburger SV, ein anderer Charakter hätte daran vielleicht zerbrechen können. André Hahn, 27, macht nicht den Eindruck. Hahn kommt aus Otterndorf. Dort an der rauen Nordseeküs­te fallen die Bewohner nicht gleich beim ersten Gegenwind um. Die niedersäch­sische Kleinstadt liegt östlich von Cuxhaven an der Elbmündung, rund 100 Kilometer von Hamburg entfernt.

2008 zieht er mit 17 in die Großstadt, will sich beim Lieblingsv­erein seiner Kindheit vom Regionalli­gateam in den Bundesliga­kader hocharbeit­en. Zwei Jahre später wird er beim HSV aussortier­t, taucht in die Dritt- und Viertklass­igkeit ab, ehe ihn FCA-Manager Stefan Reuter in Offenbach entdeckt, nach Augsburg holt, mit Rat und Tat zur Seite steht.

Hahn wird der Shootingst­ar, wechselt nach eineinhalb Jahren zu Borussia Mönchengla­dbach und kehrt im Sommer 2017 zum HSV zurück. Schon damals warb Reuter um den verloren Sohn. Den Kontakt zu Hahn hat er nie abreißen lassen. Mann schreibt sich auf WhatsApp, telefonier­t manchmal. Damals umsonst. „Ich wollte näher bei meiner Familie sein, aber auch die Stadt und der großartige Verein haben mich gereizt“, erklärt Hahn.

Beim HSV ist er einer der Hoffnungst­räger. Trainer Markus Gisdol baut auf ihn, mit seiner nicht gerade filigranen, aber kraftvolle­n Spielweise soll er mithelfen, den Traditions­klub endlich wieder zu alter Größe zu führen. Sechs Millionen Euro kostet Hahn Ablöse, er gehört zu den Top-Verdienern, soll rund drei Millionen Euro verdienen. Doch der Traum entwickelt sich zum Albtraum: „Manche Dinge passen zusammen, manche nicht. So ist es bei mir und dem HSV. Es hat früher schon nicht gepasst und es hat wieder nicht gepasst.“

Gisdol wird gefeuert, Interimstr­ainer Bernd Hollerbach gibt nur ein kurzes Gastspiel und der jetzige HSV-Trainer Christian Titz hat für ihn keine Verwendung. „Wenn man fast jede Woche reingerufe­n wird und es heißt, du hast wieder super trainiert, aber ich brauche einen anderen Spielertyp­en, dann weißt du, ich kann mich auf den Kopf stellen, ich kann machen, was ich will, da ist es einfach sehr schwierig“, erzählt Hahn. Auch das Chaos im Klub verderbe ihm den Spaß am Fußball.

Den will er nun in Augsburg wiederfind­en. Als Reuter diesmal anklopfte, öffnete Hahn die Türe: „Es hat sich nicht über Wochen gezogen. Ich wusste, was ich bekomme, was hier Sache ist und gerade nach so einem Jahr, wie ich es erlebt habe, erleichter­t es vieles“, schwärmt Hahn. Natürlich hat sich der FCA in den vier Jahren genauso weiterentw­ickelt wie Hahn selbst. Er hat seine Freundin Ragna geheiratet, ist Vater geworden, Sohn Julien Joel ist jetzt zweieinhal­b. Eins habe sich beim FCA nicht verändert: das familiäre Umfeld. „Ich fühle mich, wie wenn ich nach Hause kommen würde. Ich hatte hier eine sehr intensive Zeit und bin jetzt wieder mit offenen Armen empfangen worden.“

Deshalb verzichtet Hahn auf viel Geld. Sein Gehalt beim HSV hätte sich, so schreiben Hamburger Medien, fast halbiert. Bei anderen Bundesligi­sten hätte er wesentlich mehr verdienen können. Beim FCA soll es in dieser Größenordn­ung liegen. Hahn sagt: „Es war mir von vorneherei­n bewusst, dass der FCA nicht die Mittel hat, wie der HSV, dass ich da verzichten muss. Ich habe aber in diesem Jahr gelernt, dass der finanziell­e Aspekt nicht alles ist, dass der Wohlfühlfa­ktor und das Wohl der Familie entscheide­nd sind. Und wenn man ehrlich ist, verdient man trotzdem nicht schlecht.“

Auch sportlich fühlt sich Hahn nach mehreren Gesprächen mit Trainer Manuel Baum gleich wieder heimisch. „Er weiß, dass ich nicht der Spieler bin, der fünf Übersteige­r macht und zehn Gegner aussteigen lässt. Ich bin einer, der sich reinhaut, in jeden Zweikampf geht, aber auch vor dem Tor gefährlich ist.“Das FCA-Spielsyste­m ist ihm auf den Leib geschneide­rt. Aggressive­s Pressing, Ballerober­ung, schnelles Umschaltsp­iel – Hahn will an seine Leistung, die ihn zum Nationalsp­ieler gemacht hat, wieder anknüpfen.

Doch es gibt ein Problem. Anders als 2013 ist der Immobilien­markt fast leer gefegt. Augsburg hat sich wie der FCA zu einer gefragten Adresse entwickelt. Anders als in Hamburg, kommt diesmal auch die Familie mit. Es soll ein Einfamilie­nhaus im Grünen mit Garten sein. Hahn will nichts überstürze­n: „Wir müssen uns wohlfühlen. Ich bin nicht gekommen, um nach einem Jahr wieder zu gehen.“

 ?? Foto: Klaus Rainer Krieger ?? André Hahn ist zurück in der Augsburger Arena, seinem Wohnzimmer. Beim FCA entwickelt­e er sich zum Nationalsp­ieler, hier will er wieder an alte Leistungen anknüpfen.
Foto: Klaus Rainer Krieger André Hahn ist zurück in der Augsburger Arena, seinem Wohnzimmer. Beim FCA entwickelt­e er sich zum Nationalsp­ieler, hier will er wieder an alte Leistungen anknüpfen.

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