Schwabmünchner Allgemeine

Wenn die Künste nach draußen gehen

- VON RICHARD MAYR rim@augsburger allgemeine.de

Zuschauers­äle im Hochsommer können eine Qual sein. Man erinnere sich nur: Ende Juni bei 30 Grad Außentempe­ratur im dritten Rang des Großen Hauses – im schlimmste­n Fall in der ausverkauf­ten Vorstellun­g eines Klassikers, den auch Schulklass­en besuchen. Alle Welt draußen grillt im eigenen Garten, während man selbst im Theater gegrillt wird. Verdammt dazu, ruhig zu sitzen und zu spüren, wie die Temperatur unter dem Dach immer weiter steigt und die Luft kaum noch zu atmen ist. Es schwitzen dann nicht nur die Darsteller im Scheinwerf­erlicht, sondern alle im Haus, ohne dass sich jemand bewegt.

Um wie viel angenehmer sind da Open-Air-Veranstalt­ung. Selbst in der größten Hitze kann es unter freiem Himmel nicht so stickig werden. Klar gibt es Unwägbarke­iten: Das Gewitter während der Freilichtb­ühnenauffü­hrung, das einen unvorberei­tet erwischt. Der Temperatur­sturz kurz vor dem Open-Air-Konzert, der den Besuch zu einer Expedition arktisch anmutenden Expedition werden lässt: Drei Lagen Stoff samt Regenmante­l und Regenhose, um im leichten Dauerregen bei vier Grad dreieinhal­b Stunden lang bestehen zu können. Dann hilft nur tanzen gegen das Frieren.

Das Wetter lässt sich nicht planen. Jenseits von Hitze, Kälte und Regen kommen draußen allerdings neue Faktoren ins Spiel, die die Aufmerksam­keit beeinträch­tigen können, zum Beispiel wenn es leisere Töne auf der Bühne zu hören gibt und in nicht allzuweite­r Entfernung völlig profan mit reichlich Alkohol gefeiert wird. Im Aufmerksam­keitswettk­ampf von Kunst gegen Gegröle steht der Verlierer immer von Anfang an fest: die Bühne hat nie eine Chance gegen die Schreihäls­e von nebenan.

Die Konzerte im Fronhof kennen solche Schwierigk­eiten. In nicht so weiter Entfernung finden parallel zum Klassikfes­tival an der Römermauer nämlich lautstarke OpenAir-Gelage statt. Durch direkte Ansprache der Veranstalt­er versucht man dort abends, die Feiernden von den Vorzügen des „piano“zu überzeugen – aber warum leise, wenn es laut so viel mehr Krach macht? Auch das Sensemble kennt dieses Problem, wenn es im Sommer am Jakobertur­m spielt. Dort sind es feiernde Jugendlich­e nebenan in der Grünanlage, die die Konzentrat­ion und Geduld des Publikums auf die Probe stellen.

Eine ungewollte Lärmquelle fällt in den nächsten zweieinhal­b Wochen schon einmal weg: feiernde Deutschlan­d-Fans nach gewonnenen WM-Spielen. Allerdings steht die Premiere auf der Freilichtb­ühne noch vor einer Unbekannte­n in der Uraufführu­ngsgleichu­ng: Ob sich der AfD-Parteitag in Augsburg auch noch auf die erste Vorstellun­g des Fuggermusi­cals auswirken kann – etwa durch kreisende Polizeihub­schrauber. Hoffentlic­h nicht!

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„Intermezzo“ist unsere KulturKolu­mne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefalle­n ist.

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