Wenn die Künste nach draußen gehen
Zuschauersäle im Hochsommer können eine Qual sein. Man erinnere sich nur: Ende Juni bei 30 Grad Außentemperatur im dritten Rang des Großen Hauses – im schlimmsten Fall in der ausverkauften Vorstellung eines Klassikers, den auch Schulklassen besuchen. Alle Welt draußen grillt im eigenen Garten, während man selbst im Theater gegrillt wird. Verdammt dazu, ruhig zu sitzen und zu spüren, wie die Temperatur unter dem Dach immer weiter steigt und die Luft kaum noch zu atmen ist. Es schwitzen dann nicht nur die Darsteller im Scheinwerferlicht, sondern alle im Haus, ohne dass sich jemand bewegt.
Um wie viel angenehmer sind da Open-Air-Veranstaltung. Selbst in der größten Hitze kann es unter freiem Himmel nicht so stickig werden. Klar gibt es Unwägbarkeiten: Das Gewitter während der Freilichtbühnenaufführung, das einen unvorbereitet erwischt. Der Temperatursturz kurz vor dem Open-Air-Konzert, der den Besuch zu einer Expedition arktisch anmutenden Expedition werden lässt: Drei Lagen Stoff samt Regenmantel und Regenhose, um im leichten Dauerregen bei vier Grad dreieinhalb Stunden lang bestehen zu können. Dann hilft nur tanzen gegen das Frieren.
Das Wetter lässt sich nicht planen. Jenseits von Hitze, Kälte und Regen kommen draußen allerdings neue Faktoren ins Spiel, die die Aufmerksamkeit beeinträchtigen können, zum Beispiel wenn es leisere Töne auf der Bühne zu hören gibt und in nicht allzuweiter Entfernung völlig profan mit reichlich Alkohol gefeiert wird. Im Aufmerksamkeitswettkampf von Kunst gegen Gegröle steht der Verlierer immer von Anfang an fest: die Bühne hat nie eine Chance gegen die Schreihälse von nebenan.
Die Konzerte im Fronhof kennen solche Schwierigkeiten. In nicht so weiter Entfernung finden parallel zum Klassikfestival an der Römermauer nämlich lautstarke OpenAir-Gelage statt. Durch direkte Ansprache der Veranstalter versucht man dort abends, die Feiernden von den Vorzügen des „piano“zu überzeugen – aber warum leise, wenn es laut so viel mehr Krach macht? Auch das Sensemble kennt dieses Problem, wenn es im Sommer am Jakoberturm spielt. Dort sind es feiernde Jugendliche nebenan in der Grünanlage, die die Konzentration und Geduld des Publikums auf die Probe stellen.
Eine ungewollte Lärmquelle fällt in den nächsten zweieinhalb Wochen schon einmal weg: feiernde Deutschland-Fans nach gewonnenen WM-Spielen. Allerdings steht die Premiere auf der Freilichtbühne noch vor einer Unbekannten in der Uraufführungsgleichung: Ob sich der AfD-Parteitag in Augsburg auch noch auf die erste Vorstellung des Fuggermusicals auswirken kann – etwa durch kreisende Polizeihubschrauber. Hoffentlich nicht!
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„Intermezzo“ist unsere KulturKolumne, in der Redakteure der Kultur- und Journal-Redaktion schreiben, was ihnen die Woche über aufgefallen ist.