Der „Gärtner“muss ins Gefängnis
Ein 35-Jähriger aus Augsburg hat gestanden, für den bundesweit bekannt gewordenen Anbau in Baumwipfeln im Haunstetter Wald verantwortlich gewesen zu haben. Im Gerichtssaal bekommt er auch Lob
Als die Kripo ihn schließlich vernahm, war Michael G.* beinahe froh. Seit Monaten hatte er ein Geheimnis mit sich herumgeschleppt; es muss ihn belastet haben. Er hatte im Juli 2017 eine ungewöhnliche Hanfplantage angelegt und Töpfe im Haunstetter Wald auf Baumwipfel gezogen, der Fall machte bundesweit Schlagzeilen. Lange kamen die Ermittler ihm nicht auf die Spur. Bis zum März dieses Jahres. Da lud ihn die Polizei vor und bei Michael G. brachen alle Dämme. Er schüttete den Beamten sein Herz aus. Unter Tränen räumte er sofort alles ein. Ja, er habe Teile der Ernte verkaufen wollen; ja, er habe die Plantage hochgezogen. Er sei es gewesen, alleine. „Ich konnte bei der Polizei endlich alles loswerden“, sagte er im Gerichtssaal in Augsburg.
Dort hat ihn ein Schöffengericht unter Vorsitz von Richter Ralf Hirmer am Freitag zu einer Haftstrafe von drei Jahren und zwei Monaten verurteilte, wegen „unerlaubten Handeltreibens mit Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge“. Zudem ordnete das Gericht an, dass der Verurteilte eine Drogentherapie beginnen muss. Dies hatte ein Sachverständiger zuvor als lohnenswerte Maßnahme angeregt. Das heißt: Der Augsburger, der seit März in Untersuchungshaft sitzt, muss möglicherweise nur einige weitere Monate im Gefängnis bleiben, ehe er eine Therapie beginnen kann.
Die Lebensgeschichte des Angeklagten hat viele Brüche. Michael G., heute 35 Jahre alt, ist tatsächlich gelernter Baumschulgärtner, was zumindest teils erklärt, wie er die Hanfplantage schon rein technisch anlegen konnte. Die Ausbildung liegt allerdings Jahre zurück, der Angeklagte führte sie nicht zu Ende. Er hatte schon damals Drogenprobleme, er hat sie bis heute. Die Drogen, sagte der medizinische Sachverständige, der ihn begutachtet hatte, hätten jede Form einer Be- verhindert. Michael G. sei definitiv abhängig, er sei auch psychisch angeschlagen. Die Erklärung des Angeklagten, wie er auf die Idee zur Plantage kam, ist eher kurios. Er habe gehört, dass die Baumkronen die am wenigsten erforschten Gebiete unserer Erde seien. Ein guter Platz, um Marihuana anzubauen, dachte er sich.
Der 35-Jährige hat eine ausgeprägte künstlerische Ader und ist in der Graffiti-Szene der Stadt gut vernetzt – die Graffiti waren freilich einer der Gründe, warum er schon in der Vergangenheit Bekanntschaft mit den Ermittlungsbehörden gemacht hatte. Im Gerichtssaal holte Michael G. Bilder hervor, die er in der U-Haft gezeichnet hatte. Vor seiner Verhaftung, sagte Michael G., habe er einige Bilder verkauft und teils davon gelebt, künftig wolle er weiter als Künstler arbeiten.
Sein Mandant sei ein introvertierter, reflektierter Mensch, sagte Verteidiger Klaus Rödl. Der Anwalt eine Haftstrafe von zwei Jahren und sechs Monaten für seinen Mandanten sowie die Unterbringung in einer Therapieeinrichtung. Es sei keine große kriminelle Energie im Spiel gewesen, sagte Rödl. Man müsse auch berücksichrufskarriere tigen, dass sein Mandant in einem frühen Stadium der Ermittlungen alles bereitwillig eingeräumt habe. Ob der Tatnachweis ansonsten hätte geführt werden können, sei dahingestellt. Auf die Schliche waren Michael G. die Polizisten über DNAforderte Spuren gekommen, die an einer Zigarette im Wald hafteten. Den genetischen Fingerabdruck des Mannes hatte die Polizei gespeichert, da der 35-Jährige schon früher immer wieder durch Drogendelikte aufgefallen war. Zudem sagte die Verkäuferin eines nahen Baumarktes der Polizei, sie erinnere sich, dass der 35-Jährige Eimer gekauft hatte, wie sie zum Anbau der Pflanzen benutzt wurden. Staatsanwalt Markus Wiesner forderte eine Haftstrafe von drei Jahren und sechs Monaten, auch weil Michael G. zwölf Einträge im Bundeszentralregister hat und unter offener Bewährung stand.
Wie auch ein ermittelnder Polizeibeamter, der als Zeuge aussagte, lobte der Staatsanwalt das kooperative Verhalten des Angeklagten. „Auf der Dienststelle hat er sich korrekt verhalten“, sagte der Kripo-Mann dazu. Auch die Polizei war erstaunt gewesen, wo und wie die ungewöhnliche Hanfplantage angelegt worden war. „So etwas haben wir auch noch nicht gesehen.“
Insgesamt fanden die Beamten knapp 275 Marihuana-Kübel im Wald, der Ermittlungskomplex ist abgeschlossen. Das Gericht blieb schließlich in der Mitte beider Plädoyers. Das Urteil ist bereits rechtskräftig.